Süddeutsche Zeitung

Im Kino: "Watchmen - Die Wächter":Die dunkle Ritterin

Mobbing, Rivalität, Vergewaltigung in unförmigen Latex-Kostümen: Zack Snyder hat aus dem legendären "Watchmen"-Comicroman einen Rentnerfilm gemacht.

Fritz Göttler

Der zweite Rentnerfilm, der diese Woche in unsere Kinos kommt, neben Clint Eastwoods "Gran Torino". In beiden Filmen der gleiche Groll über das Ausgemustertwerden, die Geringschätzung und Undankbarkeit der Gesellschaft, gemischt mit hilfloser Wut über den desolaten Zustand der Welt, der langsam irreparabel erscheint. Der Rentnerfilm, ein neues Genre, das in Zukunft die Zuschauergenerationen zusammenführen könnte?

"Watchmen" spielt gewissermaßen in der Dämmerung der Dirty-Harry-Ära. Das Jahr ist 1985 - kurz danach erschien, in zwölf Folgen, der Comic-Roman von Alan Moore und Dave Gibbons, der heute Kult ist und dessen Buchausgabe auf einer Time-Liste zu den hundert wichtigsten amerikanischen Romanen gezählt wurde. Das Jahr 1985 also. Die fünfte Amtszeit von Präsident Nixon steht bevor. Aber die law enforcers, die man gemeinhin mit seiner Herrschaft verbindet, die Superhelden mit dem Outlaw-Charakter, haben ausgedient.

Der Keene Act hat ihnen in den Siebzigern offiziell ihre segensreiche Tätigkeit untersagt - obwohl sie sich nachhaltig verdient gemacht hatten: 1971 hat der geisterhafte blaue "Dr. Manhattan" durch seine Intervention den Vietnamkrieg beendet. 1979 hat der hartgesottene "Comedian" die Geiseln in der Botschaft in Teheran befreit. Auch beim Kennedy-Attentat sollen sie dabei gewesen sein, und bei der Ermordung der Journalisten Woodward und Bernstein - bevor diese Watergate publik machen konnten.

Eine Parallelhistorie also, eine alternative Welt, die noch genügend Ähnlichkeit mit der unsrigen hat, um Schrecken zu verbreiten. In der der Kalte Krieg extrem eskalierte, die Uhr, auf der die Bedrohlichkeit einer atomaren Katastrophe angezeigt wird, ist von den Wissenschaftlern auf fünf vor zwölf gestellt worden. The times they are a-changing . . . der Dylan-Song gibt den Rhythmus vor, die Perspektive, die historische Dimension, die Stimmung, in der hier Geschichte (re)konstruiert wird.

Der Film macht noch mal deutlich, wie stark die Supermann- mit der Noir-Tradition verflochten ist. Der Anfang ist beklemmend und faszinierend, ein Killer, der in ein Hochhaus-Apartment eindringt und den Mann erledigt, der dort rumflegelt. Der Mann ist der Comedian, einer der unbelehrbarsten Ex-Superhelden. Er setzt sich wohl zur Wehr, aber man spürt seine Erschöpfung - womöglich ist er sogar ganz froh, dass endlich Schluss ist mit der Kraftmeierei.

Die ganze Arbeit, die Amerikas Superhelden leisten, konnte nur so effektiv sein, weil sie ein unglaublich selbstzerstörerisches Potential ausbeutet. Der Sturz des Comedian ist wie eine Erlösung. Aus Angst vor einem Komplott will ein Exkollege den Tod aufklären, Rorschach, dessen Maske wie im berühmten Test schillert. Der Superheld als Schizo, er glaubt weiter an den Sinn der Selbstjustiz, aber er weiß, die Welt ist nicht mehr einteilbar in Weiß und Schwarz, in Gut und Böse.

Eine brutale Geschichte, und der Film mildert diese Brutalität nicht ab. Selten brutal ist auch die Entstehungsgeschichte des Projekts. Zwei große Studios, Warner und Twentieth Century Fox, haben sich bis Januar vor Gericht bekriegt, wer denn nun eigentlich die Rechte an dem Stoff hat, und eine Zeitlang sah es so aus, als würde der zuständige Richter in L. A. den Start verschieben lassen, bis die Rechtslage eindeutig geklärt wäre - eine schaurige Vorstellung für Warner, die schon Millionen Dollar in die PR-Maschine pumpten.

