Internate im Film:Wohnst du noch oder lernst du schon?

Der Ruf von Internaten war schon besser. Wenn jedoch Hanni und Nanni nun dorthin abgeschoben werden, passiert das, was in Filminternaten oft passiert: Sie werden glücklich.

K. Riehl

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(Foto: ddp)

Der Ruf von Internaten war schon besser. Wenn jedoch Hanni und Nanni nun dorthin abgeschoben werden, passiert das, was in Filminternaten meistens passiert: Sie werden zu glücklicheren Menschen. Die Bilder eines Genres. Hanni und Nanni (Sophia und Jana Münster), zwei moderne junge Frauen, gerne in pink gekleidet und mit einer Neigung zum Trendsport Hockey, haben Mist gebaut. Ein bisschen zumindest. Zum einen spielt man in einem Kaufhaus nicht Hockey, vor allem aber sollte man sich nicht von der ultrafiesen Klassenkameradin ein geklautes Oberteil in die Tasche stecken lassen. So schnell kann man gar nicht schauen, da werden die Zwillinge (die in den Mädchenromanen von Enid Blyton noch ganz freiwillig und ohne Kaufhausdiebstahl Internatsschülerinnen waren) ins Internat gesteckt. Das Internat ist seit Jahrzehnten ein beliebtes Filmsetting - die Regeln sind immer dieselben geblieben: Störrische, mit sich selbst nicht zufriedene junge Menschen werden in einer Lernumwelt voller Liebe und Verständnis zu besseren Menschen geformt. Kaum also ... sueddeutsche.de/Katharina Riehl/bgr

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(Foto: Verleih)

... haben die beiden pinken Ladies ihre neue Heimat Lindenhof (natürlich höchst widerwillig) erreicht, beginnt auch schon der pädagogische Prozess. Es wird gefiedelt und gepflanzt, Treppen gerutscht und nächtliche Streiche gespielt, die Lehrer sind streng, aber gütig - und die Zwillinge werden zu selbständigeren, glücklicheren Mädchen. Zu dieser Internatsromantik (die ein wenig seltsam wirkt in diesen Wochen, in denen es die Institution Internat aus anderen Gründen in die Presse geschafft hat) gehört natürlich auch das richtige Styling:

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(Foto: Verleih)

In Lindenhof ist es vorbei mit hippen Farben. Die Nachthemden hier sind weiß und aus Leinen, man trägt Schuluniform und zum Gärtnern niedliche Schottenröcke samt Hütchen. Und das alles in einer Schule in Autoentfernung von Berlin. Als Hanni und Nanni gar missgelaunt von ihren Eltern vor ihrem neuen schlossartigen Zuhause abgeliefert werden, fragt der eine Zwilling seine Frau Mama, die selbst auch einmal Schülerin in Lindenhof war: "Bist du mit Harry Potter zur Schule gegangen?" Eine berechtigte Frage angesichts der spitzen Türmchen ...

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(Foto: AP)

... die das Internat Lindenhof zieren. Das Internat als Hort des Glücks, der Freundschaft und Selbstverwirklichung hat in keinem anderen Film in den vergangenen Jahren eine solche Renaissance erlebt wie in Hogwarts - der Schule des Zauberlehrlings Harry Potter.  Der kleine Magier, nach dem Tod seiner Eltern untergebracht bei fiesen und zauberfeindlichen Verwandten, lernt sich und seine Fähigkeiten erst kennen, als ihn Direktor Dumbledore nach Hogwarts, an die Schule für Zauberlehrlinge holt. Dort ...

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(Foto: dpa)

... lernt Harry Potter (Daniel Radcliffe, l.) seine Freunde Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) kennen, kann bald auf einem Besen fliegen - und erfährt, dass es an ihm ist, die Welt vor dem Untergang zu retten. Hogwarts, die Schule, wird schnell zur einstigen Bastion der Sicherheit; zu einem Ort, an dem die Guten meist an einem Strang ziehen. Das Internat spielt diese Rolle seit langem ...

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(Foto: Verleih)

... wobei das berühmteste Beispiel vermutlich dieses sein dürfte: Robin Williams kam im Jahr 1989 als Lehrer an das Jungen-Internat Welton Academy - und wurde zum Typus des progressiven Pädagogen, der seine Schüler zum selbstständigen Denken erziehen will. Er ermutigt sie, ihren eigenen Leidenschaften nachzugehen, will die strenge Atmosphere der konservativen Bildungseinrichtung aufbrechen. Der Club der toten Dichter wurde zum Lieblingsfilm einer ganzen Generation; die Schlagwörter "Carpe Diem - Nütze den Tag" und "Oh Captain, mein Captain", mit dem die Schüler am Ende des Films ihre Solidarität mit dem inzwischen gefeurten Lieblingslehrer demonstrieren, zu ihren Lieblingszitaten.  Verständnisvolle Lehrkräfte, die sich für ihre Schüler einsetzen ...

