Süddeutsche Zeitung

Kolumne: "Phrasenmäher":"Impfdrängler"

Wie mag es in Österreich nun aussehen und wer untersagt endlich das Spiel mit der Lichthupe?

Von Bernd Graff

Sprachempfindliche Menschen sollten das Pandemie-Wochenende meiden, es gebiert Ungeheuer. Floskelzombies kommen dann über uns, der nackte Vokabelwahnsinn, unselige Begriffsbastarde. In den Wörterfabriken herrscht am Seuchen-Wochenende Hochbetrieb, doch es fehlt die Aufsicht. So weiß man nach dem "Impfangebot" (SZ v. 09.02), das man ja mal unverbindlich machen kann, eine Woche später, dass Tschechien und Tirol zu "Mutationsgebieten" mutierten, während vor der heimischen Tür nun der "Impfdrängler" in seine Schranken verwiesen werden muss. Mutationen da draußen, Drängeln hier drinnen - sprachpandemisch geht es zu wie auf deutschen Autobahnen. Wie aber muss man sich die Mutanten Österreichs vorstellen? Worin unterscheiden sie sich von den "Wildtypen", als die man bis dato die Österreicher kannte? Oder ist tatsächlich ihr Gebiet mutiert, Tiefsee nun dort, wo vorher die Alpen waren? So unkartiert ist plötzlich der Nachbar, was mögen die Navis dort nun anzeigen? Aber man kommt ja nicht hin, weil hier die ruchlosen Impfdrängler drängeln. Sie sind die "Gaffer" der verwaisten Impfzentren, die nervös und sinnlos mit ihren Lichthupen zucken. Wirklich alles kann der Deutsche verknusen: Knappheit, Lockdown und Dinge des täglichen Bedarfs. Aber Drängeln, das geht gar nicht. Wir stehen ja hier nicht an, weil wir lernen wollen, wie man Polonaise tanzt.

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