Süddeutsche Zeitung

Im Kino: Troja:Ein Amerikaner ist Paris

Was kommt dabei heraus, wenn Wolfgang Petersen es einmal richtig krachen lässt? Richtig: das völlig verwüstete Troja mit Sandalenhelden aus dem 64-Bit-Betriebssystem-Zeitalter.

FRITZ GÖTTLER

Eine Stadt ohne Format

Wahrscheinlich hätte es ihm erst mal die Sprache verschlagen, dem Athener Erfolgsautor Aischylos, dem großen alten Mann der griechischen Tragödie, wenn er mitgekriegt hätte, was sich sein junger Kollege David Benioff in unbekümmerter Hollywood-Manier für das Finale des neuen Troja-Films ausgedacht hat, das Schicksal des Heerführers Agamemnon betreffend.

Wenn das, was eben diesem Recken nun durch das Messer des wilden Mädchens Briseis widerfährt, als die offizielle Version der Geschichte deklariert werden würde, wäre fast die Hälfte des von Aischylos überlieferten Werkes, die Atriden-Trilogie, mit einem Schlag Makulatur geworden.

Doch genug der altphilologischen Mäkeleien, man weiß, dass sich Hollywood durchaus redlich bemüht, zwischen historischer Treue und poetischer Freiheit seine literarischen und historischen Vorlagen filmisch zu adaptieren. Was in diesem Fall nicht ganz einfach war, weil das überlieferte Material nicht so viel hergab.

Das stellte der Ausstatter Nigel Phelps fest, als er sich die Skizzen des historischen Troja im British Museum in London vornahm - die Stadt hatte kein Format, weshalb er sein Film-Troja aus einem Bündel verschiedener architektonischer Stile schuf. Als eine Stadt ohne eigenen Stil, das heißt ohne Zukunft.

Eine Stadt, die Dekor und Kulisse bleibt, ohne sich mit Leben zu füllen -das ist das Schlimmste, was in einem Historienfilm passieren kann. In einem Genre, das davon lebt, das Praktische mit dem Poetischen zu verbinden, die Nützlichkeit mit der Schönheit - so wie Homer es allemal vormacht, mit seinen detailsüchtigen Beschreibungen von Schildern und Gewändern und von den kraftvollen Bewegungen, mit denen ein Speer sich in einen menschlichen Körper bohrt, und den Verletzungen, die er dabei anrichtet.

Hier bleibt der Film oft merkwürdig unentschieden - was die Rüstungen oder die Schilde angeht, die bizarre Rundungen und Löcher aufweisen, oder die vertrackte Kampftechnik des Achilles, die manche amerikanische Kritiker an Jackie Chan erinnerte, oder die steifen Sentenzen, die David Benioff, der in "25 Stunden" so fabelhaft gearbeitet hat, den Darstellern in den Mund gelegt hat.

Nur eine nächtliche Attacke mit rollenden Reisigbündeln, die sich in der Bewegung entzünden und das Lager der Griechen verwüsten, hat die Schönheit und Eleganz, wie man sie, zum Beispiel, an Hawks' "Land der Pharaonen" liebt.

Natürlich dachte man gleich an "Le Mépris", als man vor Jahren las, dass ein deutscher Regisseur mit amerikanischem Geld Homer verfilmt, Jean-Luc Godards legendäre Apotheose des amerikanischen Kinos in seiner Endphase, mit Jack Palance als Produzenten einer Odyssee-Verfilmung (Motto: "Gods, I like gods. I know exactly how they feel.") und Fritz Lang als seinem ausgebeuteten, alten Regisseur.

Ja, Fritz Lang wäre wohl einer der wenigen gewesen, die mit Homer etwas anzufangen gewusst hätten, genauso wie Raoul Walsh oder Otto Preminger oder Joseph Losey.

Aber natürlich kommt man mit "Mépris" auch in diesem Fall nicht wirklich weiter, weil Wolfgang Petersen ganz andere Qualitäten und Mängel und Visionen hat als Fritz Lang, und weil die Odyssee eine völlig andere Geschichte ist als die Ilias.

