Süddeutsche Zeitung

Indien:Hindus in Rage

Ausschreitungen gegen Historiendrama: "Padmaavat", eine Bollywood-Produktion, erzürnt religiöse Eiferer, schon Gerüchte über Liebesszenen zwischen einem muslimischen Sultan und einer Hindu-Königin reichen aus, um Gewalt auf den Straßen zu entfesseln.

Von Arne Perras

Schon die Vorstellung bringt die Eiferer in Rage: Eine Romanze zwischen einer Hindu-Königin und einem muslimischen Sultan? Das geht gar nicht, finden Hindu-Fanatiker in Indien. Sie laufen schon seit Wochen Sturm gegen eine der teuersten Bollywood-Produktionen aller Zeiten. Mehrere indische Bundesstaaten wollten den Historienfilm "Padmaavat" aus den Kinos verbannen, doch hat das Verfassungsgericht alle Verbotspläne gekippt. So durfte "Padmaavat" am gestrigen Donnerstag mit zweimonatiger Verspätung doch noch anlaufen. Gleichzeitig ließ der Staat Sicherheitskräfte aufmarschieren, um die Ausschreitungen einzudämmen.

In Gujarat hatte der Mob schon am Tag vor dem Start Motorräder und Fahrzeuge in Brand gesetzt, in Haryana und Delhi wurden Schulen geschlossen, weil ein Bus mit Kindern von Demonstranten attackiert worden war. Auf einem Video sind Schüler zu sehen, die sich in Todesangst auf den Boden werfen: Szenen eines Kulturkampfes, der immer brutaler und unberechenbar zu werden scheint.

Im multi-ethnischen Indien gilt Eiferern der Islam als fremd

Hauptdarstellerin Deepika Padukone, eine der größten Stars in Bollywood, erhielt Todesdrohungen, Fanatiker setzten Kopfgelder auf sie aus. Es half auch nichts, dass Regisseur Sanjay Leela Bhansali versicherte, dass nichts dran sei an Gerüchten über intime Szenen zwischen den Protagonisten. Die Liebesszene, an der sich schon vergangenes Jahr so viel Empörung entzündet hatte, gibt es nicht im Film, der im 14. Jahrhundert spielt und dessen Plot historische und fiktive Figuren mischt. Während die Existenz des Sultans Allauddin Khilji durch Quellen belegt ist, halten Historiker Königin Padmavati für die Schöpfung eines Dichters. Als Mythos wird sie vor allem unter den Rajputen verehrt, einer Kriegerkaste aus dem Nordwesten Indiens. Aus ihren Reihen kommen nun offenbar auch viele Randalierer.

Zur Rage passt ein sehr einseitiges Geschichtsbild, das hindu-nationalistische Kräfte propagieren. Die islamischen Reiche früherer Jahrhunderte auf dem indischen Subkontinent waren demnach nichts anderes als zerstörerische Fremdherrschaften. Die Entwicklung einer multi-kulturellen Gesellschaft, geformt im Mit- und Nebeneinander hinduistischer und muslimischer Gemeinschaften, hat in diesen Vorstellungen keinen Platz. Das Narrativ der Hindu-Eiferer dient der Legitimation einer national-religiösen Ideologie, die ein Erstarken des Hinduismus beschwört, als Bollwerk gegen das vermeintlich Fremde, den Islam. Ironischerweise stützt der Film ausgerechnet jene Klischees, die bestens zur Ideologie der Hindu-Nationalisten passen. Wie der Filmkritiker Saibal Chatterjee schreibt, erscheint der Sultan als grobschlächtiger, sexuell zügelloser Herrscher, dem ein aufrechter und tugendhafter Rajputenfürst entgegentritt. Seiner Frau Padmavati bleibt am Ende nur, sich selbst den Flammen zu übergeben, um nicht einem lüsternen Barbaren in die Hände zu fallen.

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SZ vom 26.01.2018
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