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(Foto: Verleih)

... gab es in der Filmgeschichte schon jede Menge. Berühmtes Beispiel in Schwarz-Weiß ist die Verfilmung von Erich Kästners Jugendbuch-Klassiker Das Fliegende Klassenzimmer aus dem Jahr 1954. Der gute Geist der Schule, der Hauslehrer, trägt den sprechenden Namen Justus, der Gerechte. Der Justus heißt eigentlich Dr. Johann Bökh und setzt sich ein für seine Jungs: egal, ob sie etwas ausgefressen haben, wie die erbitterte Schneeballschlacht mit den Fieslingen von der Realschule; oder ob ihnen das Geld fehlt, um über Weihnachten zu ihren Eltern zu fahren - Justus weiß Rat.  Und der kleine, sensible, oft gehänselte Uli, der seinen Mut beweisen will, indem er mit einem Regen- statt Fallschirm von einer Leiter hüpft, wird am Ende der Geschichte zu einem durchsetzungsfähigen Jungen, den niemand mehr in einen Papierkorb setzt. So ein Internat kann eben Wunder tun.   

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Das Internat als Rettung im ganz wörtlichen Sinne gibt es in Louis Malles Film Auf Wiedersehen, Kinder aus dem Jahr 1987 zu sehen. Der jüdische Junge Jean (Rapahel Fejtö, l.) wird während der Nazi-Zeit unter falschem Namen in einem katholischen Internat untergebracht. Er findet einen Freund - und kann am Ende des Flims den Nazis doch nicht entkommen. 

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(Foto: Verleih)

Nicht nur das Internatsleben, sondern auch der Gesang ist es, der Die Kinder des Monsieur Mathieu (lauter schwer erziehbare Jungs) quasi gegen ihren Willen zu besseren Menschen macht. Ihr neuer Aufseher Clément Mathieu beschließt, den Knaben das Singen beizubringen. Gegen alle Widerstände kämpft Monsieur Mathieu, selbst eine erfolgloser Musiker, für seinen Chor und für die Jungen. Doch am Ende ergeht es ihm wie vielen progressiven Film-Pädagoge vor ihm: Er muss die Schule verlassen.

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(Foto: AP)

Natürlich sollen an dieser Stelle auch die Filme nicht verschwiegen werden, die mit der ganz großen Internatsromantik gebrochen haben: Dieser junge Mann hat eigentlich keine Lust auf ein Leben im Internat - trotzdem schicken seine Eltern den leicht körperbehinderten Benni (Robert Stadlober) auf eine Schule mit dem vielversprechenden Namen Neuseelen. Dort soll alles besser werden - doch wahrscheinlich weil es sich bei Crazy um eine Literaturverfilmung handelt, vor allem aber weil das Buch auf der Lebensgeschichte des Autors Benjamin Lebert beruht, reichen vier Monate Übernachten in der Schule nicht, um alle seine Probleme zu lösen. Am Ende verlässt Benni die Schule, weil er das Klassenziel nicht erreicht hat.  Überhaupt hat sich die Internatsliteratur (vor allem die Bücher, die es nicht zum Kino-Erfolg gebracht haben) durchaus kritisch mit dem Thema Internat auseinandergesetzt:   

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(Foto: AP)

Einige literarische Beschreibungen erinnern viel mehr an das, was in den vergangenen Monaten so über kirchliche und reformpädagogische Einrichtungen ans Tageslicht kam. Robert Musils Die Verwirrungen des Zöglings Törleß zeigen das Internat als autoritäre Insititution. Bekanntestes Beispiel aber dürfte Hermann Hesses (Foto) Unterm Rad (1906) sein, die Geschichte des hochbegabten Hans Giebenrath, der das Seminar in der Klosterschule in Maulbronn besuchen darf. Dort wird er ständig zu Höchstleistungen angetrieben. Der Junge kommt mit dem Druck der Lehrer nicht zurecht und wird wegen eines Nervenzusammenbruchs nach Hause geschickt. Am Ende des Buchs ertrinkt Hans, zuvor hatte er bereits immer wieder über Suizid nachgedacht.

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