Im Portrait: Sofia Coppola:Die Stimmungsfängerin

Sie ist die Tochter eines Starregisseurs und kann es selber: Für ihren neuen Film "Somewhere" wird Sofia Coppola wieder hoch gelobt. Weil sie den Nerv unserer Zeit trifft.

Lena Schilder

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Quelle: dpa

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Sie ist die Tochter eines Starregisseurs, hat selbst schon einen Oscar und wird für ihren neuen Film Somewhere wieder hochgelobt: Sofia Coppola wirkt zwar mädchenhaft, dreht aber tiefgründige Filme über ihre Generation. Die Bilder.

Alles begann mit der Mafia. Die Mafia, das weiß man, ist ein patriarchalischer Brutalohaufen. Dort wird kurzerhand schon einmal ein kleines Mädchen in einen männlichen Stammhalter verwandelt, um vor der Sippe gut dazustehen. Wie zum Beispiel Sofia Coppola. Für die Godfather-Trilogie ihres eigenen guten alten Herren, Francis Ford Coppola, lag Baby Sofia 1972 neben Marlon Brando (Bild) vor der Kamera. Ihr Vater, der mit der Trilogie zum Starregisseur avancierte, hatte sie als Michael Corleones neugeborenen Sohn besetzt. Ganz schön praktisch. Dachte er sich später offenbar wieder - und ließ sie für Der Pate III gleich noch einmal antreten. 1990 war das, da war Sofia 18 - und diesmal durfte sie ein Mädchen, Mary, Tochter von Al Pacino, spielen. Das erwies sich allerdings als viel traumatischer als der frühe Geschlechtertausch - die Kritiker nahmen sie auseinander und bescheinigten ihr einhellig, über keinerlei schauspielerisches Talent zu verfügen. Nicht gerade ein vielversprechender Karrierestart. Vielleicht hat sie aber auch einfach nicht in den Männerhaufen gepasst.

Text: Lena Schilder/sueddeutsche.de/rus

Regisseurin Sofia COPPOLA

Quelle: AP

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Denn Toughness und Abgebrühtheit sind nicht gerade Attribute, die zu Sofia Coppola passen. Von Männergeschichten beruflicher Art hatte sie nach dem Schauspiel-Desaster jedenfalls die Nase voll. Also beschäftigte sie sich zunächst mit Dingen, die wohlhabende Mädchen so tun, wenn sie sich ein bisschen verloren fühlen und erst noch herausfinden müssen, wohin die Reise gehen soll: ein bisschen malen und fotografieren, ein bisschen modeln und das ein oder andere Handtäschchen entwerfen.

Die Erfüllung war das offenbar nicht. Für ein Leben à la Paris Hilton (plus Malerei- und Fotografie-Studium) schien Miss Coppola auf Dauer nicht gemacht zu sein. Also besann sie sich ihrer familiären Wurzeln und drehte 1998 den 14-minütigen Schwarzweißfilm Lick the star. Darin versucht eine Mädchenclique, die Jungs an ihrer Schule durch Arsen zu schwächen. Und dafür schien sie nun das nötige Talent zu haben.  

So richtig in die Fußstapfen ihres Vaters ist sie aber nie getreten:

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Quelle: KEVORK DJANSEZIAN

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Dazu haben Vater und Tochter zu unterschiedliche Herangehensweisen: Francis Ford Coppola drehte 1979 den monumentalen Kriegsfilm Apocalypse Now mit ordentlich vielen Explosionen, Kriegslärm und verschlungener Dschungellandschaft. Seine Tochter nimmt sich eher den Mikrokosmos als den Makrokosmos vor - ihre Geschichten entspringen dem oft gar nicht so normalen Alltag. Und nehmen ihn detailliert unter die Lupe.

