Interview: Bully Herbig:"Ich strebe den Nobelpreis für Physik an."

Endlich! Ein ernstes Gespräch mit Deutschlands erfolgreichstem Filmautor, der sich allerdings schon auf der Startrampe seines neuen Kinostücks "(T)Raumschiff Surprise" befindet.

SZ

Michael Herbig, als Bully schon im Fernsehen zu einiger Berühmtheit gekommen, ist derzeit der erfolgreichste deutsche Kinoregisseur - sein zweiter Film, "Der Schuh des Manitu", ist einer der größten deutschen Kinoerfolge, Nummer drei steht also unter einigem Erwartungsdruck. Am Donnerstag hebt "(T)Raumschiff Surprise: Periode 1" bundesweit ab.

Interview: Bully Herbig: "Der Gebrauch und das Dealen mit Zeitreisen bleibt illegal. Das muss man natürlich wissen."

"Der Gebrauch und das Dealen mit Zeitreisen bleibt illegal. Das muss man natürlich wissen."

(Foto: Foto: AP)

SZ: "(T)Raumschiff Surprise" spielt ja gar nicht nur in der Zukunft, Sie reisen ja fleißig durch die Jahrhunderte. Michael Herbig: Genau. Wir verlassen irgendwann das Jahr 2304 und treten dann eine Zeitreise an. Diese Thematik kam mir sehr entgegen, weil ich das sehr spannend finde und mittlerweile auch weiß, wie das geht.

SZ: Das ist ja großartig. Wenn wir also hier eine Frage vergessen, können wir einfach an den Anfang der Unterhaltung zurückreisen und es nochmal versuchen ... Herbig: Ja, genau. Ich eröffne in der Zukunft sowieso ein Zeitreisebüro. Das Problem ist, dass der Besitz von kleinen Mengen von Zeitreisemaschinen erlaubt sein wird, der Gebrauch und das Dealen mit Zeitreisen aber bleibt illegal. Das muss man natürlich wissen. Ich finde auch das Mittelalter spannend, deswegen also dieser Mittelweg, auf dem man mit Budget und Möglichkeiten jongliert.

SZ: Dass die drei Helden im Mittelalter landen, liegt natürlich daran, dass sie sich erst mal verfahren. Herbig: Was will man denn auch machen mit einer halbfertigen Zeitmaschine, die noch nie getestet wurde? Die erste Frage ist: Wer ist so mutig, die auszuprobieren? Die zweite Frage: Wer ist so blöd?

SZ: Hatten Sie die Idee mit dem Mittelalter schon, bevor Michael Crichtons Roman "Timeline" in aller Munde war? Herbig: Das ist sehr lustig, dass Sie das sagen. Bislang hat das noch keiner gefragt. Ein ausgezeichnetes Buch. Glauben Sie mir oder nicht: Als wir mit dem Dreh fertig waren und ich im August in Flitterwochen fuhr, habe ich "Timeline" gelesen und habe mir gedacht: Das gibt's doch nicht. Zeitreise. Schwarzer Ritter. Lanzenturnier. Oh mein Gott. Das ging mir bei "Schuh des Manitu" genauso, da haben die Leute auch immer Bezüge gesehen zu Filmen, die ich gar nicht kannte. Sobald man in ein Genre eintaucht, ist es symptomatisch, dass man Romane und Filme touchiert auf dieser Spielwiese.

"Ich strebe den Nobelpreis für Physik an."

SZ: "Timeline" zu nehmen und nicht nur "Star Trek" und George Lucas, das ist doch wunderbar - sehr originell! Herbig: Das können wir ja jetzt auch gern behaupten, dass wir das mit Absicht gemacht haben. Vielleicht wird dann auch vieles verständlicher. "Der Schuh des Manitu" wurde beispielsweise dauernd mit einer Komödie verwechselt. Das war ja aber in erster Linie ein Aufklärungsfilm, und ich wollte, dass der irgendwann mal an den deutschen Schulen gezeigt wird. Mit "(T)Raumschiff Surprise" strebe ich den Nobelpreis für Physik an. Wir setzen uns mit Zeitreisen, Quantentheorie, Paralleluniversen, Wurmlöchern auseinander. Ich denke, wir lassen ihn schwedisch untertiteln und schicken ihn nach Stockholm.

SZ: Bisher wollten Sie aber doch eigentlich als Autorenfilmer gesehen werden ... Herbig: Ein demokratischer Autorenfilmer. "(T)Raumschiff Surprise" ist ja quasi der erste demokratisch gewählte Film. Die Internetabstimmung über das Thema, das war ja ein toller Marketingtrick. Aber eigentlich wusste ich nach "Manitu" nur nicht, was ich auf die Frage antworten soll, was als nächstes kommt, ich hatte noch gar nicht verarbeitet, was da passiert war - und dann habe ich geantwortet: Ich lass abstimmen. Das hat sich verselbstständigt, ich kam aus der Nummer nicht mehr raus - und ich habe nur noch hoffen können, dass es nicht "Sissi - Wechseljahre einer Kaiserin" wird. Nichts gegen das Kleid, das trage ich auch privat, aber die Perücke? Das hätte anstrengend werden können. Und ich hatte auch etwas Angst vor einer Liebesszene mit Christian Tramitz. SZ: Hatten Sie denn schon mal Ärger mit der schwulen Gemeinde? Oder überwiegen da die Fans? Herbig: Ärger gab's nie. Im Gegenteil. Wir bekommen sensationelles Feedback. Es gibt zwei Reaktionen. Die einen sagen "Ich schmeiß' mich weg!" und die anderen meinen augenzwinkernd "Des is ja total übertrieben". Es ist wie immer eher eine Frage des Humors.

