Infantile Kunst:Wadde hadde dudde da?

Was ist denn hier schon wieder los? Tausend Augen starren dich an, leer und groß: Die Berliner Ausstellung "Pictopia" verarbeitet die explosionsartige Verbreitung lustiger Piktogramme.

G. Diez

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Was ist denn hier schon wieder los? Tausend Augen starren dich an, leer und groß und von so einer epischen Hohlheit, dass einem ganz schwindelig wird, wenn man zu lange hinschaut. Also weiter, weg von diesem rosa Rausch und an den Auto-Scootern vorbei, die ganz mit rotem Flokatipelz überzogen sind oder mit weißen Hasenohren verziert, hinein in das Spiegelkabinett, in dem sich der Kopf eines riesigen Teddybären dreht, dem ein weiterer Teddybär aus dem Kopf wächst. Aua. Weiter. Oder vielleicht ganz weg, einfach gehen?

Text: Georg Diez/SZ vom 25.03.09/irup

Mark Ryden/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Es fällt nicht ganz leicht, sich in der Ausstellung "Prepare for Pictopia" im Berliner Haus der Kulturen der Welt richtig zu verhalten, wenn man älter ist als sieben Jahre. Draußen im Vorraum ist eine Hüpfburg aufgebaut, drinnen wird man umfangen von so viel barocker Regression, dass man nicht weiß, ob man lachen oder weinen muss. "Victory and happiness is the most important thing" klingt es da aus einer der Kabinen - ein Video läuft dort, in dem eine Aerobic-Lehrerin mit aufgeklebten Muskelpolstern eine Gruppe menschengroßer Pudel fit macht - für was auch immer. Zurüstungen für die Unerheblichkeit könnte man das nennen. Die Frage bleibt, wie ironiefähig eigentlich Kinder sind.

Faiyaz Jafri/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Die stehen jedenfalls wie hypnotisiert vor diesen Tiermenschen, ganz still, ohne sich zu bewegen, den Körper leicht nach rechts gedreht, wie zur Flucht bereit, und doch gefangen im Bann der Bilder. Erst wenn der Film vorbei ist, reißen sie sich los und wanken hinaus, wo sie fast von einem Riesenmonster über den Haufen geworfen werden, das wie eine Marionette nach ihnen schnappt, bedient von eifrigen Eltern.

Gary Baseman/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Die Idee dieser Ausstellung ist so einleuchtend wie einfach: "Piktogramme mit lebendigen Zügen erfahren eine explosionsartige Verbreitung in digitalen Medien, Werbung und Kunst", heißt es zur Einstimmung. "Aber können abstrakte Zeichen die Utopie einer globalen, visuellen Kommunikation auch einlösen?" Die Frage ist falsch gestellt, das wenigstens merkt man, je länger man sich zwischen Puppen aufhält, denen wüste Gedanken aus den fehlenden Köpfen wachsen, und japanischen Katzen, die zu Kitschfratzen mutiert sind: Es gibt keine Utopie - die Puppen, Masken, Fratzen können höchstens dazu dienen, das dunkle Geheimnis der Globalisierung zu entdecken.

Wayne Horse/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Und das wäre? Da fangen die Schwierigkeiten schon an. Das Problem der Ausstellung ist, dass die Botschaft entweder zu leicht oder zu schwer zu verstehen ist und die meisten Menschen irgendwo in der Mitte verharren, wo es nicht ums Verstehen geht, sondern um Fotoapparate, mit denen man das abbildet, was man gerade sieht, und so dieses "Pictopia", wenn man so will, ins Unendliche fortsetzt. Vordergründig ist das, was hier passiert, die Verwandlung der Gegenwart in eine Krabbelgruppe. Und weil man zur Zeit alles durch das Prisma der großen Krise sieht und in Prä-Krise oder Post-Krise unterteilt, muss man bei all der seltsam antiquierten, hilflosen Heiterkeit und narkotisierenden Naivität sagen: Selten sah Optimismus so alt aus.

