In Potsdam:Neue Pracht

In Potsdam: Vom Innenhof des Museums Barberini führt eine breite Treppe hinunter zum Havelufer. In der Mitte steht Wolfgang Mattheuers Plastik "Jahrhundertschritt".

Vom Innenhof des Museums Barberini führt eine breite Treppe hinunter zum Havelufer. In der Mitte steht Wolfgang Mattheuers Plastik "Jahrhundertschritt".

(Foto: Helge Mundt/Museum Barberini)

In wenigen Tagen nimmt das Museum Barberini am Alten Markt seinen Betrieb auf. Das von der Hasso-Plattner-Stiftung getragene Haus knüpft mit Fassade wie Programm an die kulturelle Rolle des Vorgängerbaus an.

Von Johanna Pfund

Jahrhundertschritt - so hat Wolfgang Mattheuer seine 1984 entstandene symbolträchtige Plastik genannt. Ein Mann mit merkwürdig überdimensionierten Armen und Beinen und einem zu klein geratenen Kopf macht einen riesigen Ausfallschritt: Er soll Sinnbild sein für die totalitären Systeme, für die wechselvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts. Die größte Variante der Plastik, ein Bronzeguss mit gut fünf Metern Höhe, steht seit wenigen Monaten im Innenhof des neuen Kunstmuseums Barberini in Potsdam und streckt ein langes Bein gen Havel. Ein beeindruckendes Werk von beeindruckender Größe - und dies könnte auch programmatisch stehen für das von SAP-Mitgründer Hasso Plattner gestiftete Haus, das am 23. Januar mit gleich zwei großen Ausstellungen in sein Museumsleben starten wird.

Im Barberini will der Wahl-Potsdamer Plattner seine Kunstsammlung mit der Öffentlichkeit teilen. Zwar trat Plattner in den vergangenen Jahren primär als Förderer der Wissenschaft in Erscheinung. Dass er auch französische Kunst, Werke aus der DDR oder deutsche und amerikanische Kunst des 20. Jahrhunderts sammelte, war eher unbekannt. Und wie so manche Sammler suchte Plattner nun einen Weg, die Werke zu zeigen. Da gibt es die unterschiedlichsten Varianten, etwa die Werke einem Museum als Leihgabe zur Verfügung zu stellen, ein eigenes Haus zu eröffnen, und und und. Plattner suchte einen Weg in Brandenburgs Hauptstadt.

Hier boten sich zunächst mehrere Optionen - nicht zuletzt deshalb, weil die Stadt sich vor gut zehn Jahren für ein Leitbautenkonzept entschieden hat, das unter anderem vorsieht, die im Zweiten Weltkrieg zerstörte historische Mitte wiederaufzubauen. Zunächst trug sich der Unternehmer Abris Lelbach mit dem Plan, das Palais Barberini am Alten Markt als Hotel zu nutzen. Letztendlich aber gewann er aber Plattner dafür, das Barberini als Museum wiederaufzubauen. Zunächst war es ein gemeinsames Projekt, bald aber stieg Lelbach aus.

2013 folgte der Spatenstich für das Haus, nur drei Jahre später steht das Palais nun fertig da. Architekt Thomas Albrecht vom Büro Hilmer&Sattler hat die historische Fassade aus Elbsandstein den Vorgaben zufolge neu geschaffen. Die Kutschdurchfahrt ist als imposante Eingangshalle wiedererstanden und sie vermittelt das Gefühl, als könnten sich jederzeit die Glastüren öffnen und einer Kutsche Durchfahrt gewähren zum von zwei Seitenflügeln begrenzten Innenhof. Am Ende des Innenhofs, zur Havel hin, macht Mattheuers Plastik den Schritt gen Fluss - sie könnte springen oder auch die breite Treppe nutzen, die mit Blick auf die Freundschaftsinsel zur Uferpromenade hinunterführt.

Ein römischer Palazzo stand Pate für das Palais in Potsdam

Im Inneren zeigten die Erbauer ebenso viel Sorgfalt wie im Äußeren. Die 2200 Quadratmeter der 17 Ausstellungsräume, von denen ein Großteil auf den drei Ebenen in den Gartenflügeln verteilt ist, sowie der Konferenzraum im Mittelbau sind klassisch ausgestattet: Eichenparkett, große Durchgänge, Decken mit Vouten, in denen teils die Beleuchtung untergebracht ist, in manchen Räumen sind es ganze LED-Lichtdecken. Das historische Erscheinungsbild verbirgt ein technisch anspruchsvolles Innenleben. "Wir haben uns bemüht, die technischen Entwicklungen der kommenden zehn Jahre bereits mitzudenken", sagt Johanna Köhler, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Museum.

