Independent-Film:Wüstenwanderer

In seiner bitterbösen Groteske "Entertainment" ist Rick Alverson mit dem schlechtesten Komiker der USA unterwegs, und in den Weiten der Mojave-Wüste verblassen die letzten schäbigen Reste des amerikanischen Traums.

Von Anke Sterneborg

Schon der Titel ist schwärzester Etikettenschwindel. So wenig Rick Alversons letzter Film "The Comedy" den Erwartungen entsprach, die man mit einer Komödie verbindet, so wenig lässt sich dieser jetzt reinen Herzens als Entertainment bezeichnen. Zu konsequent sperrt sich der amerikanische Independent-Filmemacher gegen die Konventionen des Erzählens, gegen die Dynamik einer fortschreitenden Handlung und klärende Worte. Statt seine Zuschauer zu verführen, zwingt er sie lieber ins Spannungsfeld zwischen Abstoßung und Anziehung: Man will nicht zuschauen und kann doch nicht anders.

"Entertainment" ist ein Roadmovie, das einem Performer folgt, der als trister Handlungsreisender in Sachen Humor durch eine Landschaft tingelt, in der die letzten Reste des amerikanischen Traums verblassen. Der schräge Komiker Gregg Turkington, der in New York auch mal den Madison Square Garden bespielt und dieses perfide Teufelsstück zusammen mit Alverson und Tim Heidecker ausgeheckt hat, spielt ihn als Verlängerung seiner Bühnenfigur Neil Hamburger. Die drei wollten mal schauen, was Hamburger wohl so treibt, wenn er nicht auf der Bühne steht, wobei sich ziemlich schnell die Frage stellt, wie dieser missmutige Typ mit einem Programm, das irgendwo zwischen schlechtem Witz und übler Publikumsbeschimpfung liegt, überhaupt an bezahlte Engagements kommt. Auf hinterlistige Weise entlarvt das Trio den Stand der amerikanischen Unterhaltungsindustrie und die passive Rolle, die das Publikum dabei spielt. Was muss passieren, bis sich endlich mal einer wehrt? Wie viel lässt sich der Zuschauer bieten, bevor er sein Geld zurückverlangt oder mit Biergläsern wirft?

Entertainment

Auch dabei: John C. Reilly.

(Foto: DropOut)

"Was ist der Unterschied zwischen Courtney Love und der amerikanischen Flagge!", fragt der Typ auf der Bühne mit kratziger Stimme. Die Antwort, die niemand wissen will: "Es wäre nicht in Ordnung, auf die amerikanische Flagge zu pinkeln." Das überhaupt Auftritt zu nennen ist schon ziemlich gewagt, so lustlos wie er sich da auf der Bühne platziert, mit hängenden Schultern und ausdruckslosem Gesicht, im schäbigen Frack, die strähnigen Haarreste über den kahlen Schädel drapiert, den müden Blick durch riesige Hornbrillengläser voller Verachtung aufs Publikum gerichtet.

Dies kontrastiert der Film mit der extremen Weite seiner Panoramabilder. Sie zeigen die eigenartige, schmucklose Schönheit der Mojave-Wüste mit ihren Ölbohrtürmen. Man sieht den Reisenden auch zwischen den Wracks eines Flugzeugfriedhofs, in einer Westernstadt-Attrappe, im Neonlicht einer Bowlingbahn, am Schießstand, in der stickigen Trostlosigkeit von Gefängnissen, Hotelfluren und Motelzimmern, in denen er immer wieder vergeblich auf den Anrufbeantworter seiner entfremdeten Tochter spricht. Was hier scheinbar zufällig in den Blick der Kamera gerät, ist doch auf den Punkt genau stilisiert. Es erinnert immer wieder entfernt an die bizarren Szenerien in den Filmwelten von Roy Andersson. Unerbittlich führt Rick Alverson das mythische Amerika ad absurdum, immer haarscharf zwischen beißender Komödie und himmelschreiender Verzweiflung.

Entertainment, USA 2015 - Regie: Rick Alverson. Buch: Alverson, Gregg Turkington, Tim Heidecker. Kamera: Lorenzo Hagerman. Mit Gregg Turkington, John C. Reilly. Verleih Drop Out Cinema. 102 Min. (Läuft z. T. im Double Feature mit "The Comedy").

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