Im Kino: The Bang Bang Club:Ein Bild von einem Geier

Momente der Klarheit im Nebel undurchschaubarer Dramen: "The Bang Bang Club" reflektiert das Dilemma der Kriegsfotografen. Sind sie Zeugen der Zeitgeschichte oder Krisenprofiteure, die mit dem Elend der anderen zu Geld, Ruhm und schließlich sogar zu Pulitzerpreisen kommen?

Andrian Kreye

"The Bang Bang Club" - was für ein Titel. Was für Kerle. Was für ein Leben. "Bang! Bang!" - spätestens wenn Joe Cubas frenetischer Boogaloo-Hit mit diesem immer wiederkehrenden Refrain über die Bildmontage läuft, in der sich die vier jungen Protagonisten der titelgebenden Kriegsfotografengang auf der Tanzfläche eines Nachtclubs in Johannesburg mit ihren hübschen Freundinnen einer Nacht voller Bier, Musik und Sex hingeben, ist das Spannungsfeld des Filmes etabliert. Hier die brutale Wirklichkeit des Krieges, in der die Fotografen ohne Rücksicht auf die eigene Unversehrtheit wie Jäger auf der Pirsch der Gewalt nachstellen. Da die wohlverdiente Katharsis im Exzess.

Im Kino: The Bang Bang Club: Die Kaltblütigkeit eines Frontkämpfers: Taylor Kitsch als Kriegsfotograf Kevin Carter.

Die Kaltblütigkeit eines Frontkämpfers: Taylor Kitsch als Kriegsfotograf Kevin Carter.

(Foto: Senator Filmverleih)

Es war der Vietnamkrieg, in dem sich das Bild vom Krieg als rauschhaftes Erlebnis manifestierte. Das lag vor allem daran, dass sich dort an der Front die Popkultur der amerikanischen Kämpfer mit den Opiaten aus dem Goldenen Dreieck und dem Adrenalin des Dschungelkampfes zu einer emotionalen Stoffsammlung vermischten, die für Hollywood bis heute unwiderstehlich geblieben ist.

Die Metamorphose des Kriegsfilms vom literarischen Drama zum Popgenre begann 1979 mit der psychedelischen Wucht von Francis Ford Coppolas "Apocalypse Now" und zementierte sich 1986 in Oliver Stones "Platoon", der Infanteristen als Rockstars inszenierte.

Dieser Genre-Gestus des Rock 'n' Roll zieht sich auch durch Steven Silvers Film "The Bang Bang Club". Der erzählt die Geschichte der vier jungen südafrikanischen Fotografen Greg Marinovich, João Silva, Ken Oosterbroek und Kevin Carter, die in den Jahren zwischen Nelson Mandelas Freilassung 1990 und dem Ende der Apartheid 1994 zu Weltstars der Kriegsfotografie wurden. Den Titel gab ihnen der Redakteur der südafrikanischen Zeitschrift Living.

Hintergrundtableau für eine Heldengeschichte

Oosterbroek und Carter überlebten die Jahre nicht. Oosterbroek starb im April 1994 wenige Tage vor den Wahlen, die das Ende der Apartheid brachten, im Kreuzfeuer zwischen der National Peacekeeping Force und ANC-Kämpfern. Carter nahm sich wenige Monate später das Leben. Marinovich und Silva veröffentlichten 2001 ein Buch über diese Jahre, auf dem nun der Film basiert.

Man kann dem Film viele Vorwürfe machen. Und die amerikanische Filmkritik hat das auch ausführlich getan. Dass der Film den brutalen Kampf gegen die Apartheid zum Hintergrundtableau für die Heldengeschichte vier junger Weißer reduziert.

Dass die komplexen historischen Zusammenhänge auf Stichworte zusammengedampft sind. Dass der allzu hübsche Ryan Phillippe mit dem schauspielerischen Repertoire eines Dackelwelpen die Figur des Greg Marinovich zur Actionfigur verzerrt.

Die Kritik war allerdings nicht zuletzt deshalb so heftig, weil die US-Premiere auf dem Tribeca Film Festival in New York ausgerechnet in jener Aprilwoche stattfand, in der die beiden amerikanischen Kriegsfotografen Tim Hetherington und Chris Hondros im libyschen Misrata ums Leben kamen. Denn "The Bang Bang Club" ist auch ein nostalgischer Film, der die Rolle des Kriegsfotografen als mutigen, aber neutralen Beobachter verklärt, die es so nicht mehr gibt.

Als der echte Bang Bang Club (ein Titel, den die vier damals ablehnten) durch die Townships rund um Johannesburg zog, um die Straßenschlachten zu fotografieren, wandelte sich die Rolle des Kriegsberichterstatters knapp achttausend Kilometer nördlich in Sarajevo ganz grundlegend.

