Integration von Muslimen:Welche Moscheen braucht das Land?

DITIB-Moschee in München-Sendling

Anzeichen von Integration? Freitagsgebet in der DITIB-Moschee in München-Sendling.

(Foto: Stephan Rumpf)

Am Standort einer Moschee entzünden sich meist langwierige Konflikte. Wie aber sogar die Umwandlung einer früheren Kirche in ein muslimisches Bethaus gelingen kann, zeigt ein Beispiel aus Hamburg.

Von Paul Katzenberger

Wo immer in Deutschland Moscheen gebaut werden, ist der Ärger nicht weit. Derzeit streitet man etwa in Monheim am Rhein: Der Stadtrat des 40 000-Einwohner-Orts muss sich einen neuen Sachverständigen für seinen Baulandumlegungsausschuss suchen. Wolfang Schwandke sprang plötzlich ab, um gegen eine Finanzspritze der Stadt in Höhe von 840 000 Euro an zwei muslimische Gemeinden zu protestieren. Sie haben in Monheim zwei Grundstücke erworben, um darauf jeweils eine Moschee zu erbauen.

Schwandkes Amtsverzicht ist allem Anschein nach seiner Auffassung geschuldet, Partei in einem größer angelegten religiösen Konflikt zu sein - dem Kampf Christen gegen Muslime.

Diese Auseinandersetzung wird nicht nur laufend durch Schreckensberichte aus Paris, Brüssel oder den Gebieten im Nahen Osten befeuert, die vom Islamischen Staat (IS) besetzt sind, sondern auch durch Geschehnisse direkt vor unserer Haustür. Erst Anfang dieser Woche meldete die Süddeutsche Zeitung, dass religiöse Organisationen aus Saudi-Arabien und den Golfstaaten Kuwait und Katar im Verdacht stehen, deutsche Salafisten zu unterstützen, unter anderem durch den Bau von Moscheen. Die Berliner Al-Nur-Moschee steht seit Jahren in der Kritik, Skandalpredigern eine Plattform zu bieten.

In dieser Auseinandersetzung engagiert sich Schwandke schon seit Jahren auf Seiten verfolgter Christen in der islamischen Welt, wie er in einem offenen Brief an Monheims Bürgermeister Daniel Zimmermann schreibt: "Spätestens seit den Morden an drei Christen am 18.04.2007 in der Stadt Malatya ist deutlich, dass eine freie Religionsausübung für Christen in der Türkei nicht möglich ist."

In Malatya sei es undenkbar, eine Kirche mit einem 25 Meter hohen Turm zu errichten, der in Monheim zulässigen Höhe des geplanten Minaretts. Warum sollten also Moscheebauten in Deutschland mit Steuergeldern subventioniert werden, fragt der Bausachverständige. Zumal in Monheim nicht alle Vereine so subventioniert würden, wie sie das gerne hätten. "Warum erhalten nun ausgerechnet die muslimischen Verbände so viele Zuschüsse?"

Der Fall ist exemplarisch für die Bedenken, die viele Bürger gegen die Ausbreitung des Islams im öffentlichen Raum hegen. Als Sandra Maischberger Mitte November zu ihrer Sendung "Angst vor dem Islam - Alles nur Populismus?" einlud, in der das Publikum mitdiskutieren durfte, meldete dort Matthias Possecker aus Erfurt-Marbach grundsätzliche Bedenken gegen Moscheen im deutschen Stadtbild an. Auch in Marbach soll in einem Gewerbegebiet eine Moschee entstehen. Damit ist der ehrenamtliche Feuerwehrmann nicht einverstanden. Gebetsräume für Muslime würden doch ausreichen, argumentiert er.

Kann es im Sinne der Integration sein, wenn sich Muslime unsichtbar machen?

Wer den Moschee-Gegnern zuhört, kann den Eindruck bekommen, dass auch friedliche Muslime in Deutschland gut daran täten, nicht allzu sehr öffentlich aufzufallen. Denn andernfalls laufen sie ganz offensichtlich Gefahr, kulturelle Differenzen mit der Mehrheitsgesellschaft zu verschärfen, etwa weil ein rheinländischer Sachverständiger Geldgaben an sie wegen einer Bluttat in der Türkei für verfehlt hält. Oder weil sie das Stadtbild so verändern, wie es einem thüringischen Vereinsaktiven nicht gefällt.

