Süddeutsche Zeitung

Internationaler Hochhaus-Preis 2018:"Größer ist nicht unbedingt besser"

Alle zwei Jahre werden die interessantesten Hochhäuser der Welt gekürt. 2018 steht keines davon in Europa. Architekt Peter Cachola Schmal erklärt, woran das liegt - und wie die Zukunft der Wolkenkratzer aussieht.

Interview von Carlotta Cornelius

Er gilt als der wichtigste Architekturpreis für Hochhäuser weltweit: Der Internationale Hochhaus-Preis (IHP) wird alle zwei Jahre durch eine Expertenjury aus Architekten, Tragwerksplanern, Immobilienspezialisten und Architekturkritikern verliehen. Peter Cachola Schmal, Architekt und Direktor des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt, ist seit 2006 für die Vergabe verantwortlich und sieht unter den diesjährigen Nominierungen einen klaren Trend zu nachhaltigem Wohnungsbau.

SZ: In diesem Jahr hat es kein deutsches, nicht einmal ein europäisches Hochhaus auf die Shortlist des Internationalen Hochhaus-Preises geschafft. Wie erklären Sie das?

Peter Cachola Schmal: Das liegt an der mangelnden wirtschaftlichen Dynamik in Europa, im Vergleich zu den USA, China oder Südostasien, wo es ein großes Wachstum gibt. Das hat natürlich auch Einfluss auf die Investitionen und schlägt sich in der Architektur nieder. Hochhäuser kosten nun mal eine ganze Menge. Die Hochhäuser, die in den nächsten Jahren zum Beispiel in einer Megastadt wie London fertiggestellt werden, sehen sehr schweren Zeiten entgegen, weil die Vermietungs- und Verkaufsaussichten nicht gut sind. Da werden wir die volle Breitseite des Brexits erleben.

Aber eine Stadt wie Frankfurt könnte in Sachen Hochhausbau doch vom Brexit profitieren.

Das stimmt, aber in Frankfurt haben wir andere Probleme: Es mangelt an Baugrundstücken und die Bauantragsverfahren sind langwierig. Hier werden im Moment zehn bis 15 Hochhäuser geplant. Für Deutschland ist das viel, aber im Vergleich zu anderen Städten in der Welt ist das harmlos. In Toronto etwa sind gerade 250 Hochhäuser geplant.

Gab es bei den Beiträgen in diesem Jahr neue Entwicklungen?

China ist überraschend im Qualitätsniveau gestiegen. Bisher war es so, dass das Land vor allem in der Masse dominiert hat, 40 bis 50 Prozent der Hochhäuser weltweit werden dort gebaut. Mittlerweile hat man sich auch qualitativ an internationale Standards angepasst. Abgesehen davon ist die Leistungsfähigkeit der europäischen Architekten beeindruckend - die haben dieses Jahr sogar die amerikanischen Büros abgehängt. Bei den 36 ursprünglich nominierten Projekten ist genau die Hälfte von europäischen Architekten. Sie bauen weltweit sehr gute Hochhäuser, nur eben nicht in Europa.

Für den Wettbewerb gibt es verschiedene Kriterien, von Funktionalität bis Nachhaltigkeit. Inwiefern spielt die Größe des Bauwerks dabei eine Rolle? Das "MahaNakhon" in Bangkok ist zum Beispiel 314 Meter hoch.

Ein Bau, der besonders hoch ist, ist dadurch auch komplexer und dauert länger. Das macht die Sache oft nicht besser und hat auf die Platzierung keinen Einfluss. Nehmen Sie den "Lotte World Tower" in Seoul, der ist beeindruckend, mit 555 Metern sehr hoch und sehr komplex. Davon gibt es ab und zu welche in der Welt und wir nominieren sie auch. Aber sie gelangen selten weit nach oben auf der Platzierungsliste. Größer ist also nicht unbedingt besser.

Wie wird sich die Bauweise von Hochhäusern in Zukunft verändern?

Dadurch, dass immer mehr Menschen in die Städte ziehen und der Raum knapp wird, werden die Hochhäuser immer mehr auf Wohnen ausgelegt. Mit Blick auf den Klimawandel wird die Frage wichtiger, wie man mit urbaner Hitze umgeht, zum Beispiel mit begrünten Hochhäusern.

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