Vielleicht hoffte sie durch ihren ersten Kinofilm auch, ihr Mafia-Trauma endgültig überwinden zu können. Denn statt einer korrupten Männerbande standen hier fünf blonde Grazien im Vordergrund: 

Das Geheimnis ihres Todes

Quelle: © ARD/Degeto/Zur ARTE-Sendung: Das Geheimnis ihres Todes

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In The Virgin Suicides (Das Geheimnis ihres Todes) aus dem Jahre 1999 begeht eine Schwesterncombo im besten Teenie-Alter nacheinander Suizid. Lux (gespielt von Kirsten Dunst, oben re.) und ihre blonden Schwestern erwecken eigentlich nicht den Eindruck, als hätte das Leben ihnen, abgesehen von den üblichen pubertätsbedingenten Beschwerden, besonders harte Bürden auferlegt - außer ihre strenggläubigen Eltern vielleicht. Und so bleibt die Motivation für die Suizide für die Bewohner ihres Heimatstädtchens rätselhaft.

Sofia Coppola schrieb das Drehbuch nach der Romanvorlage von Jeffrey Eugenides und inszenierte die tragische Geschichte, indem sie, mit pastellfarben-unschuldigen Bildern, einen Blick hinter die scheinbar liberale Fassade der siebziger Jahre warf.  

Das kam an. Die Kritiker beklatschten Sofia Coppolas Pubertäts-Drama - und auch der Herr Papa zeigte sich zufrieden. Und ließ es sich nicht nehmen, sein Töchterchen am Set zu besuchen. Was die jungen Nachwuchschauspieler dann doch etwas nervös machte. Doch es galt, der damals 27-Jährigen beim Dreh zu empfehlen, die Anweisungen energischer und lauter auszusprechen. Als cholerischer Tyrann bei der Arbeit ist Sofia Coppola aber auch weiterhin nicht bekannt.

SOFIA COPPOLA

Quelle: DPA

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So überrascht es wenig, dass ihr nächster Film wieder kein harter Box- oder Kriegsfilm wurde. Dass sie eher das Zwischenmenschliche, allzu Menschliche im Blick hat, beweist kein Film besser als Lost in Translation (2003). Den hektischen Tokio-Bildern zum Trotz tropft die Handlung hier langsam vor sich hin, und so bleibt viel Zeit, die Stimmung und das Befinden der Protagonisten einzufangen. So mancher mag darin gar keine filmübliche Handlung erkannt haben. Doch hier ging es der Regisseurin vor allem darum, einen Mann und seine Midlife-Crisis in Szene zu setzen. Den Mann spielte natürlich Bill Murray. Natürlich, weil ohne ihn Lost in Translation nie zustande gekommen wäre - wie Sofia in zahlreichen Interviews nicht müde wurde zu betonen. Nur er, so ihre Überzeugung, könne gleichzeitig so lustig und so tragisch sein. Er und Lost in Translation eben. Auch die Orientierungskrise der frischgebackenen Yale-Absolventin Charlotte findet dank der Handlungsarmut ausführlich Platz. Ob sich die Regisseurin in der von Scarlett Johansson gespielten Rolle auch selbst porträtiert hat? Schließlich dreht sie, nach eigener Aussage, nur Filme, die etwas mit ihr persönlich zu tun haben:

Lost in Translation

Quelle: dpa

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In dem Film ist Charlotte (rechts) mit einem Fotografen verheiratet, der von einem Job zum nächsten hetzt und für seine Frau nur eine Aufmerksamkeitsspanne von der Dauer eines Klicks aufbringen kann. Fotografin wollte Charlotte selbst auch einmal werden, der Plan scheiterte allerdings, als sie anfing "blöde Fotos von ihren Füßen" zu schießen. Nun weiß sie nicht mehr, was die Zukunft ihr bringen soll. Da entwickelt sich zwischen ihr und dem gealterten und ebenfalls verheirateten Schauspieler Bob - Bill Murray - recht schnell eine innige Beziehung die, die Kritiker konnten diese Originalität nicht genug bestaunen, ohne Sex und nur mit kleinen Gesten auskommt - bis Bill wieder abreisen muss.

Einsame Frauen scheinen Sofia Coppolas Thema zu sein. Und ihre Lieblingsdrehorte sind große, noble Hotels, wie das Tokyo Park Hyatt - eines dieser Trendquartiere, in denen man zwar komfortabel wohnt, aber doch immer ein wenig fremd und verloren bleibt. Und dies sollte nicht ihr einziger Hotel-Film bleiben.

