Im Kino: "Tropic Thunder":Idioten im Herzen der Finsternis

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In Ben Stillers "Tropic Thunder" werden nicht Behinderte, sondern Hollywood-Pathos und Vietnamfilm-Klischees auf die Schippe genommen.

Rainer Gansera

Die irrwitzigste Szene: der Fuck-you-Hip-Hop-Tanz des Filmproduzenten Les Grossman. Wie ein diabolischer Derwisch wirbelt dieser Hollywood-Mogul, dem das Schicksal seiner Schauspieler - sie werden von der vietnamesischen Drogenmafia gerade gefoltert - keinen Pfifferling wert ist, durch sein luxuriöses Büro, und man entdeckt erst auf den zweiten Blick, wer das ist: Tom Cruise, verpackt in eine groteske Maskerade aus Schaumstoff-Fettpolster, Brusthaarfell und Plastikglatze.

Ben Stiller (Mitte) trifft mit "Tropic Thunder" ins Zentrum aktueller Verlogenheiten. (Foto: Foto: AP)

Ein Gagakostüm, das ihm irgendwie gut steht. Hier kriegen alle ihr Fett ab: Autoren, Agenten, Regisseure, Rapper, Pandabären und Schauspieler, die Sachen sagen wie: "Ich lese nicht das Drehbuch, das Drehbuch liest mich." Aber dem Produzenten wird das dickste Fettpaket verpasst.

Die stärkste Figur: Robert Downey Jr. als Kirk Lazarus. Ein australischer Schauspieler, der bereits fünf Oscars gewonnen hat und dafür berühmt ist, sein Method Acting bis ins Extrem zu treiben. Wenn er in die Haut des afroamerikanischen Soldaten Lincoln Osiris schlüpfen soll, lässt er sich seine Haut mittels Operation schwarz pigmentieren. So steht er dann im Dschungel, kämpft um seine Identität und formuliert in breitestem Ghettoslang: "Ich weiß, wer ich bin: Ich bin der Typ, der'n Typ spielt, der sich als anderer Typ verkleidet." Im zumeist brachialen Tempo des Gagspektakels gewinnt Downeys Lazarus beinahe philosophische Konturen.

Die Story: Der "gigantischste Vietnamkriegsfilm aller Zeiten" mit dem Titel "Tropic Thunder", ein Mix aus "Apocalypse Now" und "Rambo", soll gedreht werden, und am Dschungelset ist wirklich die Hölle los. Die Egos der überaus zickigen Hauptdarsteller krachen aufeinander, der britische Regiedebütant (Steve Coogan) grübelt über dem Drehbuch, und der Pyrotechniker lässt sein Feuerwerk hochgehen, bevor die Kameras laufen.

So ist am fünften Drehtag bereits das gesamte Budget verpulvert und der Drehplan zwei Monate im Rückstand. Was tun? Ein Vietnamveteran (kantig und grimmig: Nick Nolte), auf dessen Memoiren alles beruht, findet die Lösung: Wir setzen die Schauspieler im Dschungel aus und filmen ihren Überlebenskampf mit Videokameras im Dogma-Guerilla-Stil. So geschieht es, dass die Darsteller, die sich in abenteuerlichen Dreharbeiten wähnen, in den Kugelhagel vietnamesischer Drogenclans geraten.

Fulminanter Beginn: mit drei Fake-Trailern stellt Ben Stiller - Regisseur, Hauptdarsteller, Ko-Autor, Ko-Produzent des Films - die drei Hauptakteure vor und entwirft dabei herrliche Porträts blasierter Schauspieler-Eitelkeiten und Primadonnen-Posen. Lazarus wird gezeigt, wie er seine fünf Oscars umschlungen hält, für einen Film, in dem er als schwuler Mönch einem Zögling an die Kutte geht.

Gegen die Oscarversessenheit

Der drogensüchtige Komiker Jeff "Fats" Portnoy (Jack Black), der sich bislang in den Niederungen von Flatulenz-Comedies tummelte, will einen Rollenwechsel ins ernste Fach. Sich selbst gibt Ben Stiller die Rolle des Actionstars Tugg Speedman, der nach dem Scheitern seiner letzten Actionepen als "Simple Jack" auf Oscarkurs gehen wollte - ein geistig behinderter Farmer, der glaubt, dass alle Tiere ihn verstehen könnten, in der Manier von "Forrest Gump". Irrtümlicherweise. Also erprobt er sich nun als muskelbepackter Rambo-GI im Ambiente des Kriegsfilmpathos.

Das Missverständnis: Schon diese Trailer-Trilogie macht klar, dass die satirischen Attacken von "Tropic Thunder" gegen den Hollywood-Zirkus im Allgemeinen und gegen die Oscarversessenheit von Schauspielern im Besonderen gerichtet sind. Wenn im Vorfeld des US-Starts Behindertenorganisationen zum Boykott des Films aufriefen, weil sie den "Simple Jack"-Part anstößig fanden, dann entspringt das einem vorsätzlichen Missverständnis. Ben Stillers Komik zieht alles durch den Kakao, was in Hollywood per Oscar geadelt wird, etwa so wie im antiken Theater die Tragödie durch das Satyrspiel travestiert wurde.

Alles wird ins Visier genommen, die tumbe Naivität des Newcomers und der Opportunismus des Energydrink-Rappers, der Krieg-ist-Hölle-Realismus à la "Saving Private Ryan" und der "authentische" Dogmastil, auch die pyrotechnischen Donnerwetter, die wie große Blähungen erscheinen. Manchmal sind die Gagbombardements nur Getöse, manchmal bleibt das Zähnezeigen Grimasse - zumeist aber trifft Ben Stiller ins Zentrum aktueller Verlogenheiten.

TROPIC THUNDER, USA 2008 - Regie: Ben Stiller. Buch: Stiller, Justin Theroux, Etan Cohen. Kamera: Jon Toll. Mit Ben Stiller, Jack Black, Robert Downey Jr., Nick Nolte, Tom Cruise, Tobey Maguire. Universal, 107 Minuten.

© SZ vom 18.09.2008/sst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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