Nun haben sich die beiden geeinigt, Warner bringt den Film heraus, die Fox wird abgefunden und am Einspiel beteiligt. Schuld an dem Schlamassel war der Produzent Lawrence Gordon, der die Rechte erworben und dann mehrfach verschoben hatte - eins der notorischen Turnaround-Projekte, die die Produktion in Hollywood nicht unbedingt übersichtlicher machen. Gordon ist gewissermaßen Hollywood-Urgestein, er hat Erfolgsfilme von "Die Hard" bis "Field of Dreams" auf seiner Liste.

Auf einem zweiten Kriegsschauplatz tummelt sich die Watchmen-Fangemeinde. Der Autor Alan Moore liebt das Kino, aber nicht die Verfilmungen seiner eigenen Werke - bislang: "From Hell", "The League of Extraordinary Gentlemen" und "V for Vendetta". In den Credits der "Watchmen" taucht sein Name nicht auf, denn er findet, die graphic novel sei eine einzigartige Kunst. In der Tat, man sträubt sich beim Lesen der "Watchmen" gegen die Vorstellung einer Verfilmung wie bei "Ulysses".

Wie Eastwood seinen Gran Torino

Der Regisseur Zack Snyder, ein Fan, hat den wohligen Schauder der völligen Unüberschaubarkeit des Romans - und des Geschehens, das er schildert - so gut wie möglich zu wahren versucht. Seine Kinoversion ist über zweieinhalb Stunden lang, für die DVD hofft er auf über drei. Zack Snyder fühlt sich sichtlich wohl ohne große Autoren-Ambitionen, als getreuer Diener seiner Vorlagen, das hat er mit dem erfolgreichen "300" bewiesen, der Kinoadaption von Frank Millers Thermopylen-Comic. Geschichte hat bei ihm einen Panoptikumseffekt, wird deutlich als Simulation - in einem kleinen Schnipsel zum Kennedy-Mord exemplarisch vorgeführt.

Auch "Watchmen" neigt zu antiker Größe, einer der Ex-Supermänner hat zum Vorbild Alexander den Großen und legt sich daher den Künstlernamen Ozymandias zu. Im wirklichen Helden vermarktet er seinen eigenen Ruhm, aber insgeheim hat er Vorstellungen, den gordischen Knoten der atomaren Bedrohung durchzuhauen, die erschreckend sind. Aber Weltrettung ist nun mal ein schmutziges Geschäft, ist immer global ausgerichtet, also imperialistisch und faschistoid. Wer die Welt rettet, dem wird sie am Ende auch gehören. Ganz zu schweigen von den privaten Problemen der Superhelden - man kennt das seit "Batman" oder "The Dark Knight".

Die "Watchmen" erleben permanent Mobbing, Rivalität, Vergewaltigung. Sie können den Verschleiß nicht kaschieren, wenn sie doch noch mal ihre unförmigen Latex-Kostüme aus dem Schrank holen - einer von ihnen, Night Owl II, holt zudem sein Fluggerät aus der Remise, so wie Eastwood seinen Gran Torino. Sie wissen, dass sie das Geschehen nicht mehr kontrollieren, wohl niemals kontrolliert haben. Who watches the watchmen - die berühmte Formel führt dann doch direkt in die Wirklichkeit der Bush-Welt. Jede Ordnung hat ihren blinden Punkt. Selbst die aufgeklärteste Gesellschaft lebt vom einkalkulierten Kollateralschaden.

WATCHMEN, GB/USA 2009 - Regie: Zack Snyder. Buch: David Hayter, Alex Tse. Nach der graphic novel von Alan Moore und Dave Gibbons. Kamera: Larry Fong. Mit: Jackie Earle Haley, Malin Akerman, Billy Crudup, Matthew Goode, Carla Gugin. Warner, 163 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 5.3.2009/korc
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