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Im Kino: "The Dark Knight":Jeder Sieg birgt eine Niederlage

Ein klinisch Schizophrener als wahres Monster: Im neuen Batman-Film, der am Donnerstag anläuft, zelebriert Heath Ledger den Nihilismus des modernen Terrors.

A. Kreye

Die Wirkung eines Actionfilms sollte sich im besten Fall auf jene wenigen Worte reduzieren, die der Maler Roy Lichtenstein als Essenz der amerikanischen Popkultur auf seinen Leinwänden verewigt hat: Blam! Whaam! Voomp! Varooom!

Genau so lassen sich auch die vier Akte und die Dynamik des neuen Batmanfilms "The Dark Knight" zusammenfassen. Mit brillantem Gespür für Rhythmus jagt Regisseur Christopher Nolan seine Figuren durch die finsteren Straßen und die kristallenen Glastürme von Gotham und Hongkong. Selbst wenn ihn dieses Gespür hie und da im Stich lässt, fängt er das leichte Schlingern des Plots sofort mit einer eleganten Wendung auf.

Überhaupt gibt es recht viel vom Blam! Da sind die Explosionen und Faustkämpfe, die Nolan für die Sehgewohnheiten eines Publikums inszeniert hat, das zwar das Aufquellen eines Feuerballs in jeder Facette auskosten, die Pirouetten eines Faustkampfes aber nur noch erahnen will.

Gefolgt vom Whaam! der dreidimensionalen Kameraführung, mit deren Hilfe sich Batman in die Häuserschluchten stürzen und mit seinem Batmobile Verfolgungsjagden absolvieren kann, die den Blickwinkel von der Totalen ins Detail rasen lassen kann, ohne dass auch nur für eine Sekunde Assoziationen an die Optik eines Videospiels aufkommen, die viele zeitgenössische Actionfilme so ermüdend macht.

Nur eine Statistenrolle für das Sonnenlicht

Das alles wird nur gebremst vom Voomp! der dramaturgischen Kehrtwendungen, die es versierten Drehbuchschreibern erlauben, die Emotionen ihres Publikums als Punchingball zu benutzen. Gefolgt vom Varooom!, wenn der Film wieder Fahrt aufnimmt, weil auf jeden dramaturgischen Rückschlag ein kräftiger Schub der Handlung folgen muss.

Nur die grellen Farben der Comictradition, die bei Lichtenstein so leuchten, hat Nolan rausgedreht und durch eine Palette dunkler Nachttöne ersetzt. Denn eines soll in jeder Einstellung klar sein - Gotham ist eine Unterwelt, in der das Sonnenlicht nur eine Statistenrolle hat.

Handwerklich ist "The Dark Knight" also grandios. Psychologie und Action halten sich die Waage, die Bilder sind von einer enormen Wucht, die Figuren perfekt besetzt und ausgefüllt.

Christian Bale spielt Batmans Alter Ego Bruce Wayne mit genau jenem gequälten Lächeln, das einem Helden gebührt, der die Last der Welt zu tragen hat, aber längst nicht mehr sicher ist, ob er sie auch tragen kann.

Aaron Eckhart meistert die Verwandlung des gefeierten Staatsanwalts Harvey Dent zum grausam entstellten Two-Face mit Bravour. Gary Oldman lässt seine manischen Züge für die Rolle des Kriminalers Jim Gordon tief unter der Oberfläche lodern.

Harlekin ade!

Sehr klug auch die Entscheidung, die Rolle von Batmans Flamme Rachel Dawes nicht mehr mit der anämischen Katie Holmes, sondern mit der raffinierten Maggie Gyllenhaal zu besetzen.

Selbst in der dritten Reihe der Nebenrollen sind Schauspieler wie Michael Caine, Eric Roberts und Morgan Freeman am Werk, die abendfüllende Filme auch allein tragen können.

Den entscheidenden Bruch mit der bisherigen Geschichte der Batman-Interpretationen symbolisiert allerdings Heath Ledgers Rolle. War Jack Nicholson als Joker in Tim Burtons "Batman" vor 19 Jahren noch der großmäulige Harlekin aus der Commedia dell'Arte, so hat Ledger seinen Joker mit der Method-Acting-Aura eines klinisch Schizophrenen zu einem wahren Monster gemacht.

Sein Lächeln ist keine Maske mehr, sondern eine Entstellung, sein Witz kein grausamer Schabernack, sondern ein anarchischer Sadismus. Wenn er schließlich am Krankenbett seines Jägers Harvey Dent sitzt und ganz reflektiert erklärt, dass sein Wahnsinn keinerlei Methode hat, dann bestätigt er nur das beklemmende Gefühl, das er beim Publikum über zwei Stunden aufgebaut hat. Mit "The Dark Knight" ist Batman ganz sicher keine Figur fürs Kinderzimmer mehr.

Sagengestalten der amerikanischen Popmythologie

Doch die Superhelden der beiden amerikanischen Comicverlage DC und Marvel waren schon immer mehr als bloße Märchenfiguren. Sie waren die Sagengestalten einer dezidiert amerikanischen Popmythologie, für die es im Europa von Asterix und Fix & Foxi nie ein Äquivalent gab.

