Süddeutsche Zeitung

Im Kino: The Green Hornet:Mein Chinese und ich

Gestern noch war der Superheld allmächtig, heute ist er auf chinesische Hilfe angewiesen. Die Comic-Verfilmung "The Green Hornet" mit Christoph Waltz ist ein böser Film über Amerika.

Jan Füchtjohann

Dies ist ein subtiler Kommentar zum Superhelden-Blockbuster. Zu jenen Filmen für minderbemittelte Elfjährige also, die sich nur für Explosionen und Schlägereien interessieren, Waffen und Autos toll und Donald-Duck-Hefte deutlich zu verkopft finden.

Moment, nein, eigentlich ist "The Green Hornet" selbst so ein Film. Es gab in den vergangenen Jahren smarte und interessant gebrochene Auseinandersetzungen mit dem Superheldentum. Diese hier, obwohl von dem sonst so hoch geschätzten französischen Videoclip-Pionier Michel Gondry, ist keine.

Was aber nicht heißt, dass sich im Dreck nicht doch leuchtende Wahrheit finden lässt. Schon immer waren Superhelden die Spiegel der amerikanischen Seele: Superman kämpfte im Zweiten Weltkrieg gegen die Nazis, Captain America verzweifelte während des Vietnam-Kriegs an sich selbst, im letzten Amtsjahr von George W. Bush interessierte sich "The Dark Knight" weniger für Batman als für den stets lächelnden, psychologisch abseitigen Schurken Joker, der überall eine Spur der Zerstörung hinterließ.

Es lohnt sich also, auch "The Green Hornet" daraufhin anzuschauen, was er über das heutige Amerika zu sagen hat.

Aufschlussreich sind besonders die Verschiebungen. Von den dreißiger bis in die fünfziger Jahre kämpfte "Die grüne Hornisse" noch im Radio, und zwar gegen Mobster, dann gegen Nazis und schließlich gegen die Kommunisten. Heute ist ihr wichtigster Feind seltsamerweise noch immer ein Russe - Christoph Waltz in seinem ersten Hollywood-Einsatz, und schon scheint ihm Quentin Tarantino bitterlich zu fehlen.

Denn dieser Chudnofsky ist leider bloß ein Drogenkrimineller, der sich die ganze Zeit fragt, ob er eigentlich noch gruselig genug ist. Die ehemalige Supermacht leidet offensichtlich bis heute unter dem Verlust ihres einzigen wirklich würdigen Gegenspielers.

Dann der Chauffeur und Sidekick des Helden: Kato (Jay Chou). Im Original stammte der am Tag nach Pearl Harbor plötzlich nicht mehr aus Japan. Heute ist Kato selbstverständlich Chinese - schließlich hat er alle Autos, Gadgets und Geräte hergestellt, die der amerikanische Held besitzt.

Und im Gegensatz zu ihm weiß er auch wirklich, wie sie funktionieren. Die Knöpfe im Superheldenauto 2011 sind chinesisch beschriftet - welches Bild brächte die globalen Machtverhältnisse besser auf den Punkt?

Schließlich der Held selbst, Britt Reid, der sich nachts in die Hornisse verwandelt. Er wird von Seth Rogen gespielt, dem Nachwuchs-Schwergewicht der amerikanischen Komödie, ist also weiß, unsportlich, aufgeschwemmt. Nichts an ihm ist super, außer vielleicht sein Haus und seine Autos, die er aber selbst nicht fahren kann. Der alte Reid von früher war ein Playboy und Lebemann, der neue ist bloß noch eine Flasche, die ihr Erbe aus besseren Tagen verjubelt, nämlich das von seinem moralisch aufrichtigen Vater aufgebaute Medienimperium.

Das besteht nicht aus einer Kette von Fernsehsendern und einem sozialen Netzwerk, sondern, seltsam nostalgisch, aus einem Zeitungsverlag. Dabei erliegt der Film immer wieder der handwerklichen Schönheit des Zeitungsmachens, den großen Papierrollen und Maschinen.

Das Finale spielt in der Zeitungsdruckerei und der dazugehörigen Redaktion, also in einem der letzten, längst tödlich bedrohten Reservate amerikanischer Qualitätsarbeit. "The Green Hornet" ist folglich eine Geschichte über Dekadenz und Verfall. Sogar die begehrenswerte Frau des Films wird von Cameron Diaz, 38, verkörpert, die pubertären Jungsphantasien langsam entwachsen ist - was den Helden in einer Szene dazu bringt, peinlich vom Herbst des Lebens zu faseln.

Dabei ist die erwachsene amerikanische Frau im Grunde die einzige, die noch halbwegs klar denken kann - bloß hat sie leider niemand eingeweiht. Vollends auf den Punkt bringt es schließlich der eigentliche Hauptdarsteller, nämlich das Auto. Es ist ein Chrysler Imperial von 1965, die potente Erinnerung an eine Zeit, in der das Imperium noch selbstbewusst war und Kriege noch Aussichten hatten, gewonnen zu werden.

Ein großer Denker hat einmal geschrieben, Helden würden niemals Kaffee trinken. Während nämlich der wahre Held seine Umwelt beherrscht, sein eigenes Bett baut und die eigene Nahrung pflanzt und jagt, kommt Kaffee meistens von weit weg. Zwischen dem Müden und seinem Cappuccino liegt ein ganzer Weltmarkt, den kein einzelner jemals überschauen oder kontrollieren kann.

Es ist daher bezeichnend, dass der tumbe "Held" im Film nur einmal wirklich verzweifelt ist: Als ihm sein Kaffee mit Schäumchen fehlt. Einen so bösen Film über Amerika konnte nur ein Franzose machen.

THE GREEN HORNET, USA 2011 - Regie: Michel Gondry. Drehbuch: Seth Rogen, Evan Goldberg. Kamera: John Schwartzman. Mit Seth Rogen, Jay Chou, Christoph Waltz. Sony, 110 Min.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2011/kelm
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