Internetvideo der Woche:Wie man durch Hypnose reich wird

Dieser Clip versetzt Sie in Trance. Denn unter dem Einfluss des Hypnotiseurs wird jeder zu willigem Material. Und einer gewinnt immer.

Christian Kortmann

Skeptiker haben es nicht leicht. Was zum Beispiel die Praxis der Hypnose betrifft, heißt es, man müsse an Hypnose glauben, um überhaupt hypnotisiert werden zu können. Wenn man sich also partout nicht vorstellen kann, den eigenen Willen in fremde Hände zu legen, und das Ganze für eine Mischung aus Esoterik und Scharlatanerie hält, kann man als Spielverderber zu jemandem, der glaubt, hypnotisiert worden zu sein, nur sagen: "Ich glaube, du hast dir das nur eingebildet."

Verdächtig beim Hypnose-Ritual erscheint vor allem die direkte Ansprache des "Unterbewusstseins" durch die Hypnotiseure, als würde dieses ihre Sprache verstehen und auf Befehle gehorchen. Wenn Hypnose wirklich funktionierte, müsste doch ein direkter, vorsprachlicher Weg in die Trance führen. So handelt es sich meist wohl um reine Insinuation. Du bist ruhig und entspannt, gaaanz ruhig und gaaanz entspannt, trichtert der Hypnotiseur dem willigen Opfer ein, du konzentrierst dich auf deine Atmung, ein und aus, ein und aus ... - eine Art Wegdös-Hilfe, wenn man eh gleich eingenickt wäre.

Im Internetvideo muss alles schnell gehen, auch das Herstellen der Trance. Deshalb wird im Clip "Instant Hypnosis" eine Probandin wohl mehr oder weniger ausgeknockt. Seine Technik, so beschreibt es der Blitz-Hypnotiseur, fühle sich für den Kunden an wie die rasende Schussfahrt in einer Achterbahn. Kein Wunder, dass seine Opfer die Hypnose körperlich intensiv erleben, erinnert sein überraschender, schneller Griff in den Nacken doch eher an einen Chuck-Norris-Karatehieb oder Mister Spocks vulkanischen Ohnmachtsgriff denn an eine sanfte Einlullung à la: "Tick-tack, achten Sie, tick-tack, auf meine goldene Uhr ..."

Öffentliche Vorführungen von Hypnose zeichnen sich durch beachtliche schauspielerische Leistungen aus: Das Abrakadabra-Bramarbasieren des Hypnotiseurs wird vom Hypnose-Trunkenen mit pathetisch-besessenem Lallen und marionettenhafter Schlaffheit der Glieder belohnt. Das Publikum ist fasziniert von der Idee, Macht über andere zu besitzen, wie etwa auch im Film "Manchurian Kandidat", in dem sich harmlose Schläfer mittels Codewort in fremdbestimmte Killer verwandeln. Eine ferngesteuerte Todesschwadron muss es nicht gleich sein, aber ein kleines bisschen fremdbestimmen würde jeder gerne können.

Solche hypnotischen Verschwörungstheorien haben noch eine andere, lustbetonte Seite: die erotische Phantasie, alle Menschen, meist Frauen, verführen zu können. In vielfachen Varianten findet man Clips von Show-Hypnotiseuren, die behaupten, einer zufällig ausgewählten Zuschauerin im Saal einen Orgasmus, nun ja, zufügen zu können. Auf Kommando erhöht sich die Erregung angeblich "um den Faktor zehn". Das funktioniert prima, während die Sitznachbarn der Frau versuchen, die Fassade gelangweilten Desinteresses aufrechtzuerhalten.

YouTube zeigt nicht nur die bunte Welt von Hypnotiseuren und Hypnotisierten, sondern auch Clips voller psychedelischer Muster, mit denen man sich angeblich selbst hypnotisieren kann. Mitunter sollen die Videos sogar verboten sein, als rührte ihre Psychoaktivität an ein dunkles Geheimnis der Menschheit und verwandelte die Zuschauer in willenlose Gestalten. Hinter den Clips stehen meist Geld und Glück verheißende Websites, auf denen ausführliche Selbsthypnose-Kurse verkauft werden, oder eine "persönliche Telefonhypnose-Session" für 197 Dollar. "Probleme lösen sich auf und kommen als Lösungen zurück", heißt es in einem dieser Clips.

Wie man durch Hypnose seine finanziellen Probleme löst, vor allem als Hypnotiseur, demonstriert Zoran Zoran, der schnellste Hypnotiseur der Welt, in seinem Video. Er verkauft seiner Kundschaft Audiokassetten, mit denen sie lernen, "durch Hypnose noch mehr Hypnose-Kassetten zu kaufen. That's right!"

Und doch, bei aller Schaustellerhaftigkeit der Hypnose-Rituale, die Zoran Zoran satirisch enttarnt, bleibt ein Rest von positiver Skepsis, ob an der Sache nicht doch etwas dran sein könnte. Schließlich zeigen auch gegen Einflüsterungen immune Tiere hypnoseähnliche Zustände, wenn sie sich in Gefahr totstellen. Vielleicht fallen auch Menschen ganz einfach deshalb in Trance, weil sie in Ruhe gelassen werden wollen, nicht von feindlichen Raubtieren, aber von halbseidenen Hypnotiseuren.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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