Doch täten sich Muslime mit der Integration tatsächlich leichter, wenn sie sich möglichst unsichtbar machen würden?

Dagegen spricht die Erfahrung, die Daniel Abdin gemacht hat. Er kam nach dem Abitur im Libanon Anfang der achtziger Jahre nach Deutschland und steht seit 16 Jahren dem islamischen Zentrum Al-Nour in Hamburg vor.

Transparenz - Mittel gegen Radikalisierung und Islamophobie

Acht Jahre lang suchte Abdin nach einem geeigneten Ort zum Beten. Denn die ehemalige Tiefgarage in St. Georg, in der sich die Al-Nour-Gemeinde zum Gottesdienst trifft, ist ein unfreundlicher wiewohl kein untypischer Ort für eine Moschee in Hamburg. Ein Großteil der etwa 50 muslimischen Gotteshäuser in der Hansestadt sei so wie auch im Rest der Republik wenig einladend in finsteren Hinterhöfen, Hochhaussiedlungen, Baracken oder Garagen untergebracht. "Würdelos", sagt Abdin.

"Dabei ist es so wichtig, dass unsere Moscheen transparenter werden", sagt der Kaufmann und Sozialarbeiter. Sowohl für die Prävention von Radikalisierung als auch gegen Islamophobie sei der gegenseitige Zugang erforderlich. "Die Barrieren, in Dialog zu treten, sind bei einer Moschee viel niedriger als wenn Sie in irgendeinen Hinterhof oder in irgendeine Garage gehen müssen. Das wird von vielen leider gleich mit Extremismus oder Terrorismus verknüpft", sagt der 53-Jährige.

"Man muss sagen, was man möchte, und schon sind die Ängste weg"

Integration von Muslimen: Steht noch für das Hinterhof-Image, das der Islam in Deutschland häufig hat: die Moschee der Al-Nour-Gemeinde in einer ehemaligen Tiefgarage in Hamburg-St. Georg.

Steht noch für das Hinterhof-Image, das der Islam in Deutschland häufig hat: die Moschee der Al-Nour-Gemeinde in einer ehemaligen Tiefgarage in Hamburg-St. Georg.

(Foto: Islamisches Zentrum Al-Nour)

Eine Einschätzung, die der Sozial- und Kulturanthropologe Hans-Jörg Dilger von der Freien Universität Berlin teilt: "Bei Hinterhof-Gebetsräumen, die nicht zugänglich sind, kann von Seiten der Gesellschaft durchaus Argwohn aufkommen. Da steht schnell die Idee im Raum, dass das etwas ist, was wir nicht wollen, weil wir nicht wissen, was da passiert. Moscheen sind demgegenüber sichtbar und sollten jedem offenstehen. Für die Muslime kann die öffentliche Präsenz ihrer religiösen Bauten wiederum eine positive Auswirkung auf das Gefühl haben, anerkannt zu sein in der Gesellschaft, mit allen Facetten ihres Lebens."

Daniel Zimmermann, der Bürgermeister von Monheim, kann das auch aus seiner Praxis bestätigen. Die finanzielle Unterstützung der muslimischen Gemeinden durch die Stadt ist für ihn gut angelegtes Geld. Denn indem die Stadt Geld für die freie Religionsausübung gebe, gewinne sie bei den Gemeinden an Vertrauen. Dadurch falle es leichter, beidseitige Vorhaben zur Verbesserung der Integration zu vereinbaren.

Wie er seinen Teil eines solchen Deals erfüllen kann, weiß Daniel Abdin in Hamburg aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung in der Integrationsarbeit sehr genau. Er konnte dieses Know-how auch für sein wichtigstes Anliegen nutzen: 2012 ergab sich die Chance, das Gebäude der entweihten evangelischen Kapernaum-Kirche in Hamburg-Horn von einem Investor zu kaufen.

Wegen des Umbaus eines ehemals christlichen Gotteshauses zur Moschee meldeten sich viele Kritiker. Der ehemalige Michel-Hauptpastor Helge Adolphsen sprach von einem "Dammbruch". Der katholische Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke nannte den Verkauf ein "Missgeschick".

