Interview:"Hinter mir sitzt kein Mr. Big, der die Fäden zieht"

Die Sängerin Annett Louisan über ihr Lolita-Image, Musik, die beim Bügeln stört (also ihr zweites Album) und warum sie nichts über Angela Merkel sagen will.

Frederic Huwendiek

Das Debüt-Album "Bohème" der 26-Jährigen verkaufte sich 400.000 Mal. Dieses Jahr wurde Annett Lousian mit dem "Echo" in der Kategorie "Künstlerin des Jahres national" ausgezeichnet. Am 21.Oktober erscheint ihr neues Album "Unausgesprochen".

Interview: Will Musik machen, die beim Bügeln stört: Annett Louisan

Will Musik machen, die beim Bügeln stört: Annett Louisan

(Foto: Foto: Jim Rakete)

sueddeutsche.de: Dein Image liegt irgendwo zwischen Femme Fatale und Lolita, zwischen Elfe und Biest ...

Louisan: Ja, das ist wohl auch ein Stück weit meine natürliche Ausstrahlung. Ich habe schon vor meiner Pop-Karriere gemerkt, dass ich bei manchen Menschen den Beschützer-Instinkt wecke und für sie eine warme, aber auch kindliche Ausstrahlung habe. Ich wurde dadurch auch oftmals unterschätzt. Und das wusste ich durchaus auch für mich zu nutzen.

Man darf aber nicht vergessen, dass die Single "Das Spiel", die vor allem dieses Lolita-Image geprägt hat, nur ein Song ist. Dadurch, dass dieses Lied so ein Hit wurde und die Medien sehr stark damit gearbeitet haben, hab ich jetzt dieses Image. Eine Lolita ist nur eine Figur aus einem Roman, eine Phantasie. Wenn dir das ewig anhaftet, wird es irgendwann langweilig und auch geschmacklos.

sueddeutsche.de: Deine Musik, deine unverwechselbare Stimme polarisiert und provoziert. Gefällt dir das?

Louisan: Es machen so viele Menschen Musik - und vieles klingt einfach ähnlich. Es gehört auch Mut dazu, anders zu sein, anders zu singen und zu klingen. Dafür bekommt man immer auf die Mütze. Aber es lohnt sich! Ich finde es wundervoll, dass mich Leute nach den ersten Klängen erkennen können. Dass mich nicht jeder mögen kann, ist doch klar. Musik, die beim Bügeln nicht stört, will doch keiner machen.

sueddeutsche.de: Wie kommst du mit deinem schnellen Erfolg zurecht? Vor einem Jahr kannte dich noch kaum jemand...

Louisan: Am Anfang war es sehr, sehr aufregend. Ich habe so viele Dinge im letzten Jahr erlebt, so viele Erfahrungen in mich aufgesaugt. Und ich denke und hoffe, dass ich jetzt einen guten Weg zwischen Selbstkritik und Selbstbewusstsein gefunden habe. Es sind immer ein paar Freunde um mich rum, die mir sagen, wenn etwas schief läuft oder ich mich verändere und ein bisschen aufpassen muss. Aber ich habe auch gelernt, bestimmte Kritik nicht ernst zu nehmen.

sueddeutsche.de: Dein zweites Album kommt ungewöhnlich schnell...

Louisan: Ich denke, man muss die Zeit nutzen, in der einem viel einfällt, in der man motiviert ist. Das kann ja auch immer anders sein - dass man muss und nicht kann. Ich bin im Sommer ins Studio gegangen und es ist gerollt. Durch die Erfahrungen mit dem ersten Album, mit der Tour, sind mir so viele Dinge eingefallen. Ich wollte einfach diesen Sound weiterspinnen und ein bisschen ausbauen, ohne mich zu wiederholen. Ich hab das Gefühl, es geht jetzt erst richtig los.

sueddeutsche.de: Geht man mit dir jetzt eigentlich anders um?

Louisan: Natürlich! Einige Menschen, die mich gut kennen, haben jetzt Berührungsängste, andere wiederum sind jetzt furchtbar freundlich. Das Übliche eben. Aber ich kann damit gut umgehen. Natürlich sind immer noch meine alten Freunde um mich, die mir lieb und teuer sind. Ich hab sehr viel gelernt über Menschen in diesem Jahr - man trifft gerade in diesem Bereich einfach unheimlich viele skurrile Menschen.

sueddeutsche.de: Freust du dich auf die Veröffentlichung oder hast du auch ein bisschen Bammel?