Nicht nur weil sich die Zeichner von Anbeginn vom Pantheon der griechischen, römischen und germanischen Mythologien inspirieren ließen. Sondern weil die Superhelden ähnlich wie die Götter der Antike immer die Bürde trugen, die tiefen Ängste der kollektiven Psyche besiegen zu müssen, um so einen kathartischen Moment der Hoffnung zu schaffen.

Gerade dieser Katharsis aber verweigert sich "The Dark Knight". Warum Nolans finsterer Batman bereits Wochen nach seinem US-Start einer der erfolgreichsten Filme aller Zeiten ist, während Bryan Singers Wiederbelebung der Supermanfilme vor zwei Jahren ein solcher Flop war, sagt deswegen mehr über Amerika aus als über die Fähigkeiten der Regisseure.

Denn wenn Christopher Nolan die Katharsis den Selbstzweifeln seines Batman und dem Nihilismus seines Gegenspielers Joker opfert, dann ist das kein billiger Trick, um den Ansprüchen einer psychologisch anspruchsvollen Drehbuchmoderne zu genügen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie die Jäger immer wieder vor teuflische Alternativen gestellt werden.

Da gibt es die offensichtlichen Allegorien. Die pure Lust des Joker an der Anarchie entspricht dem Nihilismus des modernen Terrors. Nolan zitiert auch ganz direkt aus den Bildschleifen der vergangenen Jahre, seien es die Terroranschläge in New York, Madrid und London oder das zerstörte Regierungsgebäude in Oklahoma City.

Diese offensichtlichen Anspielungen werden nur dadurch abgefedert, dass Gotham wie schon in "Batman Begins" nicht mehr in New York, sondern in Chicago inszeniert wird.

Auch die genretypischen Apologien für autoritäre Staatsräson fehlen nicht. Verhörmethoden, wie sie in Abu Ghraib und Guantanamo praktiziert wurden, sind genauso nötige Mittel zum Zweck wie der allumfassende digitale Lauschangriff, wie ihn George W. Bushs Sicherheitsbehörden praktizieren.

Dieser Rechtsdrall ist aber längst Tradition des Actiongenres, in dem nicht nur John Wayne, Clint Eastwood und Bruce Willis Ikonen konservativer Weltsichten schufen.

Mörderische Abhängigkeit

Wenn sich die Kontrahenten schließlich Auge in Auge begegnen und der Joker Batman versichert, er würde ihn nie töten, der Kampf erhalte sie doch beide am Leben, dann manifestiert sich in dem kurzen Dialog die Hoffnungslosigkeit eines Krieges gegen den Terror, in dem sich die beiden Seiten in eine mörderische gegenseitige Abhängigkeit begeben haben, die einen Sieg unmöglich macht.

Nichts drückt die Ängste vor einer postideologischen Moderne allerdings so deutlich aus wie eine Charaktereigenschaft des Joker, die noch viel grausamer ist als sein Grinsen, seine reptilienhafte Gestik, sein Sadismus.

Immer wieder stellt er seine Gegenspieler, seine Jäger, ganz Gotham vor teuflische Alternativen. Ganz nach dem Motiv von William Styrons epochalem Holocaust-Roman "Sophie's Choice" müssen sie sich für eine von zwei grausamen Lösungen entscheiden. Jede Rettung birgt den Tod eines unschuldigen anderen, jeder Sieg eine Niederlage, an der der Held zerbrechen muss.

So aber wird der Kampf der Actionhelden zu einer Verinnerlichung gezwungen, die selten ist im Genrefilm. Und so wird "The Dark Knight" zur perfekten Allegorie auf eine Welt, in der die eindeutigen Deutungen einer zweigeteilten Welt nicht mehr gelten. Es geht nicht mehr um Leben oder Tod, Gut oder Böse, denn jede Handlung führt zu Leben und Tod und ist somit gut und böse zugleich.

Allzu kalkulierter Beigeschmack

Solche Ebenen werden allerdings nie zum Ballast. Sie verwandeln bestehende Ängste und Sorgen vielmehr in dramaturgischen Brennstoff. Hin und wieder werden sie zur Falle für Nolan.

Dann verschraubt sich die Handlung in allzu enge Windungen, verpassen die Actionsequenzen die letzte Ausfahrt vor der Ermüdung. Solche Schwächemomente ziehen den Film streckenweise in die Länge.

Auch der letzte Akt, der so offensichtlich die nächste, dritte Folge von Nolans Batman-Serie vorbereitet, gibt der meisterlichen Verweigerung einer Katharsis einen allzu kalkulierten Beigeschmack. Doch was letztlich in der Erinnerung bleibt, sind nicht die wenigen Schwächen und auch nicht der leichte Rechtsdrall, sondern lässt sich doch auf vier Worte reduzieren: Blam! Whaam! Voomp! Varooom! Und das ist es, was zählt.

The Dark Knight, USA 2008 - Regie: Christopher Nolan. Buch: Jonathan und Christopher Nolan. Kamera: Wally Pfister. Musik: James Newton Howard, Hans Zimmer. Schnitt: Lee Smith. Mit: Christian Bale, Michael Caine, Heath Ledger, Gary Oldman, Aaron Eckhart, Maggie Gyllenhaal, Morgan Freeman, Eric Roberts, Cillian Murphy, Joshua Harto. Warner, 153 Minuten.

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Quelle:
SZ vom 20.08.2008/pak
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