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Quelle: Jeff HAYNES

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Erst galt es aber noch, die verdienten Lorbeeren für Lost in Translation zu kassieren. Denn wer hätte vor ihr gedacht, dass ein Low-Budget-Film, der mit der Handkamera, ohne Drehgenehmigung, dafür mit einer japanisch-amerikanischen Crew, die sich untereinander nicht recht verständigen konnte, entstand, so gehypt werden würde?

Vor allem ihr genaues Einfühlen in die Charaktere sowie ihr Gespür für Raum und Musik wurden gelobt - und belohnt:

Sofia Coppola wurde mit dem Oscar für das beste Original-Drehbuch ausgezeichnet. Und war, als erst dritte Frau weltweit, für die Sparte "Beste Regie" nominiert. Das ist beeindruckend, reicht aber noch nicht aus, um mit ihrem Vater gleichzuziehen. Der hat nämlich bereits fünf Goldmännchen abgestaubt.

COPPOLA

Quelle: AP

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Konkurrenzdenken herrsche in ihrer Familie aber ohnehin nicht, stellt Sofia Coppola gerne mal klar. Vielmehr unterstütze man sich, wo man nur könne. Das kann man sich vorstellen. Schließlich ist neben Francis und Sofia auch Bruder Roman Coppola, 45, Regisseur - und die Schauspieler Nicolas Cage, 46, und Jason Schwartzman, 30, sind ihre Cousins.

Wobei es mittlerweile vielleicht sogar eher der Vater sein dürfte, der sich gerne eine Scheibe von der Tochter abschneiden würde. Schließlich gilt Sofia Coppola inzwischen als die Regisseurin, die das Lebensgefühl der "Anything Goes"- Generation am besten einfangen kann. Weshalb sie für Lost in Translation zusätzlich noch bei einer etwas hipperen Veranstaltung gewürdigt wurde, bei der man nicht im steifen Smoking oder rosa Seidenkleid erscheinen muss:

Sofia Coppola räumt bei Indie-Preisen ab

Quelle: Onorati

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Einen Tag vor der Oscarverleihung 2004 wurde sie bei den Independent Spirit Awards (Foto) mit dem Indie-Preis für die beste Regie und das beste Drehbuch geehrt.

Wie aber geht es weiter nach einem Film, der die Kritiker in kollektive Lauerstellung bringt? Der nächste Versuch hat eine 95-prozentige Chance, zu enttäuschen. Vielleicht ist es ja sogar besser, die Erwartungen eher zu drosseln, anstatt weiterhin als Wunderkind durch die Feuilletons zu geistern?

Wie man das am klügsten anstellt, hat Coppola vorgemacht: Man überträgt das Lebensgefühl der Popkultur in das späte 18. Jahrhundert. Anhand einer historischen Figur, auf die eine Grande Nation immer noch ziemlich schlecht zu sprechen ist. Man selbst stelle sie aber bonbonfarben und mädchenhaft dar. Dass Coppola nicht mutig und experimentierfreudig sei, kann ihr nun zumindest keiner mehr vorwerfen:

FRANCE-FILM-FESTIVAL-CANNES

Quelle: AFP

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Als Marie Antoinette holte Sofia Coppola im Jahr 2006 Kirsten Dunst vor ihre Kamera zurück. Schon in The Virgin Suicides hatte Dunst sich drehbuchgerecht umgebracht - das Schicksal der historischen Marie Antoinette kennt man. Wobei der Film auf Guillotine-Bilder verzichtet. Die hätten auch nicht zu einem Sofia-Coppola-Film gepasst. Und darin bestand für Kritiker das Problem des Films: Die französische Königin als Candy- und Material Girl? Die Regisseurin betonte, sie habe die subjektive Sicht der jungen Frau und ihre Tristesse inmitten von Prunk schildern wollen. Doch die Kritiker nahmen ihr die fehlenden historischen Zusammenhänge übel. 

In Cannes 2006 hatte Marie Antoinette Weltpremiere - und ging leer aus. Am besten ist Coppola eben doch in der Jetztzeit.

Closing Night And The Tempest Premiere:67th Venice Film Festival

Quelle: Getty Images

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Und wie lebt Sofia Coppola, die bei öffentlichen Auftritten oft einen leicht verträumten Eindruck erweckt, privat?

Man könnte sie sich gut als Kronprinzessin in einem hohen Turm vorstellen - ausgerüstet allerdings mit einem Fernglas, mit dem sie ganz nah an das Wuseln unter ihr heranzoomt. Ohne selbst in das Chaos hineingezogen zu werden.