Louisan: Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich hätte da gar keinen Druck. Im Sommer hab ich schon mal eine gewisse Last verspürt. Dieser schmerzhafte, störende Druck löste sich auf, als ich zum ersten Mal das fertiggemischte Album gehört habe. Da war ich echt zufrieden. Ich muss sagen: Ich bin richtig stolz auf mein Album! Und es ist wirklich nicht einfach, sich als Künstler selbst zufrieden zu stellen. Ich kenne viele Kollegen, die nie zum Ende kommen und immer weiter rumfeilen wollen. Und nur weil ich zufrieden bin, bin ich jetzt hier und promote mein zweites Album. Und was ist schon Erfolg? Gut, ein bisschen Geld, aber sonst? (lacht)

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"Hinter mir sitzt kein Mr. Big, der die Fäden zieht"

sueddeutsche.de: Deine Texte sind sehr persönlich, aber nur zu einem Teil von dir mitgeschrieben. Wie fühlt sich das an, die Gedanken deines Produzenten und Texters Frank Ramond zu intonieren?

Interview: "Hinter mir sitzt kein Mr. Big, der die Fäden zieht": Wo Annett Louisan draufsteht, ist auch nur Annett Louisan drin.

"Hinter mir sitzt kein Mr. Big, der die Fäden zieht": Wo Annett Louisan draufsteht, ist auch nur Annett Louisan drin.

(Foto: Foto: Jim Rakete)

Louisan: Frank ist der Architekt meiner Gedanken. Wir sind echt ein cooles Kreativ-Team. Beim ersten Album hatte ich noch ein Problem, meine Gedanken auf ein Papier zu bringen und eine solide aufgebaute Geschichte zu erzählen. Und da hat mir Frank sehr geholfen - er kann einfach sehr gut diese feminine Sicht einnehmen. Ich würde nie irgendwas singen, dass nicht von mir kommt - das ist mein Album, da steht mein Name drauf. Ich präsentiere und interpretiere das - ich kann nicht irgendwas singen, das ich nicht fühle. Hinter mir sitzt kein Mr. Big, der die Fäden zieht, auch wenn das viele Leute denken...

sueddeutsche.de: Was ist dein zentrales Thema?

Louisan: Die Liebe. Die Suche nach Liebe und Anerkennung - sicher auch nach Macht. Das hängt ja alles zusammen. Alles dreht sich um Liebe! Und es dreht sich darum, andere Menschen zu verstehen und sich selbst zu verstehen.

sueddeutsche.de: Du hast Kunst studiert. Müsstest du ein Bild zu "Unausgesprochen" malen, wie würde das aussehen?

Louisan: Mhm, schwierig. Ich finde es viel einfacher, Musik zu machen, als ein Bild zu malen. Handwerklich kann ich das zwar sehr gut, das hab ich ja von der Pike auf gelernt. Aber mein neues Album ist einfach zu komplex, um das auf einem Blatt Papier zu visualisieren. Wäre mein Album ein Film, wäre es jedenfalls ein Pariser Roadmovie.

sueddeutsche.de: Warum gerade Paris?

Louisan: Ich habe immer Bilder von Paris im Kopf. Das ist einfach eine Ästhetik, die ich sehr romantisch finde. Wahrscheinlich sieht man diese Stadt in Gedanken immer schöner, als wenn man wirklich dort leben würde.

sueddeutsche.de: In dem Song "Eve" singst du von einer äußerlich perfekten jungen Dame - die du aber dafür "abgrundtief hasst". Und dass du "nur im Konjunktiv" vollkommen bist. Ich meine: Du bist erfolgreicher Popstar, gutaussehend, hast sicherlich viel Geld auf dem Konto...

Louisan: .. du willst wissen, ob ich Angst habe, dass ich nicht für irgendjemanden 'ne "Eve" bin? (lacht)

sueddeutsche.de: Vielleicht.

Louisan: Ich glaube nicht, dass die Leute so von mir denken. Ich passe nicht in das typische Raster: Ich bin kein perfekter Star, ich hab nicht dauernd Stylisten um mich herum, ich muss nicht jedes Foto absegnen, das von mir gemacht wird. Ich gehe ungeschminkt auf Straße. Also: Nein!

sueddeutsche.de: Interessierst du dich eigentlich für Politik?

Louisan: Ich bin ein sehr politischer Mensch und habe auch eine dezidierte politische Meinung - aber vertrete diese nicht öffentlich.

sueddeutsche.de: Ich hätte dich nämlich gerne...

Louisan: ... zu Frau Merkel gefragt?

sueddeutsche.de: Exakt.

Louisan: Sorry, aber da möchte ich mich zurückhalten. Das ist mir einfach zu heikel.

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