Image des Islam:Muhammad als Hingucker

Jenseits von Prophetensatire, aufgepeitschten Protesten und Friedensappellen der Islamfunktionäre wollen Werber in Graz die Marke Islam reformieren. Oder ihr zumindest in Europa ein neues Image verpassen. Was als Kunstprojekt geplant war, endet mit Bier. Ein Besuch.

Tim Neshitov

Der Muezzin tut das, was er immer tut, er ruft zum Gebet. Aber er tut das in einer akrobatischen Höhe, und auf ihm ruht eine Lichtkugel. "Hayya ala s-salat, hayya ala l-falah..." ("Eilt zum Gebet, eilt zur Seligkeit." ) Das Publikum im dunklen Foyer, 14 Meter unter dem Muezzin, eilt nirgendwo hin. Es nippt an Prosecco und an Kardamom-Soda.

Die Gala in der Helmut-List-Halle, einer umgebauten Fabrik hinter dem Bahnhof von Graz, heißt "Rebranding European Muslims". Sie soll die Menschen auf eine ungewöhnliche Art dazu bringen, über den Islam nachzudenken. Jenseits von Prophetensatire, aufgepeitschten Protesten und Friedensappellen der Islamfunktionäre. Der Organisator ist nicht etwa ein gut integrierter Halalfleisch-Fabrikant aus der Steiermark, der sich um das Image seiner Glaubensbrüder und -schwestern Sorgen macht, sondern eine junge Israelin. Dana Yahalomi, 30, Chefin der Kunstgruppe Public Movement aus Tel Aviv, reagiert so auf Angela Merkels Diagnose von 2010, Multikulti sei "gescheitert, absolut gescheitert." Yahalomi hat mehrere internationale PR-Agenturen beauftragt, eine "Rebranding-Kampagne" für Europas Muslime zu entwickeln und im Rahmen des Kunstfestivals "steirischer herbst" in Graz ihre Entwürfe vorzustellen.

In Österreich ist das Thema derzeit besonders aktuell, denn vor 100 Jahren erkannte die K.u.K-Monarchie als erstes europäisches Land den Islam als Glaubensgemeinschaft an. Österreich-Ungarn gewährte Muslimen damals Selbstbestimmung - vier Jahre nachdem es Bosnien annektiert hatte.

Die Grenzen von PR

Yahalomi trägt ein graues Abendkleid mit leichtem Rückenausschnitt und nimmt ihre Gäste zur Begrüßung gern in den Arm. Die muslimischen Punkrocker der US-Band The Kominas sind gekommen, Grafikdesigner aus Wien, Lehrer aus Graz, Pädagogikstudenten, ein Werbeagent aus Istanbul, ein Multimediakünstler aus Ljubljana. Mehr als 300 Menschen, knapp ein Drittel davon Muslime.

Der Eintritt kostet 12, 36 oder 100 Euro - man zahlt, soviel man kann. "Ein sozialistisches System", sagt Yahalomi. Das Publikum soll sich drei Vorschläge von PR-Agenturen anhören und abstimmen, welche Kampagne am besten geeignet ist, Europas Muslime zu "rebranden".

Yahalomi weiß um die Grenzen von PR. "Zwischen einer Brand und dem, was gebrandet wird, besteht immer eine große Lücke, die man nie überbrücken kann", sagt sie. "Deswegen machen wir keine klassische Gala, sondern die Performance einer Gala." Indem sie ein breites Publikum an einer Branding-Strategie beteiligt, will Yahalomi auch die üblichen Abläufe bloßlegen. "Normalerweise werden solche Strategien hinter verschlossenen Türen ausgeheckt."

Österreichische Volksmusik mit Fez

Die Moderatorin Nadja Kayali, Journalistin und Dramaturgin, ist für Avi Primor eingesprungen, Israels ehemaligen Botschafter in Deutschland, der kurzfristig absagte. Nadja Kayali trägt Weiß, spricht "Kampagne" als "Kampahn" aus und setzt die Erwartungslatte gleich sehr hoch. "Sie werden nun die hohe Kunst des Branding-Pitches erleben." Es klingt ein wenig nach David Copperfield.

