Im Kino: The Tourist:Not in Venedig

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Sie pseudo-lasziv, er unsexy wie nie: Angelina Jolie und Johnny Depp können einem in "The Tourist" fast leid tun. Und für Oscar-Gewinner Florian Henckel von Donnersmarck stellt sich nun die Frage: Was kann er wirklich?

Tobias Kniebe

Es soll uns also eine Frau, von der wir den Blick nicht wenden können, in diese Geschichte hineinziehen. Hinein in einen unwiderstehlichen Sog, der von Paris nach Venedig führt, in eine Welt voller Gefahr, Versuchung, Verführung.

The Tourist

Gefahr, Versuchung, Verführung: Die Kamera müsste Angelina Jolie als Elise in "The Tourist" bloß folgen. Doch sie filmt ihr vor allem mittig auf den Hintern.

(Foto: Kinowelt)

Die Frau ist Angelina Jolie. Die Kamera müsste ihr bloß folgen. Einige Regisseure haben das vorgemacht - es funktioniert ja auch immer wieder. Selbst "Fluchtpunkt Nizza" macht es so, jener wenig bekannte französische Thriller mit Sophie Marceau, der Florian Henckel von Donnersmarck mit seinem "Tourist" (ab Donnerstag im Kino) als Vorlage diente.

Henckel von Donnersmarck aber zeigt erst einmal gar nicht Angelina Jolie, sondern die Überwachungskamera, die auf sie wartet. Und dann, im Inneren eines Lieferwagens, Polizisten von Scotland Yard oder Interpol, die lauschen und spähen und in dem Augenblick, als Angelina aus dem Haus kommt, im Videobild gleich mal ihr Gesäß heranzoomen.

Klar, denkt man da: unser Stasi-Henckel. Unser Lauschangriff-Donnersmarck. Wir hier drin im miefigen Abhörversteck, draußen das Leben der anderen, Angelina, Paris, der Hintern, Glamour.

Mittig hinten drauf

Dann springt die Kamera aber doch hinaus auf die Straße, muss sie ja auch, denn was hier gemacht wird, ist Hollywood. Sie hängt jetzt ganz offiziell an Angelina dran. Die kleine Perspektivverschiebung davor, hinein ins Polizeistaatlich-Paranoide, bewirkt aber doch sehr viel. Sie killt gleich alle Unschuld im Blick dieses Films.

Interessant auch dies: Die Kamera des französischen Films ist anfangs völlig von Sophie Marceaus Fesseln fasziniert, der Rest darf unter einem weiten Trenchcoat verborgen bleiben. Donnersmarck dagegen hält eher mittig hinten drauf. Angelina fühlt sich erkennbar nicht ganz wohl dabei. Sie sieht aus wie eine kluge Frau, die damit leben muss, dass gerade ihr Hintern gefilmt wird. Die Bürde, hier das Fantasieobjekt zu sein, gerinnt ihr zu einem wissenden, pseudo-lasziven Lächeln, das ihr bald wie festgefroren im Gesicht klebt und für den Rest des Films nicht mehr weichen wird.

Er wollte einfach Schönheit, Eleganz, Venedig, Samt und Seide. Und dazu Angelina und Johnny, die beiden derzeit begehrtesten Filmstars der Welt. Das sagt Donnersmarck jetzt in jedem Interview. Der Rest war als Etüde in Leichtigkeit geplant. Ein altmodisches Gentleman-Gaunerstück, ein Identitäts-Verwirrspiel, eine Liebesgeschichte. Wozu man sagen würde: Aber bitte, ganz unbedingt, vollkommen richtiger Instinkt.

Nur müsste man das eben handwerklich dann auch können. Daran fehlt es hier in erschreckenden Maße. Das wahre Drama ist aber noch ein anderes.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, was Donnersmarck falsch gemacht hat.

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