In der Wohnung eines durchschnittlichen Feuilletonredakteurs stapeln sich permanent neue Bücher. Die Kinder des Redakteurs sehen diese nachwachsenden Haufen kaum noch. Aber diesen großformatigen, lindgrünen Band hat die 16-jährige Tochter zielstrebig aus einem der Stapel gezogen, seither immer wieder durchgeblättert, ihren Freunden gezeigt. "Weil man da alles sofort kapiert", wie sie sagt. "Weil die Karten für sich sprechen und auch noch schön gemacht sind." Das Greifswalder Katapult-Magazin hat die Kunst der Infografik so verfeinert, dass nun schon das zweite Buch aus ihren Arbeiten entstanden ist. "102 Grüne Karten zur Rettung der Welt" versammelt Karten und Grafiken, die die Folgen des Klimawandels genauso sichtbar macht wie unsere grundlegend verkehrte Lebens- und Wirtschaftsweise oder positiv gewendet die Möglichkeit, vieles an der Klimamisere im Handumdrehen zu verändern. Eine rote Straßenlinie, die sich schneckenhausgleich durch Deutschland windet, bildet die 2800 Kilometer lange Reihe ab, die alle 630 000 im Jahr 2018 in Deutschland zugelassenen SUVs bilden würden. Ein winziges rotes Quadrat auf einer Weltkarte zeigt die 90 000 Quadratkilometer Platz, die wir bräuchten, um die gesamte Welt mit Solarstrom zu versorgen. Die Karte hier zeigt Europa im Jahr 2050. In Helsinki wird es so heiß sein wie heute in Wien, Stockholmer können im August ins brütend heiße Budapest fahren, um zu erfahren, wie das dann so sein wird. "Krass", sagt die 16-Jährige. "In nur 30 Jahren. Da bin ich 46." Sprach's und ging abends zur Menschenkette fürs Klima auf dem Münchner Marienplatz.
Katapult: 102 Grüne Karten zur Rettung der Welt. Suhrkamp, Berlin 2020. 203 Seiten, 22 Euro.