Als erster steht Mariusz Jan Demner von der Wiener Agentur Demner, Merlicek & Bergmann auf der Bühne. Die Agentur hat 52 Kunden in 16 Ländern und "brandet" alles von Steckdosenschutz über Autos bis zu Schoko-Mangos. Demner sagt, er ziehe es vor, Produkte und Unternehmen zu branden, nicht Menschen. Für Muslime schlägt er den Begriff "rediscovering" vor, Neuentdeckung. Die Neuentdeckung soll auf einem einfachen Prinzip beruhen: "Look twice!" (Guck zweimal hin!). Demner tanzt zur orientalischen Musik und setzt sich dabei einen österreichischen Trachtenhut auf; dann tanzt er zur österreichischen Volksmusik und hat dabei einen osmanischen Fez an. Demner ist ein prämierter Branding-Experte, er ist 67 und hat leicht abstehende Ohren. Beim Tanzen ist er ein Hingucker.

Für die Kampagne, die seine Agentur vorschlägt, will er aber nicht tanzen, sondern Menschen auf der Straße mit einer arabisch aussehenden Schrift konfrontieren. Schreibt man in dieser Schrift etwas Ureuropäisches wie "Würstelstand" oder "Volksschule", sieht es auf den ersten Blick wie ein arabisches Wort aus - bis man eben genau hinguckt.

Als zweiter tritt der Branding-Experte Guleed Mohamed auf, ein Schwede somalischer Herkunft. Er sagt, er würde 40 arbeitslose Jugendliche rausschicken, damit sie bei Menschen klingeln und ihnen vorschlagen, ihren Namen zu Muhammad zu ändern oder zumindest Muhammad als Zweitname anzunehmen. Als Powerpoint zeigt Guleed Mohamed einen blassen jungen Mann in Poloshirt mit dem Schild: "Muhammad Beckenbauer. Name changed: 14 September 2012". In einer Sprechblase sagt dieser Muhammad Beckenbauer: "Become part of the European future!".

Zum Schluss spricht Daniel van der Velden aus Amsterdam. Er unterrichtet Grafikdesign in Yale und hat mit seinem Büro Metahaven mehrere Preise gewonnen. Er plädiert für eine Internetkampagne, weil man damit viel mehr Menschen erreichen könne. Da könne man zum Beispiel die griechische Neonazi-Partei Goldene Morgenröte ärgern, sagt er, indem man digitale Poster verbreitet, die sie als schwulenfreundlich anpreisen. Oder man könne Menschen aufrütteln, indem man einen "ökologisch nachhaltigen Neofaschismus" bewerbe.

"Wir wollten mal auf die Zukunft weisen"

Das Publikum kürt Demner, Merlicek & Bergmann zum Sieger. Das Preisgeld ist überschaubar, 6000 Euro, damit wird die Agentur diese Woche in Graz zwei Plakattafeln aufstellen. Der Standard und Die Kleine Zeitung werden kostenlos Kampagnenanzeigen drucken.

Die Organisatorin Dana Yahalomi weiß noch nicht, wie es weitergehen soll. Sie möchte eine europaweite Kampagne, aber alles hänge davon ab, wie viele Partner sich finden. "Es ist ein Riesenaufwand, dessen Ergebnis noch offen ist. Aber wir wollten mal auf die Zukunft weisen, anstatt die Vergangenheit zusammenzufassen."

Nach dem Dessert geht das Licht aus und auf die Bühne, auf der noch kurz davor muslimische Gäste ihr Abendgebet verrichtet hatten, kommen The Kominas aus Massachusetts, die bekannteste Band in der muslimischen Punkszene. Sie singen "Sharia law in the USA", einen Song über einen jungen Mann, der sich Islamist und Antichrist nennt. "Die Bullen jagten mich aus dem Schoß meiner Mama", es folgt die Beschreibung einer Gruppensexorgie.

Sie singen über Menschen, "die heute kein Abendessen bekommen werden". Sie beherrschen Metal, Reggae, braven Rock'n'Roll. Die Zuhörer tanzen, als wären sie Diskuswerfer beim Aufwärmen.

Der Frontman Basim Usmani macht eine abermalige Bierflasche auf. "Tu das nicht, Bruder!" ruft ihm sein Gitarrist zu. "Du wirst zur Hölle fahren." Bier schäumt auf die Bühne. "Ich werde mit dir zusammen zur Hölle fahren!"

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