Tatsächlich lebt sie, nachdem ihre Ehe mit Regisseur Spike Jonze 2003 in die Brüche ging, in zweiter Ehe mit Thomas Mars, Sänger der französischen Rockband Phoenix und den beiden gemeinsamen Kindern abwechselnd in den USA und in Frankreich. Die Namensgebung ihrer Töchter, Romy (geboren 2006) und Baby Cosima (2010), sei eine Hommage an die deutsche Kultur (Romy Schneider und Cosima Wagner), der sie sich durch ihre deutsche Großmutter väterlicherseits besonders verbunden fühle, verriet sie in einem Interview.

In einer durchgestylten Hollywood-Villa mit türkisfarbenem Pool und Leopardenkissen kann man sich Sofia Coppola jedenfalls nicht vorstellen. Was nicht bedeutet, dass sie sich in der Welt der Celebrities nicht ganz genau auskennt - im Gegenteil: 

Themendienst Kino: Somewhere

Quelle: dapd

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Sofia Coppola ist in der Lage, die gar nicht heile Hollywood-Welt hellsichtig zu durchleuchten. Mehr denn je in ihrem neuen Film Somewhere, der im September in Venedig Premiere hatte und an diesem Donnerstag in die Kinos kommt. Stephen Dorff (links im Bild) spielt Johnny Marco, einen Schauspieler, der als hoffnungsvoller Newcomer startete und dann ziemlich schnell nachgelassen hat. Was auch auf Stephen Dorff zutrifft. Offenbar also wieder eine weise Schauspielerwahl. Und eine mutige.

Johnny ist, wie könnte es anders sein, wurzellos und lebt im Hotel. Diesmal dienen die Räume des legendären Chateau Marmont als Hintergrundkulisse. Eigentlich ist Johnny der Durchschnitt in Person. Aber das darf er natürlich niemandem verraten.

Erst als seine elfjährige Tochter Cleo (Elle Fanning, rechts im Bild) ihn besucht, merkt er, dass sein Leben hinter der prominenten Fassade ziemlich leer ist. Dann reist sie ab und er, ja richtig, bleibt einsam und verloren zurück.

Könnte es etwa sein, dass Sofia Coppola die immer gleichen Themen Einsamkeit und Isolation einfach unterschiedlich durchspielt?

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Quelle: AFP

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Und warum wird es dann trotzdem nie langweilig, ihren Protagonisten bei der eigenen Nabelschau zuzuschauen, während sonst nicht viel passiert?

Darin liegt das Geheimnis der fabelhaften Mrs Coppola und ihrer besonderen Bildsprache. Jüngst wurde Somewhere in Venedig mit dem Goldenen Löwen (Foto) für den besten Film ausgezeichnet. Doch längst nicht alle freuten sich mit ihr.

Sofia Coppola

Quelle: AP

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Neben Applaus gab es bei der Preisvergabe in Venedig auch Buhrufe. Manche buhten, weil Berlusconi den Film über seine Firma Medusa mitproduziert hatte. Andere, weil Quentin Tarantino als diesjähriger Jurypräsident auch Sofias Exfreund ist. Was eine naheliegende Erklärung für viele Italiener zu sein schien, warum die heimischen Beiträge diesmal leer ausgingen.

Auch eine sehr erfolgreiche Tochter aus sehr erfolgreichem Hause hat es eben nicht immer leicht. Wenn sich aber jemand mit dem Vorwurf der Vetternwirtschaft auskennen sollte, dann sie. Alles andere als zartbesaitet und sehr stolz wirkte sie dann auch bei der Preisübergabe auf der Bühne.

Celebrity Sightings - Day Three:67th Venice Film Festival

Quelle: Getty Images

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Womöglich sind ihr Ereignisse dieser Art schon wieder Inspiration für künftige Filme. Und vielleicht stellt sie, während sie leicht weltentrückt auf der Bühne lächelt, insgeheim schon den passenden Soundtrack zusammen. Vielleicht wird sie in einem nächsten Film schon die leise, aber doch deutliche Antwort auf Neid und Missgunst geben.

© sueddeutsche.de
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