Süddeutsche Zeitung

Internet-Reader:Der gehackte Teddybär

Lesezeit: 2 min

Tobias Schrödel beschreibt die Welt der Computer-Nerds und ihre verwickelte Geschichte und wie sie unsere Welt verändert.

Von Bernd Graff

Tobias Schrödel hat schon Teddybären sprechen lassen. Wie das nun einmal so ist mit Hypes, war um 2016 herum das sogenannte Internet der Dinge angesagt. Man vernetzte alles, auch Spielzeug, um es angeblich schlau zu machen. Da dabei meist die einfachsten Sicherheitsstandards ignoriert wurden, konnte Schrödel sich relativ problemlos in einen Teddybär hacken, Kinder direkt in ihren Zimmern ansprechen und sie dazu bringen, ihm die Haustür zu öffnen. In einem Interview sagte er damals: "Es ist mir gelungen, den Teddy zu übernehmen und selbst mit den Kindern zu sprechen. Das Vertrauen in den - vermeintlichen - Bären ging so weit, dass mir sechs von sieben Kindern Geheimnisse verraten haben. Ein vierjähriges Mädchen hat mir die Türe geöffnet und ist mit mir mitgegangen, weil ihm der Bär erklärt hat, dass ich ein Freund von ihm sei. Das war schon ziemlich beängstigend." Stimmt. Das war und ist es.

Doch Tobias Schrödel, den eine Suchmaschine als "Deutschlands ersten IT-Comedian" vorstellt, ist nicht nur Teddyflüsterer, Hacker und Komiker, er ist auch Autor einer ziemlich versierten Technikgeschichte, die sich dezidiert an Kinder und Jugendliche richtet: "It's a Nerd's World", heißt das deutschsprachige Buch im Original, das sich um die Pioniere digitaler Technik, um die Erfinder von Computer, Smartphone, Digitalkamera genauso kümmert wie um ihre Programmier-Genies und Firmengründer.

Dass das Wort "Nerd" in der Geschichte des IT-Metiers kein geschlechtsspezifischer Begriff ist, dass hier Frauen den Weg genau so bereiteten wie Männer, wird etwa an Grace Murray Hopper deutlich. Sie ist jene hochdekorierte Angehörige der US-Marine, die 1952 den Compiler erfunden hat, also jene Technik, die normalsprachliche Ausdrücke in Maschinensprache übersetzt. Schrödel erzählt ihre Geschichte, hier ist er auch Comedian, sehr vergnüglich und kenntnisreich. Man erfährt etwa, dass die Offizierin der Seestreitkräfte keinen einzigen Tag auf einem Schiff diente. Er würdigt die Leistungen von Margaret Hamilton, die den Bordcomputer von Eagle, der Mondlandefähre programmierte. Man erfährt, dass Steven J. Sasson die Digitalkamera erfand, allerdings ausgerechnet in Diensten von Kodak, dem damaligen Marktführer für analoge Filme. Den Geschäftsführern war 1975 sofort klar, was Sassons Erfindung für Kodak bedeuten würde, es machte die Firma über kurz oder lang überflüssig. Also hielten sie sie bis 1978 unter Verschluss. Dann erst ließ man sie patentieren, um für ein paar Jahre wenigstens noch ordentlich an den Lizenzgebühren zu verdienen. Den befürchteten Niedergang hielt das allerdings nicht auf.

Natürlich dürfen in diesem mit vielen witzigen Zusatzinformationen gespickten Nerd-Buch zur IT-Technik die Erfolgsgeschichten von Steve Jobs und Bill Gates nicht fehlen. Sie fallen, wie alle anderen auch, nur kurz aus. Aber um Vollständigkeit geht es hier nicht. Schrödel will darauf hinweisen, dass alle Technik Pioniere und Gründer voraussetzt, die manchmal auch einiges riskieren mussten, um etwas völlig Neues in die Welt zu bringen, das uns heute so selbstverständlich erscheint.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2019
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