Launologie:"Die Menschen neigen zum Katastrophisieren"

Launologie: Maske tragen, in Quarantäne wegen Weihnachten begeben, Dezemberwetter - gute Laune zu behalten, fällt da oft schwer.

Maske tragen, in Quarantäne wegen Weihnachten begeben, Dezemberwetter - gute Laune zu behalten, fällt da oft schwer.

(Foto: Ralph Ravi Kayden/Unsplash)

Kann man gute Laune üben - gerade in der Corona-Zeit? Psychologe Helmut Fuchs hat die "Launologie" begründet - und eine klare Antwort.

Interview von Marlene Knobloch

SZ: Herr Fuchs, haben Sie gute Laune?

Helmut Fuchs: Ich habe oft gute Laune, aber ich arbeite auch daran. Es geht uns in der Launologie gar nicht um die gute Laune, sondern um eine Haltung. Das ist vergleichbar mit der "heiteren Gelassenheit", wie Aristoteles sie nannte. Aristoteles stellte die Seelenhygiene gleichbedeutend mit der Körperhygiene. Bei Hygiene denken die meisten Leute eher an die Klobürste als an ihre Psyche. Aber gerade jetzt, wo die Menschen Abstand halten und auf Distanz gehen, kann auch die psychologische Hygiene ein emotionaler Schutzschild sein. Wir haben am Institut in einer Studie mal Führungskräfte gebeten, aufzuschreiben, was ihr erster Gedanke beim Aufwachen ist.

Und?

Zu über 90 Prozent waren die Gedanken negativ. Wir können aber lernen, uns auf positive Gedanken umzustellen. Wir können uns angewöhnen, freundlich in einen Tag hineinzugehen. Zum Beispiel mit der Frage: Wem will ich heute eine Freude machen?

Die Zeit gerade ist für viele Menschen nicht einfach, es ist dunkel, viele fühlen sich allein. Wie kommt man da an die Glückshormone?

Es gibt eine Wechselwirkung zwischen unserer Psyche, dem Nervensystem und dem Immunsystem, die Psycho-Neuro-Immunologie. Zum Beispiel beeinflusst die Art, wie wir dreinschauen - also ob wir ein freundliches Gesicht oder ein unfreundliches Gesicht machen oder auch unsere Körperhaltung - unsere Emotionen sehr stark. Dabei haben wir durchaus eine Schalter-Funktion. Wir können grundlos freundlich gucken. Viele Menschen schauen ja grundlos unfreundlich, morgens in der U-Bahn zum Beispiel. In dem Moment aber, in dem man grundlos lächelt und ein freundliches Gesicht macht, unterstützt man die Serotonin-Ausschüttung, und die Stimmung wird messbar besser.

Launologe Doktor Helmut Fuchs

Launologe und Psychologe Helmut Fuchs: "Wir können grundlos freundlich gucken."

(Foto: privat)

Aber haben wir nicht gerade allen Grund, schlecht drauf zu sein?

Sie brauchen keinen Grund. Sie beschließen, schlecht drauf zu sein. In vielen Denkschulen von Aristoteles über Marc Aurel beeinflusst nicht die Art und Weise, wie sich die Welt verändert, unser Denken, sondern die Art und Weise, wie wir sie betrachten. Menschen neigen zum Katastrophisieren und können oft nicht erkennen, was in einer Situation positiv sein könnte. Diese Fähigkeit aber ist wichtig für die emotionale Kompetenz, man nennt das situative Ermutigung.

Interview am Morgen

Diese Interview-Reihe widmet sich aktuellen Themen und erscheint von Montag bis Freitag spätestens um 7.30 Uhr auf SZ.de. Alle Interviews hier.

Aber es gibt doch Situationen, die - Verzeihung - einfach scheiße sind?

Nein, die gibt es nicht, es gibt nur den Beschluss dazu. Und das Wort "scheiße" sollten Sie aus Ihrem Sprachgebrauch streichen, denn an jedem Wort hängen Emotionen. Man nennt das in der Neurologie das Neuro-Googeling, ihre Psyche sucht nach dem emotionalen Wert eines Worts. Wir müssen hier besser auf unsere Sprache achten. Wenn ein Verkäufer zum Beispiel sagt "kein Problem", googelt die Psyche das Wort "Problem". Daran hängen negative Emotionen, besser wäre "gerne".

Aber wie soll ich eine heitere Gelassenheit haben, wenn ein enger Verwandter an Corona stirbt?

Mit situativer Ermutigung würde man fragen: Was war schön an der gemeinsamen Zeit? Das sind psychohygienische Grundregeln. Ich habe durch Corona meinen engsten Freund verloren. Der war 64 Jahre alt, ein Verlust, den ich nicht beschreiben kann. Jetzt könnte ich in ein Emotionschaos stürzen oder tatsächlich Emotionsarbeit leisten, indem ich frage: Was war gut? Was haben wir gemeinsam gemacht in den 64 Jahren? Da bekomme ich Handlungsspielraum. Das hat nichts mit schönreden zu tun, sondern mit emotionaler Kompetenz.

Waren die Menschen früher besser gelaunt als heute?

Ja. Die Negativität ist mit dem Wohlstand und mit dem Rückgang von Ritualen gestiegen. Die Menschen kommen im Alltag nicht mehr zurecht. Wir haben mal Morgengebete verschiedener Religionen nebeneinander gelegt und gesehen: Die sind relativ gleich. Es geht in fast allen Religionen darum, dass sich der Betende an eine imaginäre Instanz wendet und um Hilfe, um Verzeihung oder Unterstützung bittet. Danach geht der Mensch wesentlich gestärkter in den Alltag.

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