Exzess als Ausgleich

Aus den Zeugen der Zeitgeschichte wurde ein bewegliches Ziel, auf das die Kriegsfürsten ein Kopfgeld ausgesetzt hatten. Durch die Praxis des "embedded journalism" sollte in Irak nur wenige Jahre später die Unabhängigkeit der Beobachter endgültig in Frage gestellt werden.

Und doch funktioniert das moralische Dilemma, das den Film antreibt, eben nur deswegen, weil sich die vier Fotografen den Luxus einer Position zwischen allen Fronten erlauben konnten. Dass diese Position keineswegs so neutral ist, wie die Fotografen glauben, taucht immer wieder auf. Sind sie nicht letztlich Krisenprofiteure, die mit dem Elend der anderen zu Geld, Ruhm und schließlich sogar zu Pulitzerpreisen kommen?

Schlüsselmoment ist jene Szene, in der Kevin Carter mit der Kamera im Anschlag in der sudanesischen Savanne um ein kleines Mädchen herumschleicht, das sich vor Hunger auf dem Boden krümmt. Ein Geier landet hinter ihr. Carter drückt ab und macht jene Aufnahme, die auf dem Titelblatt der New York Times die Welt erschütterte und Kevin Carter einen Pulitzerpreis einbrachte.

Das Foto war jedoch auch Katalysator jener Grundsatzdebatte, die sich durch den Film zieht. Darf der Kriegsberichterstatter seine Position als neutraler Beobachter auch in so einem Moment beibehalten? Carter musste sich auf Podien und in Interviews immer wieder dieser Frage stellen.

Es gibt noch mehrere dramatische Szenen im Film, die dieses Dilemma aufwerfen. Wenn beispielsweise Greg Marinovich Anhänger des ANC fotografiert, wie sie einen vermeintlichen Schergen der Inkatha Freedom Party erst halbtot prügeln, dann anzünden und schließlich mit einem Machetenhieb töten.

Kein Raum für Reflexion

Da taucht in der Stammkneipe der vier wie ein griechischer Chor immer wieder der schwarze Fotograf auf, der sie beschimpft, letztlich doch nur die Zerrbilder vom blutrünstigen Schwarzen zu bestätigen, welche die Apartheidregierung ins Feld führt, um zu belegen, dass die Schwarzen des Landes nicht reif genug sind, um sich selbst zu regieren.

Doch vieles, was als Klischee erscheint, kommt der Wahrheit sehr nahe. Kriegsfotografen sind meist jung. Die eskapistischen Momente ihres Berufes sind verführerisch. Wer im Kugelhagel das größtmögliche Drama der menschlichen Existenz erlebt, der will, der kann sich nicht mit den Banalitäten des bürgerlichen Alltags abgeben, aus dem die meisten von ihnen ja stammen.

Der Ausgleich ist selten das Private, sehr oft der Exzess. Und weil ein guter Kriegsfotograf die Kaltblütigkeit eines Frontkämpfers, das kompositorische Gespür eines Künstlers und die analytische Beobachtungsgabe eines Reporters innerhalb von Sekunden gleichzeitig aufbringen muss, bleibt ihm selten der Raum für die Reflexion. Da aber staut sich vieles auf, das zur psychischen Last wird, für die es kein Ventil gibt - wogegen Reporter bei der Arbeit am Text oder im Schneideraum das Erlebte noch einmal verarbeiten können.

Es gibt bessere Kriegsreporterfilme als "The Bang Bang Club". Charakterstudien wie Oliver Stones "Salvador", historische Dramen wie Roland Joffes "The Killing Fields" oder Peter Weirs "Ein Jahr in der Hölle", Dokumentarfilme wie Christian Freis James-Nachtwey-Porträt "War Photographer".

Trotzdem schafft es Steven Silver, seine Figuren vor dem reinen Actiondrama zu bewahren. Der Film ist ein Blick auf eine Welt, die vor dem Hintergrund der komplexen Zeitläufte gar nicht so kompliziert ist. Denn gerade weil das Leben eines Kriegsfotografen keine doppelten Böden kennt, kann er im Nebel des Krieges jene Momente der Klarheit bannen, die das undurchschaubare Drama etwas verständlicher machen. Genauso funktioniert "The Bang Bang Club" auch als Film.

THE BANG BANG CLUB, USA 2011 - Regie, Buch: Steven Silver. Kamera: Miroslaw Baszak. Schnitt: Ron Sanders. Mit: Ryan Phillippe, Taylor Kitsch, Frank Rautenbach, Neels van Jaarsveld, Malin Akerman. Senator, 108 Minuten.

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