Internet-Phänomen:Hoch hinaus

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Vom Instagram-Gesicht zum Hip-Hop-Star: Enes Meral alias Mero hat die multimediale Inszenierung perfektioniert. In seiner Musik verbindet er Straßen-Rap mit orientalischen Melodien und Gesangsparts. (Foto: Gustav Eckart)

Mero aus Rüsselsheim ist der erste Rapper, der mit seiner Debüt-Single Platz eins der deutschen Charts erreichte. Beim Konzert in München wird klar: Das Smartphone ist sein Tor zur Welt

Von Stefan Sommer

"Sagten Sie Mero?", fiepst Siri durch die Halle. "Welchen Song von Mero soll ich spielen?", quengelt die Computerstimme und startet das Intro seines Songs "Baller Los". Von der Seite witscht der Rapper auf die Bühne. Als würde Harold, Grumpy Cat oder der so elegant salzende Starkoch Salt Bae aus dem Computer auf den Schreibtisch hopsen, betritt ein Meme die Welt. Das Internet-Phänomen Mero trägt eine Goldkette, hat die Haare an den Seiten abrasiert, besteht zweifellos aus Fleisch und Blut und nicht aus Bits und Bytes - und hat reale Fans. Sehr, sehr viele reale Fans, die jede Bewegung von ihm mit ihren Smartphones filmen.

Mit Meros Smartphone fängt 2017 alles an. Als 17-Jähriger lädt er Videos von sich bei Instagram hoch. In den wackeligen, hochkant-gefilmten Clips rappt Enes Meral, wie der Rüsselsheimer bürgerlich heißt, an eine Häuserwand gelehnt aggressiv in die Kamera. Schnell sammelt er Tausende Follower. Einer von ihnen ist Xatar. Selbst Rapper der alten Garde und heute mächtiger Labelboss. Er ist von dem jungen Mero angetan und nimmt ihn unter Vertrag. Von da an lebt Mero den Traum vieler Kids aus den Hochhausblöcken vor deutschen Großstädten: vom Instagram-Gesicht zum Hip-Hop-Star. Seine erste offizielle Single "Baller los" bricht alle Streaming-Rekorde und steigt direkt auf Platz eins der deutschen Single-Charts ein. Nie zuvor ist das einem Rapper in Deutschland gelungen. Der Junge aus Hassloch bei Rüsselsheim wird zum Gesicht einer neuen Generation Deutschrap. Zusammen mit Künstlern wie Fero und Sero El Mero verbindet er klassische Straßen-Rap-Narrative mit orientalischen Melodien und Gesangsparts.

Das ist so erfolgreich, dass Fragen aufkommen. Eine Recherche des jungen Investigativformats "Y-Kollektiv" bringt Mero im Frühjahr 2019 in Verbindung mit illegalen Klickkäufen. Ein anonymer Insider, der sich im Video "Kai" nennt, legt mit seinen Aussagen nahe, dass Meros Erfolg manipuliert sein könnte und seine astronomischen Aufrufzahlen für Youtube-Videos gekauft sein müssten. Beweise liefert er allerdings nicht.

Drei über Mero angebrachte LED-Bildschirme in Form von Smartphones zeigen bei seinem München-Auftritt am Donnerstagabend Ausschnitte dieser Youtube-Videos. Das Bühnenbild ist kein Zufall - das Smartphone ist sein Tor zur Welt. Seine Erzählung vom Aufstieg lebt davon, dass ihm mit diesem Gerät scheinbar jeder im Publikum nachfolgen kann. Alles, was man brauche, um wie Mero hier zu stehen, so die Story, sei dieses Smartphone, die richtige App und Talent. Das macht ihn zur Projektionsfläche für die Sehnsüchte vieler, die von einem besseren Leben, Meros Leben, träumen. Er ist für sie ja der lebende Beweis, dass es möglich ist.

© SZ vom 12.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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