Internetvideo der Woche:Angriff der Klönkrieger

TV-Serien der achtziger Jahre machen neu synchronisiert am meisten Spaß: Parodien von "Miami Vice", "Ein Colt für alle Fälle" und Darth Vader auf Kölsch in der Clip-Kritik.

Christian Kortmann

Im Zeitalter der DVD werden Fernsehserien immer häufiger "im Original", angeschaut. Bei allen Vorzügen des unverfälschten Werks wird jedoch oft vergessen, dass auch die Synchronisation eine Kunst ist, die zum Gelingen mancher TV-Serie beitrug: Wer erinnert sich nicht an den Hinweis auf die "Berliner Synchron Wenzel Lüdecke" oder die "Deutsche Synchron" im Abspann der meisten angloamerikanischen Kulturimporte?

Internetvideo der Woche: Ein polyglotter Universumstyrann: Darth Vader beim Plausch mit japanischen Schulmädchen (auf dem Plakat eines Mobilfunkfanbieters). Dass er auch rheinischen Dialekt beherrscht, beweist er weiter unten...

Ein polyglotter Universumstyrann: Darth Vader beim Plausch mit japanischen Schulmädchen (auf dem Plakat eines Mobilfunkfanbieters). Dass er auch rheinischen Dialekt beherrscht, beweist er weiter unten...

(Foto: Screenshot: sde)

So wurde der Fernsehserie "Die Zwei" mit Roger Moore und Tony Curtis erst durch die selbstironische Synchronisation des Letzteren von Rainer Brandt Leben eingehaucht. "Streichst du dein Haus an?", wurde da der eine gefragt, um zu antworten: "Nein, ich massiere meinen Pinsel."

Solchem Neuvertonen mit "Schnodderdeutsch" widmet man sich auch auf den Videoportalen im Netz. Das Erbe der kollektiven Erinnerung will gepflegt werden, also legt man den Fernsehhelden von einst Worte in den Mund, die man sie immer schon sagen hören wollte. Das ist ein sehr kindliches Vergnügen, als säße man wieder in den 1980ern im elterlichen Wohnzimmer vorm Fernseher, schaltete den Ton aus und spräche mit dem Freund, der einen gerade besucht, die Dialoge nach.

Am lustigsten ist es, die Fernsehfiguren Dinge sagen zu lassen, die sie im Rahmen der Fernsehunterhaltung nicht aussprechen durften. Konsequent pubertär geht es deshalb in fast allen Neusynchronisationen bei YouTube darum, wie man Frauen verführt. Und das wird stets so direkt wie möglich formuliert, etwa in der "Miami Vice"-Parodie von El Hengst Productions.

Sonny Crockett (Don Johnson) und Ricardo Tubbs (Philip Michael Thomas), die verdeckten Glamour-Ermittler, betreten eine Wohnung, in der wohl eine Geld- und/oder Drogenübergabe stattfinden soll. Doch statt um Kokain geht es am Telefon um Fischbrötchen; der Gastgeber Al (Al-Bundy-Darsteller Ed O'Neill) mit der tiefergelegten Der-Pate-Stimme hat nämlich "100 mit Matjes und 100 mit Bismarck" bestellt.

Die Drei freuen sich auf eine wilde Party, Tubbs hat "Kondome bis zum Umfallen und drei Tüten Pistazien für jeden mitgebracht". Wenn bloß Crockett nicht die Salzstangen vergessen hätte, weil er nur noch sein Shampoo im Kopf hatte ...

Doch Tubbs rettet die gute Laune mit dem Vorschlag, einfach Waffeln mit Salz statt Puderzucker zu backen: Je größer die Fallhöhe zwischen erwachsenem Auftreten in verdammt ernsten Angelegenheiten und banalem Halbstarkengespräch, desto kolossaler der Synchro-Quatsch.

Auch der Serie "Ein Colt für alle Fälle", die von einem Hollywood-Stuntman, seinem Hiwi Howie sowie der unerreichbaren Assistentin Jodie handelte, haben sich El Hengst Productions angenommen. Howie kam nie richtig zum Zuge, nichts gelang ihm so ganz. In der Parodie trifft er auf den rappenden Country-Musiker MC Shatterhead, und sein Losertum wird im großen Klamauk hervorgekehrt.

Die Machart ist weniger primitiv als sie auf den ersten Blick wirkt. Sie folgt einer Kasperletheaterästhetik: Die Sprecher fahren in die Figuren wie in Handpuppen hinein, mit denen sie aufeinander einprügeln. Es darf derart schlicht zugehen, weil der Vorgang, lippensynchron eine auf ihre Rolle festgelegte Figur zu entern, so kühn wie virtuos ist. Zudem sind auch die echten Colt-Seavers-Dialoge auf hinterhältige Art anzüglich, so dass sie diese Parodie mehr als verdient haben.

Wie bei literarischen Übersetzungen die Frage nach dem Äquivalentdialekt bis heute diskutiert wird (wie gibt man etwa Schottisch oder US-Südstaatendialekt wieder?), so ist die Clipwelt reich an Experimenten, in denen Bruce Willis langsam auf Hessisch stirbt oder Arnold Schwarzenegger auf der Leinwand zünftiges Österreichisch spricht. Im Netz sucht man jedoch nicht mundartliche Entsprechungen, sondern die abwegigste Kontraststimme.

Eines der Lieblingssobjekte für das Reden in fremden Zungen ist der "Star Wars"-Schurke Darth Vader, den man auf Schwäbisch oder mit der Originalstimme des Schauspielers David Prowse erleben kann. Doch in allen Dialekten haftet dieser Figur ein autoritärer Zug an. Erst in dem Clip "Der Imperator kütt" hat er seine wahre Gegenstimme gefunden: Nach dem gewaltigen Vorspann und dem selbstgewissen Schweigen der Macht öffnet Darth Vader den Mund und spricht durch seine metallisch verzerrende Atemmaske - auf Kölsch.

Im Klüngel entschärft

"Pass ma op, Jung!", maßregelt er den Untergebenen und erklärt sodann die alte Schule des Klonkriegs. Sofort steigen Bilder von Reiner Calmund während einer Talkshow-Suada und von Wolfgang Niedecken, wie er "Verdamp lang her" singt, vor dem Auge auf. Ohne Untertitel geht da gar nichts.

Der kölsche Klüngelgestus passt bestens zu Darth Vader und seinem Job des ewigen Machterhalts auf dem Todesstern. Zugleich entschärft er seine Aura ungemein. Unvorstellbar, dass Vader und der Imperator die Ermordung von Königskindern oder gar einen Völkermord planen: Op Kölsch traut man ihnen höchstens einen heißen Deal um eine Müllverbrennungsanlage zu.

Die Kolumne "Das Leben der Anderen" erscheint jeden Donnerstag auf sueddeutsche.de. Bookmark: www.sueddeutsche.de/lebenderanderen

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