Google wird in der kommenden Woche in seine Suchmaschine eine neue Funktion einbauen. Sie prüft, ob ein Nutzer aus Europa die Suchmaschine verwendet, und sie prüft das insbesondere, wenn ein Nutzer keine europäische Google-Suche wie google.de in Deutschland oder google.fr in Frankreich verwendet, sondern eine außereuropäische Version, zum Beispiel die amerikanische Suche google.com. Das System stellt dann sicher, dass Inhalte, die für Europäer nicht sichtbar sein sollen, für ebendiese Europäer auch dann versteckt sind, wenn sie extra auf eine außereuropäische Google-Suche ausweichen.
Damit spaltet sich das Netz an einer wichtigen Stelle, an der Google-Suche, nach nationalen Grenzen auf. Das sind Grenzen, die es im digitalen Raum eigentlich nicht gibt. Paradoxerweise kommt Google mit der Technik, die man Geoblocking nennt, den Bedenken von Datenschützern entgegen.
Das ist ein Schritt, der Grenzen im Netz ermöglicht
Ein Rückblick in den Mai 2014: Der Europäische Gerichtshof verhandelt über ein Problem das sich wie folgt zusammenfassen lässt: Ein Mensch, kein Prominenter, stellt fest, dass sich über Google Dinge im Netz über ihn finden lassen, von denen er nicht möchte, dass sie über ihn zu lesen sind. Derjenige, der die Dinge veröffentlicht hat, reagiert nicht auf die Bitte, den beanstandeten Text zu löschen. Die Richter entscheiden, Google - als jener Dienst, über den die meisten Informationen im Netz zu finden sind - müsse den begründeten Wünschen von Menschen wie dem Kläger nachkommen, und dafür sorgen, dass mit der Google-Suche die entsprechenden Webseiten nicht mehr gefunden werden könnten. Das Urteil war und ist bis heute spektakulär. Es ging unter dem vereinfachenden Schlagwort "Recht auf Vergessen" in die Geschichte des Internets ein.
Spektakulär, denn das ist ein massiver Eingriff in die Freiheit des Netzes durch einen Richterspruch. Und obwohl Google erheblich Zeit, Gedanken und Geld in das Urteil investierte, bleiben bis heute viele Fragen offen.
Das liegt auch daran, dass die juristische Antwort zwar sehr konkret war, die Technik aber an dieser Stelle äußerst komplex ist: Google war nie darauf angelegt, in verschiedenen Ländern verschiedene Ergebnisse zu zeigen. Das Urteil aber gilt nur für Europa. Gleichzeitig berührt der Richterspruch grundsätzliche Fragen, durchaus auch philosophische: Was ist denn Vergessen im digitalen Zeitalter? Wie gewichtig spricht der Wunsch nach einem Internet als vollständigem, digitalen Archiv gegen das Urteil? Welche Begründung soll für Google ausreichend sein, um ein Suchergebnis zu löschen - und wer gibt Google das Recht, über die Begründungen zu entscheiden? Wie schwer wiegt außerdem die Freiheit eines einzelnen, der Texte verschwinden lassen möchte, gegenüber dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit?
Offen blieb auch das Problem, dass Suchende einfach von ihrer europäischen Google-Version auf google.com ausweichen können, wenn sie eine vollständige Trefferliste ohne die gerichtlich verlangten Streichungen erhalten wollen. Dieses Problem will Google also mit dem Geoblocking lösen, auf die technisch sinnvollste Weise. Und doch zeigt die Installation des Geoblockers vor allem, wie fraglich es ist, supra- oder auch nationale Grenzen per Gerichtsurteil ins Netz einzuziehen. Denn grundsätzlich ist Geoblocking ein Werkzeug der Zensur. Datenschützer und Bürgerrechtler verteufeln es in aller Regel. Technik wie Geoblocking wird außerdem nach ihrer Installation oft auch für Zwecke eingesetzt, für die sie ursprünglich nicht installiert wurde. Es ist der Schritt, der Grenzen im Netz ermöglicht. Bislang zeigt der Umgang mit dem "Recht auf Vergessen" deshalb vor allem, wie schwer die neue digitale Welt mit den Anforderungen der alten zu verbinden ist.