Dazu gehört ein gleichmäßiges Raumklima - unerlässlich für ein Haus, das es sich zum Ziel gesetzt hat, hochwertige Gemälde aus aller Welt zu präsentieren die weder unter der Reise noch unter den Bedingungen in einem anderen Ausstellungshaus leiden sollen. Seit einem Jahr führt das Museum schon ein Klimaprotokoll. Mit guten Werten offensichtlich, denn die ersten Leihgeber, die sich vorab ein Bild von dem Haus machen wollten, waren laut Köhler schnell überzeugt - vom Raumklima wie auch vom Sicherheitskonzept.

Es soll ja auch Hochkarätiges gezeigt werden. Seine Sammlung mit Kunst der DDR, die etwa 80 Werke umfasst, hat Plattner bereits der Hasso-Plattner-Stiftung übergeben, die auch das Museum trägt - betrieben wird es von einer gemeinnützigen GmbH, die ebenfalls von der Stiftung finanziert wird. Das Museum hat auch Zugriff auf all die Werke, die sich in der Privatsammlung Plattners befinden. Aus diesem Bestand heraus sollen Ausstellungen entwickelt und kuratiert werden, so wie es öffentliche oder privat getragene Häuser in der Regel halten. Mit Ortrud Westheider, die bereits in Hamburg Meriten als Ausstellungsmacherin erworben hat, verfügt das Museum nun auch über eine gut vernetzte Direktorin.

Der Anspruch spiegelt sich, wie gesagt, im Gebäude wider - über dessen Kosten Stillschweigen bewahrt wird. Die klassizistische Fassade des Barberini fügt sich nahtlos ein in die Reihe der Schönheiten am Alten Markt - wie Stadtschloss oder Nikolaikirche. Noch wirkt alles neu, es wirkt ein wenig wie ein frisch aufgebautes Rom.

Nicht von ungefähr - Rom stand ja auch Pate für den Vorgängerbau. Exakt an der Stelle, an der das neue Museum steht, ließ König Friedrich II. von Preußen, inspiriert vom römischen Palazzo Barberini, in den Jahren 1771/72 das gleichnamige Palais errichten. Gut 80 Jahre später, unter Friedrich Wilhelm IV., wurden zur Havel hin die Gartenflügel angefügt und die Säle im Mittelrisalit für die Nutzung von Vereinen ausgebaut.

Die Nutzung gestaltete sich höchst vielfältig: Das Haus diente als Wohngebäude, beherbergte Geschäfte, später ein Kino und eine Niederlage der Berliner Bock-Brauerei. Kultur für alle.

Nach Jahrzehnten des ständigen Eigentümerwechsels kaufte die Stadt Potsdam 1912 das Gebäude. Die Stadt brachte in dem repräsentativen, aber teils maroden Bau unter anderem Bücherei, Verkehrsamt, Kohlenstelle und Jugendherberge unter. In den Sälen gaben Größen wie Clara Schumann oder Anton Rubinstein Konzerte. Man konnte dort auch Tanz- und Benimmunterricht nehmen. Letztlich aber waren die Tage dieser Nutzung in den 1930ern gezählt. Ein Museum sollte das Palais werden - was sich nun, viele Jahrzehnte später, tatsächlich erfüllt. Doch damals machte der Zweite Weltkrieg nicht nur diese Pläne, sondern gleich das ganze Gebäude zunichte. Bei einem alliierten Bombenangriff am 14. April 1945 und den nachfolgenden Kämpfen mit der Roten Armee wurde Potsdams Innenstadt zerstört.

Von der einstigen Pracht des Palais Barberini blieb nur die Fassade übrig, die wenige Jahre später komplett abgerissen wurde. Die Fläche diente als Parkplatz und Grünanlage, bis die Stadtverwaltung in den 1980ern beschloss, dort an der Havel die neue Spielstätte des Hans Otto Theaters zu errichten. Weit sollte man mit diesen Plänen aber nicht kommen. Die provisorische Gebäude-Lösung, passenderweise Blechschachtel genannt, wurde 2006 abgerissen.

Nun ist das Barberini wieder da. Es fehlt nur noch der Schritt vom leeren Haus zum genutzten Gebäude. Ein Probelauf Ende November, Anfang Dezember brachte schon mal einen Schwung Leben in das Haus: 24 500 Besucher wollten das neue Barberini kennenlernen. Und sie brachten ihre Erinnerungen mit. An den Klavierunterricht, den sie einst hier erhalten hatten, oder daran, dass jemand aus der Familie in Hof und Halle das Radfahren gelernt hat. Erste Schritte. Ob es den Jahrhundertschritt gibt, wird sich zeigen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: