Häuser sind lesbar, Landschaften auch: Julia Schulz-Dornburg und ihre Dokumentation gescheiterter Immobilienprojekte in Spanien. Von Thomas Steinfeld
Achtzig Kilometer südöstlich von Cartagena, auf der Grenze zwischen den Provinzen Murcia und Andalusien, mit Blick auf das Meer und die Berge im Rücken, erheben sich ein paar spitze, felsige Hügel aus dem zur Steppe gewordenen Schwemmland. Einer von ihnen, beige und ocker, gleicht einem Pueblo, mit Fenster- und Türöffnungen, Apartments und Häusern, die in den Hügel hinein-, und Treppen, die den Hügel hinaufführen. Je weiter man zurückgeht, in die umgebende Steppenlandschaft hinein, desto mehr gleicht dieser Hügel dem Wrack eines Raumschiffs, das, aus unerfindlichen Gründen, in den Trümmern eines halb fertigen und dann ebenfalls aufgegebenen Golfplatzes niederging. Zwölftausend Menschen hätten hier leben sollen, in einer Anlage, die den stolzen Namen "Golden Sun Beach & Golf Resort" trug. Aber es ist keiner da.
Hunderte, wenn nicht Tausende von gescheiterten Siedlungsprojekten dieser Art stehen gegenwärtig in Spanien. Manche sind für Touristen gebaut, andere für wohlhabende Spanier, wieder andere für Menschen aus dem Norden, die hier ihren Lebensabend verbringen sollten, manche sind einfache Neubaugebiete für die Mittelschicht. Aber allen Leuten, die da kommen sollten, wurde nicht nur ein festes Dasein, sondern auch ein Glück auf Erden versprochen. Und es wurde nichts daraus: Etwa achthunderttausend Immobilien, sagt die offizielle Statistik, stehen in Spanien leer. Menschen, die es besser wissen müssten, sprechen von bis zu zwei Millionen unbezogenen Wohnungen. Zusammen bilden sie ein gigantisches Ensemble von Bauten, in denen die Bedeutungen der Wörter "Ruin" und "Ruine" sichtbar zusammenfallen.
Text: Süddeutsche Zeitung vom 10.12.2012