SZ: Um sich als Autorenfilmer zu profilieren, hätten Sie vielleicht was in der Art von "Außenseiterbande" oder "Jules und Jim" zur Abstimmung stellen sollen. Herbig: Irgendwann drehe ich sowieso einen Arthouse-Film. Er wird "Metapher" heißen, ich dreh ihn auf französisch mit tschechischen Untertiteln, Frauen mit langen Achselhaaren rühren sehr lang im Kaffee, und irgendwann, das wird eine große Herausforderung für einen Schwarzweißfilm, fährt ganz langsam ein rotes Auto durchs Bild.

SZ: Jetzt stellen Sie aber Ihr Licht unter den Scheffel ... Ihr Zugang zum Filmemachen war doch eigentlich ganz seriös. Haben Sie nicht schon als Kind angefangen, sich Hitchcock daraufhin anzuschauen, wie er gearbeitet hat? Herbig: Der erste Hitchcock-Film, den ich wenigstens durch einen Türspalt erahnt habe - ich durfte sowas ja früher nicht gucken -, war "Die Vögel". Ist bis heute einer meiner Lieblingsfilme, es fasziniert mich bis heute, dass er ohne Musik auskommt. Ich fand es großartig, wie man mit Bildern, mit einer Geschichte, Leute erschrecken kann - und berühren. In "Cocktail für eine Leiche" laufen Einstellungen zehn Minuten lang durch - das ist doch Wahnsinn... Für mich ist Kino immer wie Achterbahnfahren geblieben. Ich will damit nicht sagen, dass ich die so genannten Arthouse-Filme nicht mag - aber mir kommt in Deutschland nicht oft genug der Begriff Unterhaltung vor. Wahrscheinlich war mein großer Fehler, dass ich in die Bewerbung für die Filmhochschule bei der Frage, welche Regisseure mich inspirieren, Hitchcock und Spielberg hingeschrieben habe.

SZ: Wie ernsthaft waren denn diese Bewerbungen? Herbig: Ich habe ganz bewusst vorher eine Fotografie-Ausbildung gemacht, um das, was ich vorher mit der Videokamera gemacht habe, zu optimieren - da habe ich, glaube ich, den Dogma-Film erfunden, kein Licht, kein Ton, keine Schauspieler und alles verwackelt. Ich habe ja auch sehr lange gedacht, ich hätte die berühmte "Vertigo"-Fahrt erfunden - Kamerafahrt mit entgegengesetzter Brennweitenveränderung. War Zufall, ich war zwölf, bin mit der Videokamera den Gang entlang gegangen, bin aus Versehen an den Zoom gekommen ... Wollte ich keinem verraten und später einsetzen, bis ich den "Weißen Hai" gesehen habe und dachte, verflucht, da war einer schneller. Und dann, noch viel später, sah ich "Vertigo" ...

SZ: Dabei war Hitchcock so stolz auf diesen Effekt! Drehen Sie denn wie Hitchcock, arbeiten Sie mit Storyboards? Herbig: Das funktioniert bei mir nicht. Bevor ich dem Zeichner erklärt habe, wie ich die Einstellung will, hab ich's selber gemacht ... Ich male Strichmännchen.

SZ: Das Drehbuch haben Sie mit Alfons Biedermann und Rick Kavanian zusammengeschrieben. Ist es mit dem Teamwork irgendwann mal vorbei beim Dreh? Herbig: Natürlich sind wir gleichberechtigte Autoren, aber es kann ja nur einer am Computer sitzen, und da hab ich den Regiebonus, weil ich dann argumentiere: Ich muss schreiben, dann kann ich mir gleich Notizen machen. Da schreibe ich dann auch wirklich Kameraeinstellungen rein. In dem Moment, wo das Drehbuch fertig ist, ist der Film im Kopf da. Für mich ist das Schlimmste, dass man fünfzig Tage hintereinander dreht - ich würde am liebsten abends in den Schnitt gehen und rausfinden, ob es wirklich so geworden ist ...

SZ: Schon wieder Hitchcock pur! Herbig: Ich improvisiere mehr. Wenn einem am Set ein besserer Gag einfällt, muss man flexibel sein. Aber wir hatten ein großes Budget - neun Millionen Euro. Da muss man sich ziemlich sicher sein, was man will, und kann nicht irgendwas für die Tonne produzieren. Es gibt im "(T)Raumschiff" sehr viele am Computer produzierte Special Effects, das kommt aus dem Hochleistungsrechner. Da musst du wissen, wie es passt, sonst rechnet der noch mal sechzig Stunden und du kannst einen Kurzurlaub machen. Die Effekte sind zwar nur dazu da, die Geschichte zu erzählen, ich finde es aber - wie schon beim "Manitu" - extrem wichtig, dass der Film glaubwürdig aussieht.

SZ: Und hat sich George Lucas das Resultat schon angeschaut? Herbig: Vielleicht, der Trailer steht ja schließlich im Netz.

SZ: Was ist Ihr Traum? Einen Deutschen Filmpreis haben Sie ja schon. Herbig: Ja, aber doch noch keinen richtigen, das war ja ein Ersatzpreis.

SZ: Und wie schätzen Sie Ihre Rolle im Höhenflug des deutschen Kinos ein? Herbig: Das ist so eine Frage: Bin ich nun die Rettung des deutschen Kinos oder der Untergang des Abendlandes? Ich weiß nicht. Ich mach das ja nicht mit Absicht. Ich drehe einfach die Filme, die ich selber gerne sehen will.

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