Instagram-Kunst:Cindy Sherman

Jun 07 2009 Rome Italy Photographer Cindy Sherman exhibition at Rome s Gogosian Gallery PUBLI
(Foto: imago)

Atemberaubend inszeniert: Cindy Sherman, eine der bedeutendsten Fotografinnen der Welt, schaltet ihren Instagram-Account frei.

Von Catrin Lorch

In ihrem Atelier kommt wöchentlich die Perückenmacherin vorbei, und wohl kaum eine Künstlerin beherrscht die Tricks der Visagisten so perfekt wie Cindy Sherman, eine der einflussreichsten Fotografinnen der Gegenwart. Ihre Werke hängen in allen Museen der Welt - doch ihre jüngste Werkgruppe ist weitaus leichter zugänglich. Seit der vergangenen Woche ist ihr Instagram-Account öffentlich. Und es ist kaum zu entscheiden, ob Cindy Sherman das Medium ironisiert oder einfach in die Vollen gegangen ist: Es gibt grellbunte Fotos von Kaffeetassen, Collagen aus Buchtiteln und Schnappschüsse aus Museen zu sehen. Aber auch eine ganze Reihe von Selbstinszenierungen, die über alles hinausgehen, was die 63-Jährige bislang im Studio angerichtet hat.

Cindy Sherman, die in ihren Serien mit digitalen Effekten bislang zurückhaltend umging, verwendet Snapchat-Filter, Fischaugen-Effekte, virtuelles Make-up, Perücken und jede Art von dem Spielkram, den man in den digitalen Beauty-Salons auftreiben kann. Von der Augenvergrößerung bis zur Verschlankung der Gesichtsknochen. Das Ergebnis ist atemberaubend. Und die Kunstwelt fragt sich, ob es sich um neue Werke handelt, oder nur die Liveschaltung zur Künstlerin.

Schon die Nähe, die der endlose Bilderstrom zulässt, ist außergewöhnlich. Denn eigentlich gilt Cindy Sherman als kamerascheu, in der Öffentlichkeit zirkulieren nur wenige private Aufnahmen von ihr. Und auch ihr offizielles Werk entwickelt sich in konzentrierter Langsamkeit. Auf die jüngsten Inszenierungen, gerade erst in New York und Berlin vorgestellt, musste die Szene viele Jahre warten. Unterläuft der Bilderstrom nun das Œuvre?

Nein: Denn gerade weil das künstlerische Werk viele Elemente der sozialen Medien und der weiblichen Inszenierung antizipiert hat, ist der Effekt so überwältigend. Der amerikanische Kunstkritiker Peter Schjeldahl hat Cindy Sherman einmal eine "mädchenhafte Narzisstin" genannt. Wer den Instagram-Account durchscrollt, hat das Gefühl, einer ganzen Armee von mädchenhaften Narzisstinnen zu begegnen.

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