Süddeutsche Zeitung

Interkultureller Dialog:Pop für die Welt

Das Goethe-Institut nutzt einen Song der Münchner Band "Goya Royal" für den Deutschunterricht in Indonesien

Von Dirk Wagner

Ob die Teilnehmer des Deutsch-Unterrichts am Goethe-Institut in Indonesien die Punkband Die Ärzte kennen? Immerhin erfahren sie im vierten Kapitel des bei Klett Sprachen erschienenen Kursbuchs "Netzwerk A 2" für Deutsch als Fremdsprache, dass Bands wie Die Ärzte auf dem Hurricane-Festival in Scheeßel (Niedersachsen) spielen. Auf der dem Lehrbuch beiliegenden CD ist dann allerdings das Lied "Ende Anfang" der Münchner Band Goya Royal zu hören. Angela Kilimann, Redakteurin bei Klett Sprachen, begründet ihre Songauswahl mit dem einfachen Songtext, der ideal für die Niveaustufe A 2 eines Sprach-Lehrbuchs sei. "Der Text ist zwar wunderschön. Aber mich hat daran nur interessiert, dass er mit seinen grammatikalisch einfachen Sätzen und seinem kleinen Wortschatz auch von Anfängern gut verstanden wird". Den Kursteilnehmern verlangt das Lehrbuch zumindest eine kleine Meinungsäußerung zu dem Lied ab: "Ich finde, das Lied klingt poetisch" oder "Ich mag die Musik, aber . . . ", all das sollen sie bekunden.

"Ende Anfang" singen die Schüler zur Begleitmusik mit der Akustikgitarre

Vom "aber" scheint an den Goethe-Instituten in Indonesien jedoch keine Rede zu sein, die mittlerweile alle mit "Netzwerk" unterrichten. Als Angela Kilimann im Dezember 2016 auf Workshops in Indonesien die Möglichkeiten des von ihr mitgestalteten "Lehrwerks" aufzeigte, das eben nicht nur ein Buch als Werkzeug benutzt, sondern auch Tonaufnahmen oder Online-Übungen, erfuhr sie von den Lehrerinnen Fitri Khairani und Ayu Yutikasari, dass die Teilnehmer ihrer Kurse in Bandung und Jakarta das Lied von Goya Royal gerne selber singen. Ein Video, das bald auch auf Youtube gestellt werden soll, zeigt indonesische Teilnehmer eines Deutsch-Kurses, die zur akustischen Gitarrenbegleitung "Ende Anfang" von Goya Royal singen: "Du bist zu weit weg oder viel zu nah. Am Ende noch. Am Anfang schon."

So wie hierzulande ganze Schülergenerationen über das Singen eines englischsprachigen Textes im Musikunterricht erfuhren, dass ein gewisser Kookaburra auf einem alten Gummibaum zu sitzen pflegt, noch ehe sie überhaupt eine Ahnung davon hatten, dass der Kookaburra ein australischer Vogel ist, verinnerlichen im Ausland also Schüler einen deutschsprachigen Popsong, der in Deutschland selbst nur einer kleinen Fangemeinde bekannt sein dürfte. Das könnten die Musiker von Goya Royal nun dank des Deutschunterrichts an Goethe-Instituten nun den wesentlich bekannteren Ärzten also voraus haben. Ob die Münchner damit auch Zuschauer in ein Konzert in Indonesien locken würden, sollte man vielleicht ausprobieren.

Die Verantwortlichen beim Goethe-Institut müssten die Münchner Formation allerdings über ihren "kleinen Wortschatz" hinaus als Repräsentanten einer deutschen Kultur anerkennen, um ein derartiges Auslandskonzert dann so zu fördern, wie sie die Auslandsauftritte zahlreicher anderer deutscher Künstler unterstützen. Zum Beispiel, indem sie die Reisekosten der Künstler übernehmen. So bekam zum Beispiel die Münchner Express Brass Band im vergangenen Jahr einen Teil der Flugkosten zu einem Festival in Brasilien erstattet. Oder sei es, dass die ausländischen Goethe-Institute auf Empfehlung der Kollegen aus Deutschland jene Künstler selbst einladen. "Dann zahlen wir auch die Honorare", sagt Jörg Süßenbach, der Leiter des Musikbereichs beim Goethe-Institut. Dies seien aber keine marktüblichen Honorare, da das Goethe-Institut auch Konzerte in Regionen vermittelt, wo es gar keinen solchen Markt gibt. Nach Afghanistan zum Beispiel, wo die Band A Certain Frank mit der Schlagzeugerin Saskia von Kitzing in Kabul neben zwei Konzerten auch einen Workshop über popmusikalisches Instrumentarium und moderne Aufnahmetechniken gab. Das Ergebnis ist eine CD der sogenannten Burka Band, auf der Frauen aus Kabul trotz eines Verbot musizieren.

Mit der Band "Embryo" wurde der interkulturelle Dialog schon in den Siebzigerjahren gefördert

"So sehr wir uns aufklärerische Aktionen wünschen, so sehr müssen wir auch das Wohl aller Beteiligten berücksichtigen", sagt Süßenbach. Das beeinflusst sicher auch die Auswahl der Musiker, die sie in die entsprechenden Regionen schicken. Zudem sei von Bedeutung, welche Relevanz die Künstler in der deutschen Kultur haben. Wobei Süßenbach selbst hinterfragt: "Was ist eigentlich deutsche Kunst und Kultur, in dem Wissen, dass wir hier diese wunderbare Situation haben, Menschen aus allen möglichen Ländern hier leben zu haben, die hier künstlerisch wirken?" Letztlich geht es dem Goethe-Institut also darum, einen interkulturellen Dialog zu fördern. Eine Band wie Embryo, die in den Siebzigerjahren mit Unterstützung des Goethe-Instituts nach Indien reiste, mag da beispielhaft sein. Die dortige Begegnung mit anderen Musikern gründete einen musikalischen Dialog mit anderen Kulturen, den die Band noch immer pflegt.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2017
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