Internetvideo der Woche:Die lebenden Herrenwitze

Armes Schwein Mann: Frauen werfen ihre Gatten mit anderen Flaschen zum Altglas, Chefinnen demütigen ihre Bürosklaven. Was bedeutet Männerfeindlichkeit in der Werbung?

Christian Kortmann

Es gibt Männer, die, wenn sie zum Objekt eines Witzes werden, sofort um ihr primäres Geschlechtsmerkmal fürchten. Grund zu solchen ins Internet geseufzten Ängsten sind Werbespots, in denen die gesellschaftliche Rolle des Mannes in Frage gestellt wird. Da erschrickt mancher und fühlt sich "kastriert", wie es auf einer Website heißt. Zwar finden sich aufgeregte Beschwerden zu jedem Thema im Netz, bemerkenswert ist diese Klage trotzdem.

Denn angesichts des meist harmlos-possierlichen Frauenbildes in der Werbung ist die Diskriminierung der Männer das eher kleinere Problem. In der Sache geht es dennoch um mehr; denn unser Humorverständnis zeigt, ob wir als Frau oder als Mann so emanzipiert sind, dass wir pointierte Pauschalurteile ertragen, ohne sie als persönliche Beleidigung zu verstehen.

Im Werbespot des Bastel-mal-schön-selbst-Möbelhauses geben sich zwei Frauen sehr männlich: Die eine hat ihren begehbaren Kleiderschrank mit einer Liebe zum handwerklichen Detail ausgebaut, die im (Werbe-)Klischee sonst nur Männer an den Tag legen, wenn sie in der Garage am Sportwagen schrauben. Nicht nur in der Körpersprache, ihrem kühlen Nebeneinander-Herleben und dem stolzen Vorführ-Auftrumpfen mit verschränkten Armen: auch verbal imitieren die Frauen das männliche Muster.

Die Kommunikation besteht aus knappen, vernuschelten Lauten, die Freundinnen müssen nicht deutlich sprechen, weil sie aus ähnlichen Situationen wissen, was die andere sagen will. Sie beschränken sich lieber aufs Demonstrieren der zum "heißen Schlitten" mutierten Schublade und des Radios, das angeberisch eingeschaltet wird, obwohl es doch nur ein Radio ist.

Die Besucherin jedenfalls ist schwer beeindruckt. "Das is' ma'n Detail", nickt sie anerkennend. Besiegelt wird die kumpelhafte Inspektion mit einem rituellen Handschlag: "Dienstag Mädelsabend?" - "Geht klar." Mit jeder Geste und jedem Wort führen die Frauen die Defizite der Männer vor, weil man weiß, dass sie, wenn sie wollten, mit präzisestem Vokabular über innenarchitektonische Feinheiten diskutieren könnten.

Für Aufregung sorgte die Kampagne einer Schweizer Supermarktkette, die damit warb, "alle Flaschen zurückzunehmen, egal, woher man sie hat". Daraufhin laden in der Fiktion des Clips große stolze Frauen mit großen stolzen Frisuren ihre kleinen Männer in Einkaufswagen und karren sie schwebenden High-Heel-Schrittes in die Pfandabteilung. Ihre Gesichtsausdrücke machen klar, dass sie es verdammt ernst meinen. Die männliche Kritik an dem Spot lautete, dass der umgekehrte Fall, Männer bringen Frauen zurück, kaum toleriert würde. Als Mann aber müsse man sich alles gefallen lassen.

Der männliche Makel

Nun, man muss sich zwar nicht alles, kann sich aber ruhig einiges gefallen lassen, denn ganz so schlecht geht es den Männern dieser Welt ja nicht. Und keiner muss wegen einer Werbung fürchten, wegsortiert zu werden. Auch der "Flaschen"-Clip beweist nicht, dass die vollständige Gleichberechtigung realisiert ist, sondern spitzt die Kritik noch einmal zu, dass mitunter Männer den Aufstieg von Frauen bremsen. In der Schweiz dürfen Frauen erst seit 1990 in allen Kantonen wählen - die Appenzeller wehrten sich tapfer. Die Frauen haben historisch gesehen also einiges gut, unter anderem das Recht, die Männer satirisch härter anzugreifen als umgekehrt.

Weil wir immer noch nicht vor dem Vorurteil gefeit sind, eine Frau unter Männern als potenziellen Underdog zu sehen, wirkt der Auftritt des jungen Alpha-Weibchens, das in einer Autowerbung durch eine von Männern bevölkerte Büroetage stolziert, irritierend. Als die Chefin durch das chaotische Rudel schreitet, zucken die Männchen scheu zurück.

Allein durch ihr formvollendetes Auftreten demonstriert die Businesslady ihre Überlegenheit gegenüber den Schlaffis der Abteilung, die sich mit Langeweile, mangelnder Haltung, Körpergerüchen, also allerlei Unzulänglichkeiten herumschlagen. Im Aufzug treibt es dem Mitarbeiter Chris gar vor Angst die Tinte aus dem Füller in die Hemdtasche.

Dass die Frau mit ihrer Macht noch nicht weise hauszuhalten weiß, sondern ihren Triumph auskostet, gesteht man ihr gerne zu, weil sie immer noch sympathischer wirkt als der männliche leitende Angestellte, Typ Stromberg, den man in dieser Führungsrolle schon viel zu oft gesehen hat.

Die Stärken des Mannes werden in diesen Clips bewusst ignoriert, um ein Negativprofil anzufertigen, das sein Wesen unschmeichelhaft aber deutlich konturiert. Es geht hier also nicht, wie in Platons Ideenlehre, um das Urbild des Mannes, so wie er idealerweise zu sein habe, sondern um ein Schema der realen Schwächen, die er über die Jahrtausende entwickelt hat und immer neu beweist.

Man kann sich darüber amüsieren, weil man sich selbst als von den Rollenmustern geprägt erkennt, aber zugleich glaubt, in der kulturellen Evolution weiter zu sein. Der Humor findet drastische Metaphern, die keinen realen Körper mehr treffen. So stellen Geschlechterwitze eher ein Zeichen von Emanzipation als von Diskriminierung dar: Sie zeigen, auch wenn das heute erst in manchen Beziehungen und noch nicht auf breiter gesellschaftlicher Basis funktioniert, dass Männer und Frauen, die ihre Unterschiede respektieren, ohne Ressentiments übereinander lachen können.

PS: Hier noch die ganz weiche Vollendung der Emanzipation:

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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