Daniel & Geo Fuchs/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Wenn man, sagen wir, älter als 25 Jahre ist, dann wird man sich auf die Künstler stürzen, die die Utopie in die Aporie treiben und die Pop-Puppen politisieren. Olaf Breuning etwa, der Schweizer Fotokünstler, der eine schwarze, eine weiße und eine rote Plastikfigur in ein afrikanisches Dorf stellt, wo die Kinder mal mehr, mal weniger auf die Fremdlinge reagieren. "Chocolate, Snowman and Ice Cream in Africa", so heißt eine seiner Arbeiten, die einen ähnlich angenehmen Witz haben wie die von Boris Hoppek, der 168 Kartons aufeinander gestapelt hat und innen bei gemäßigt pornographischen Zeichnungen zu einer Art vaginalen Meditation einlädt. "Enjoy the silence" heißt diese Installation, die die Frage aufwirft:

Pen to Paper/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Regression oder Revolution? Hoppek vertieft dieses Thema in seinen Fotoarbeiten, wo er Migration und Comic so schief gegeneinander setzt, dass die schwarzen Masken mit den roten Lippen weniger den Witz betonen, sondern eher den Wahn, mit dem der Westen sich immer noch weigert zu sehen, wie das Elend an die Küsten Europas schwappt. Schwammig dagegen wird es leicht, wenn das Grauen in den Kitsch entgleitet, gerade dort, wo die Frage nach der vermeintlich universellen Kommunizierbarkeit umgeleitet wird zu einer Suche nach dem Schlüssel fürs globalisierte Unbewusstsein.

Golan Levin/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Ben Frosts dekonstruierte Comics sind so ein Beispiel, wo der Schrecken etwas zu clean bleibt. Oder auch die nur ansatzweise traurigen Pastoralien von Gary Baseman, in denen rosa Mädchen nackt glotzend herumrennen und eine Pistole schwingen oder sich von einem weißen Kaninchen befriedigen lassen. Den obsessiven Charakter dieser neuen Niedlichkeit hat dabei wohl der Künstler am besten eingefangen, der sich Wayne Horse nennt. Er inszeniert eine Welt, in der die Puppen die Macht übernommen haben und Menschen nur noch kopflos vorkommen oder mit einer Maske übergestülpt, Wrestler nämlich, die spielzimmertauglichste Form, in der menschliche Aggression verpackt werden kann. Wayne Horse setzt den Zuschauer in eine kindliche Höhle, wo er sich flickernde Videos ansieht und fast im Sofa versinkt, umrahmt von zwei lustigen Lemuren.

Nagi Noda/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Das Kinderzimmer markiert auch die imaginäre Grenze, an der sich die Ausstellung entlangbewegt. Hier die Auto-Scooter, dort die Ego-Shooter, so könnte man etwas überspitzt sagen. Die Bilderwelten, die, wie es in der Ankündigung heißt, dem Digitalen entsprungen sind, zuckeln jedenfalls recht analog und computerfern daher. Es ist eine andere Gewalt, von der sie durchdrungen sind, eine weniger konkrete, tiefer sitzende Gewalt - die sich am ehesten in dem appellativen Slogan "Prepare for Pictopia" findet. Ist das also noch Ausstellung oder ist das schon Ausbildung, ist das Kritik oder Training, üben sie hier das Lesen in einer Zeit nach den Buchstaben?

Hideaki Kawashima/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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Wo die Erwachsenen gut gelaunt, verblüfft oder verwirrt dastehen, sind die Kinder meistens verzaubert, sie werden hineingezogen in die optische Logik, mit der erwachsene Künstler ihre kindlichen Phantasien beschreiben. Eine merkwürdige Dynamik, die immerhin auf ein Missverständnis unserer Zeit verweist: Infantilisierung ist nicht das Problem. Es geht bei dieser Art der Kommunikation eher um Nähe und Distanz, Vernunft und Verzauberung, Innen und Außen. Es geht um das Wissen, wie die Zeichen zu entschlüsseln sind.

"Pictopia", Berliner Haus der Kulturen der Welt, bis 3. Mai. Info: www.hkw.de

Olaf Breuning/Foto: http://exhibition.pictoplasma.com

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