Mit dem listenreichen Odysseus hat sich Hollywood ziemlich leicht anfreunden können, seinen märchenhaften Abenteuern, seiner Guerilla-Taktik. Das schwere Schlachtengemälde der Ilias blieb dagegen am Rande - nur einmal, 1980 wurde es in großem Stil verfilmt, als Hollywood sich nach allen Stoffen streckte, um seine Scope-Leinwände zu füllen.

Wolfgang Petersen ist natürlich kein Naiver. Also präsentiert er die Führerschaft der glorreichen Griechen als eine Versammlung alter Männer - einen Kritiker hat das an die aufgeschwemmten zotteligen Führer einer amerikanischen Bikerbande erinnert.

Natürlich sind sie geil auf junge Frauen, Menelaos (Brendan Gleeson) will die schöne Helena (Diane Krüger) nicht aus seinen Klauen lassen, Agamemnon (Brian Cox) schnappt sich die erbeutete Briseis, um Achilles eins auszuwischen.

Dieser Agamemnon ist ein wüster Hund, ein Machtpolitiker par excellence - die Sache mit dem gehörnten Bruder ist ihm ziemlich egal, aber der Skandal passt perfekt in seine Welteroberungspläne.

Die geraubte Helena fungiert als Gimmick wie die Vernichtungswaffen für Bush und Blair. Ein Film über die Mechanismen der Politik also, aber auch ein Film vom Krieg.

In starken Close-ups zeigt er Kämpfe Mann gegen Mann, vehement und blutig, und in atemberaubenden Totalen fliegt er über die Zehntausende Krieger, von denen der "Omaha Beach" vor Troja wimmelt.

Dazwischen aber gibt es keine Halbtotalen oder Halbnah-Einstellungen, die vermitteln könnten zwischen den Individuen und dem Gemetzel, die einen Eindruck geben könnten, wie aus dem einzelnen Ereignis sich ein Mythos entwickelt.

Es ist das gleiche Problem, das man zwei Jahre lang an der monumentalen Heldengeschichte im "Herr der Ringe" studieren konnte. Petersen und Benioff haben die Götter restlos rausgeschmissen aus ihrem Film, die alten Zänkerer, Eifersüchtler und Streithansln, die gern intervenieren wenn es um das Schicksal großer Helden und Völker geht.

Sie haben Troja zu einer Musterstadt gemacht, von edler Einfalt und stiller Größe, mit Eric Bana als besonnenem Hektor und dem alten Peter O'Toole als Priamos, mit unglaublicher Leuchtkraft in den Augen. Ja, dieses Troja ist die Zivilisation, und als solche völlig uninteressant und langweilig.

Wie von selbst schlägt man sich auf die Seite des überzüchteten Achilles, von Brad Pitt mit hochtrainierten Armmuskeln und zartem Hinterteil gespielt, im Grunde seines Herzens aber eine Diva, die im Zelt auf den nächsten Auftritt.

Nur einmal wird er sentimental, verletzlich. Die Götter beneiden uns, erläutert er Briseis. Denn nur durch die Möglichkeit zu sterben, durch die Gefahr des Todes wird es überhaupt möglich, die Kostbarkeit des Lebens auszukosten.

Da wird der Film erstmals lebendig - ein Diskurs über die Leere der menschlichen Existenz. Und die Hoffnung auf Unsterblichkeit - dass wenigstens der Name bleiben möge.

TROY, USA 2004 - Regie: Wolfgang Petersen. Buch: David Benioff. Kamera: Roger Pratt. Musik: James Horner. Schnitt: Peter Honess. Produktionsdesign: Nigel Phelps. Mit: Brad Pitt, Eric Bana, Orlando Bloom, Diane Kruger, Brian Cox, Sean Bean, Brendan Gleeson, Peter O'Toole, Saffron Burrows, Rose Byrne, Julie Christie. Warner, 162 Minuten.

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SZ v. 12.05.2005
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