Süddeutsche Zeitung

Im TV: "Für meine Kinder tu' ich alles":Bisschen Escort

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Sat 1 braucht keine Veronica Ferres als Muttertier: Um die Kinder durchzubringen, wird Marie nach dem Tod ihres Mannes von der Edelhausfrau zur Edelhure.

Antje Harders

Es muss nicht gleich ein totalitäres System sein, das die Kampfinstinkte einer Mutter weckt. Oder die Mafia. "Für meine Kinder tu' ich alles" klingt zwar wie eine weitere Muttertier-Rolle von Veronica Ferres nach "Neger, Neger, Schornsteinfeger", "Die Frau vom Checkpoint Charlie" und "Die Patin". Doch es geht erheblich schlichter zu: Das System in diesem Familiendrama heißt Geldmangel und der Feind Schwiegervater.

Lisa Martinek spielt sehr glaubwürdig das, was man gemeinhin einen sozialen Abstieg nennt. Nach dem tödlichen Unfall ihres Mannes steht die bisher gut situierte Marie mit ihren drei Kindern plötzlich vor einem riesigen Schuldenberg. Die Lebensversicherung weigert sich zu zahlen, da sie auf Selbstmord pocht. Und Schwiegervater Holger ("Mit Frauen wie dir hat man eine Affäre, keine Kinder") nutzt den Ruin, um das Sorgerecht für seine Enkel zu erstreiten und die verhasste Schwiegertochter aus der Familie zu ekeln.

Verzweifelt beschließt Marie, es ihren Nachbarinnen gleichzutun. Als "Teilzeitkraft" im gehobenen horizontalen Gewerbe, so vertraut ihr eine der Damen an, mache sie an drei bis vier Abenden pro Woche bis zu 5000 Euro - "bisschen reden, bisschen Escort, bisschen bumsen". Aus Marie, der Edelhausfrau, wird eine Edelhure.

Zu viel geträumt

Dass man Martinek diese Entwicklung abnimmt, liegt vielleicht auch an ihren Gesprächen mit echten Prostituierten, die sie zur Vorbereitung geführt hat, und an ihrem Gespür für ungewöhnliche Rollen, das die 37-Jährige zum Beispiel als blinde Malerin in dem Katastrophenfilm "Tornado" bewies.

Als angehende Hure tastet sie sich unsicher in einer fremden Umgebung vor. Nervös wandern ihre Augen über die Gäste der Luxusbar. "Das kriegst du nicht getrennt, dich von dir selbst", prophezeit eine Nachbarin über die psychischen Verletzungen durch den Beischlaf. Doch Marie tut es, wieder und wieder. Und schon bald kommt der erste Weinkrampf.

Ungewöhnlich brutal geht es zu auf dem Sat-1-Familiensendeplatz, mit Aleksandar Jovanovic, der als schlagkräftiger Zuhälter überzeugt. Doch da sind auch komische Szenen: der Freier etwa, der zugibt, dass er eigentlich nur zu ihr kommt, um vor Kollegen seine Homosexualität zu vertuschen.

"Film ist fortgeschrittene Berichterstattung über die Realität mit den Mitteln des Traumes", beschreibt Drehbuchautor Rolf Silber thesenfest seine Arbeitsweise. Aber auch in diesem Fall beinhaltet der Fortschritt die grundsätzliche Verpflichtung eines TV-Movies bei Sat 1 zum Happy End. Wenn die hübsche Gefallene schließlich auf ihren Prinzen trifft, der sich selbstlos zusammenschlagen lässt und sich auch noch, zeugungsunfähig, nach einer Großfamilie sehnt, dann hat der Autor doch etwas zu viel geträumt.

Für meine Kinder tu' ich alles, 20.15 Uhr, Sat 1.

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Quelle:
SZ vom 17.2.2009/rus
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