Süddeutsche Zeitung

Im Kino: "Thor":Sturm und Strafe

Auch Götter sind in ihrer Jugend renitent: Kenneth Branagh lässt es im Marvel-Comic-Film "Thor" mit Natalie Portman und Anthony Hopkins tüchtig krachen - ein irrwitziger Effektmarathon.

David Steinitz

Auch Götter sind in ihrer Jugend renitent, "rebels without a cause". Thor, der Donnergott, zum Beispiel befindet sich in einer außerordentlichen Sturm-und-Drang-Phase, als er, gegen den Willen von Vater Odin (Anthony Hopkins), beinahe einen Krieg anzettelt - und deshalb zur Strafe auf die Erde verbannt wird.

In einem irrwitzigen Effektmarathon beschwört Kenneth Branagh im ersten Drittel seiner Comicverfilmung "Thor" das wilde Götterreich Asgard herauf und stellt damit die Genredramaturgie gewaltig auf den Kopf - um die entscheidende Frage gleich zu klären: Unzählige Blog-Diskussionen unter Fans hatte es gegeben, ob Branagh, der Shakespeare-Mann, ein solches Actionspektakel auf die Reihe bekommen würde. Nun, angesichts des fertigen Films, wird gemurrt, er trüge keine erkennbare Branagh-Handschrift - sei reines Handwerk!

Aber auch ein Donnerspektakel muss man entfesseln und beherrschen können, das Getümmel stimmig choreografieren, in Inszenierung und Schnitt. So mancher europäische Filmemacher hat sich da mit Hollywood-Großprojekten, rein handwerklich, gehörig verhoben.

Nach der furiosen Entscheidungsschlacht landet Thor (Chris Hemsworth, muskulöser als Brad Pitt in "Troja") spektakulär im Exil. Ein desillusionierender Ortswechsel, denn vom pompösen Asgard plumpst er in die Wüste von New Mexico, die Kleinstadt Puente Antiguo ist ein richtiges Kaff. Das Leben im Frontier-Bereich des Götterwesens, eine Art Studienaufenthalt, verlangt Umstellung - vom verdutzten Verkäufer eines Kleintierladens verlangt Thor herrisch ein Pferd. Autoritätsprobleme - Vater und Sohn, Schöpfer und Kreation - haben Branagh schon öfters beschäftigt, etwa 1994 in seiner "Frankenstein"-Verfilmung. Und die Filmvorlage, die Comic-Serie "The Mighty Thor", starteten die die Marvel-Veteranen Stan Lee und Jack Kirby 1962, als gerade eine Menge junger Männer heftig gegen ihre Väter zu revoltieren begannen.

Auf der Erde wird Thor von der Astrophysikerin Jane Foster aufgegabelt - Natalie Portman mit ihrem ganzen Vor-Black-Swan-Charme. Sie hilft dem hammerlosen, seiner Kräfte beraubten jungen Wilden, der sich auf die Stufe der Selfmade-Superheroen reduziert sieht, die sich ihre Power erst durch Schweiß verdienen müssen.

Auch Branaghs "Thor" treibt, wie schon "Iron Man" und "Batman", die Selbstbesinnung, die Selbstreflexion des Helden in ungeahnte Höhen. Und verordnet ihm quasi shakespearische Unbefangenheit. Nur kurz darf Thor - dessen Donnerhammer doch ein Symbol von Potenz und Fruchtbarkeit ist - seine Jane im Arm halten, ein keuscher Kuss zwischen Wissenschaft und Mythos.

THOR, USA 2011 - Regie: Kenneth Branagh. Buch: Ashley Edward Miller, Zack Stentz, Don Payne. Mit: Chris Hemsworth, Natalie Portman, Tom Hiddleston, Stellan Skarsgård, Rene Russo, Anthony Hopkins. Paramount, 115 Min.

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SZ vom 28.04.2011/dato/rus
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