Interview:Grobes Korn

Mel Gibson berichtet über Schnörkel, den Sinn der "Signs" und die Suche nach der Super-Natur

Patrick Roth

Im Frühsommer hielt er die Stellung im allerersten Gefecht von US-Einheiten in Vietnam ("Wir waren Helden"), nun kämpft er in der Provinz von Pennsylvania gegen Aliens. Er scheint der rechte Mann zu sein für den Krieg der Welten.

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(Foto: SZ v. 12.09.2002)

SZ: Der Film erinnert in vielen seiner erzählerisch- atmosphärischen Details an Hitchcocks "Die Vögel".

Gibson: Ich weiß, was Sie meinen. Das Klaustrophobische. Das Eingesperrtsein, während eine unheimliche Macht von außen einzudringen versucht.

SZ: Machte Ihr Regisseur, Night Shyamalan, Sie auf solche Bezüge aufmerksam?

Gibson: Das tat er. Night sprach öfter von "The Birds". Der Film hatte ihn, als er noch Kind war, tief erschüttert. Damals ging die Erfahrung von dem, was Suspense war, in Fleisch und Blut über. Er konnte nie vergessen, dass ihn der Film bis in den innersten Kern verunsichert hatte. Night ist ein großer Hitchcock-Fan.

SZ: Auch in der Auswahl der Einstellungen, die er sich für seine Sequenzen ausdenkt, erinnert er an den Meister.

Gibson: Night kommt total vorbereitet zur Arbeit.Und, bei Gott, er versteht was von Kommunikation. Er hat uns alle auf diesen Film eingeschworen. Wir wussten genau, was er will. Er ging zwei Wochen lang jede Einzelheit des Drehbuchs mit mir durch.

SZ: In der herrlich inszenierten Sequenz im Keller zum Beispiel. Da wechselt er die Kameraposition mit jedem neuen Aufscheinen der Taschenlampe...

Gibson: Das stand alles schon fest. Night zeichnet für jede Szene des Films Storyboards, die dem Filmarchitekten, dem Kameramann, den Schauspielern auch visuell verständlich machen, was er vermitteln will. Das heißt auch, dass er genau weiß, welche Shots er für die fertig geschnittene Sequenz benötigt. Er filmt am Drehort nicht endlos aus unzähligen Winkeln ab, was wir spielen. Weil er schon vorher genau weiß, wo er schneiden und wie er dann anschließen wird. Seine Präzision - das muss ich als Schauspieler sagen - färbte auf alle, die an diesem Film mitarbeiteten, ab.Man vertraute seinem Urteil, das oft genauso verrückt detailliert war.

SZ: Geben Sie mir ein Beispiel.

Gibson: Naja, man fällt - wie bei jedem Job - beim Schauspielen manchmal in eine Routine. Und das ließ Night nicht zu. Er wollte Authentisches und war ständig hinter mir her, wenn ich abkürzen wollte. Ich schneide manchmal Grimassen, ... das sind Schnörkel. Schnörkel entsprechen Gedanken, die nicht zu Ende gedacht werden, spielerischen Impulsen, die ich - aus Mangel an Konzentration etwa - nicht natürlich ausklingen lasse, sondern typisch verkürze. Viele Regisseure sehen gar nicht, was da geschieht. Oder sie sehen's, sagen aber nichts, weil sie nicht wissen, wie's zustande kam. Im besten Fall heißt es dann: Drehen wir nochmal. Aber Night kann dir ganz genau sagen, was passiert ist, wann und warum. Unbezahlbar und erfrischend, so ein Wahrheitspolizist.

SZ: Ich höre, Sie glauben tatsächlich an diese Kornkreise, mit denen der Film die Story dramatisch unterlegt.

Gibson: Das ist Unsinn. Nein, das hab ich nie gesagt. Einige Formationen sind allerdings so komplex, dass sie schwer zu erklären sind. Wir wissen nicht alles. Wir tun nur immer so. Dennoch: Ich glaube nicht an grüne Männchen aus dem All, die unserem Planeten Besuche abstatten. Ich glaube an eine Super-Nature - ein Größeres -, die alles enthält. Und die mich auch einen Sinn sehen lässt, erleben lässt... Es gibt diese "Signs", auf die der Filmtitel anspielt. Und das müssen keine Kornkreise sein. Nein, man muss die Bilder in Nights Film im übertragenen Sinn verstehen. Der Fremde, der Andere scheint uns zunächst immer bedrohlich. Das ist das "Id", das sind Projektionen aufs Fremde. Also letztlich immer unsere eigenen Ängste, die wir da sehen. Das Fremde kommt immer von außen - bildlich gesprochen: aus dem All. Und warum von außen? Weil wir uns nicht bewusst sind, dass sich hier innere Vorgänge abbilden, unsere Psychologie.

SZ: Was sind das für "Signs", von denen Sie sprechen?

Gibson: Wir haben Dinge dieser Art schon alle erlebt. Plötzlich scheint etwas auf, geschieht etwas Unerklärliches. Wir weigern uns instinktiv, es als Zufall zu bezeichnen und abzutun. Wir ahnen den Sinn dahinter, ohne das Geschehnis rational erklären zu können.

SZ: Aber der Pfarrer, den Sie spielen, sieht diesen Sinn-Zusammenhang nicht mehr...

Gibson: Was wir Glauben nennen, kommt uns allen immer wieder abhanden. Auch die arrogantesten unter uns werden ab und zu von Zweifeln geplagt. Ich ging der Glaubensfrage Jahre lang aus dem Weg. Von 17 bis 35 war mir das alles völlig egal. Ich wurde durch eine ganze Reihe von, sagen wir: Lektionen - meist sind es ja Niederlagen - zurückgeführt. Die Frage musste gestellt werden, und mein Leben verlangte, dass ich mich intensiver damit beschäftige. Es ging mir um eine persönliche Antwort. Ich las damals natürlich auch einiges dazu, das mich beeindruckte.

SZ: Was denn zum Beispiel?

Gibson: Es waren älteren Schriften. Ich erinnere mich nicht mehr an die genauen Titel. Eines stammte von einem Deutschen. Aus dem 18. Jahrhundert, glaube ich. Da ging es um diese Frau - eine Nonne, glaube ich -, deren Visionen einem Dichter diktiert wurden. Eine Mystikerin, deren Visionen er beschrieb. Das Buch war ungeheuer reich an Details.

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