Doch mittlerweile hat sich die Situation entspannt, vor allem weil die Mitglieder der Al-Nour-Gemeinde das Gespräch suchen. Regelmäßig laden sie zu Infoveranstaltungen auf die Baustelle ein. "Dialog, Transparenz und Öffentlichkeitsarbeit" - das ist die Formel, mit der Abdin operiert. "Es liegt in der Natur der Menschen, dass sie das fürchten, was sie nicht kennen. Also muss man sagen, was man möchte, und schon sind die Ängste weg."

Extremistische Aktivitäten

Und er geht proaktiv gegen Befürchtungen vor: "Die Umwandlung einer Kirche in eine Moschee muss eine Ausnahme bleiben. Wir wünschen uns gar keine leer stehenden Kirchen, sondern uns wäre es viel lieber, wenn die Kirchen wieder voller wären." Das neue Gotteshaus will er zu einer interreligiösen Begegnungsstätte machen, wie sie Hamburg bislang nicht gesehen hat.

Allerdings häufen sich die Hinweise, dass in Deutschland eine salafistische Szene heranwächst, die keinerlei Interesse am Dialog hat. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht davon die Rede ist. Sind jetzt die Erkenntnisse der deutschen Geheimdienste über Aktivitäten Saudi-Arabiens zur Verbreitung eines fundamentalistischen Islams das Thema, so war es im November das Verbot des Dschihadisten-Netzwerkes "Die wahre Religion" durch Innenminister Thomas de Maizière (CDU). Die salafistische Organisation soll in Deutschland Kämpfer für den IS angeworben haben.

Auch die "Türkisch-Islamische Union e. V.", besser bekannt unter ihrer Abkürzung "DITIB" wird immer wieder in Verbindung mit dem extremistischen Islam gebracht. Der von der türkischen Behörde für Religionsangelegenheiten (Jahresetat 2016: 1,8 Milliarden Euro) unterstützte Verein wird inzwischen vom nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz observiert. Kritiker unterstellen dem DITIB eine große Nähe zum türkischen Geheimdienst. Der Verein sei eine Vorfeldorganisation der AKP, der Partei von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan.

Nicht jede DITIB-Gemeinde in Deutschland ist Ankara-hörig

Doch am DITIB lässt sich auch zeigen, wie schmal der Grad zwischen einem intoleranten und friedlichen Islam-Verständnis oft ist. Bürgermeister Zimmermann, der in Monheim ebenfalls eine der circa 1000 DITIB-Gemeinden in Deutschland als Ansprechpartner hat, mahnt im Umgang mit dem Verein zu einer differenzierten Sichtweise: "Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei gab es hier einen Boykottaufruf gegen einen vermeintlichen Gülen-Einzelhändler. Da hat sich der Gemeindevorstand für diesen Mann eingesetzt und gesagt, der gehöre zur Gemeinde, und man könne da weiter einkaufen. Das ist also sehr personenabhängig. Dass von Ankara durchregiert wird in den einzelnen Ortsverein, dieser Vorwurf ist nicht gerechtfertigt."

Stehen Moscheen in Deutschland für Chance oder Risiko? Im Einzelfall kann beides zutreffen. Muslimische Gotteshäuser, in denen am deutschen Umfeld vorbei fundamentalistische Lehren verbreitet werden, stellen eine Bedrohung für die Gesellschaft dar. Die Bluttaten dieses Jahres in Frankreich, Belgien und Deutschland belegen das eindrücklich. Moscheen, die sich öffnen und Offenheit erfahren, können die Menschen hingegen einander näher bringen. Auch dafür gibt es Erfahrungswerte - etwa in Hamburg oder in Monheim am Rhein.

Integration von Muslimen: Der Innenraum der ehemaligen Kapernaumkirche in Hamburg Horn, die derzeit zu einer Moschee umgebaut wird.

Der Innenraum der ehemaligen Kapernaumkirche in Hamburg Horn, die derzeit zu einer Moschee umgebaut wird.

(Foto: Islamisches Zentrum Al-Nour e.V.)
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: