Im Kino: "Tage des Zorns":Im Halbdunkel

Lesezeit: 2 min

Der Noir-Thriller "Tage des Zorns" zeigt Mads Mikkelsen in Action im dänischen Widerstand. Der Bösewicht des letzten Bond-Films gerät dabei in ein Intrigen-Geflecht von Gut und Böse.

R. Gansera

Lange, ellenlange Schatten, richtige Film-noir-Schatten. Höhlenartige Räume, die nur schlaglichtartig beleuchtet sind. Gesichter im Gegenlicht, die maskenhaft undurchdringlich bleiben. Extreme Großaufnahmen: Eine Zigarette wird entzündet, ein Schlips gebunden, eine Pistole entsichert und dann die Bildschärfe von der Pistole auf die Augen des Täters verlagert.

Citron (Mads Mikkelsen) und Flame (Thure Lindhardt): Sie liquidieren Kollaborateure und gehen dabei mit kühler Präzision ans Werk. (Foto: Screenshot: www.tagedeszorns-derfilm.de)

Zwei dänische Widerstandskämpfer, die ihre Mission wie Auftragskiller eines Gangstermovies erledigen, im Kopenhagen des Jahres 1944, die durch labyrinthische Gänge eilen und Kollaborateure liquidieren.

Regisseur Ole Christian Madsen taucht alles in ein Halbdunkel, Orte und Figuren, Intrigen und Motive. Das hat streckenweise suggestive Kraft, berührt aber nicht wirklich, weil die Figuren scherenschnitthaft flach bleiben, kein charakterlich-dramatisches Volumen gewinnen.

In Dänemark erwies sich der Film, der auf "wahren Begebenheiten" beruht und im Original "Flammen & Citronen" (das sind die Decknamen der beiden Helden) heißt, als Überraschungshit (700.000 Zuschauer).

Versuch einer Vergangenheitsbewältigung

Ein Erfolg, für den es zwei Gründe gibt: Es ist der erste dänische Film, der sich mit dem heiklen, aus dem gesellschaftlichen Diskurs weitgehend verdrängten Thema von Kollaboration und Widerstand befasst und zwei als "Helden des Widerstands" verehrte Gestalten ins Zentrum stellt. Und er tut dies in den bewährten Mustern eines actiongeladenen Genrefilms.

"Tage des Zorns" ist der Versuch einer Vergangenheitsbewältigung im Gewand eines Noir-Thrillers, ein merkwürdiger Mix aus politisch-moralischer Gewissenserforschung und Genrekino.

Gewissenserforschung: Zu Beginn ist eine beinahe flüsternde Stimme zu hören: "Erinnerst du dich an den 9. April, als sie kamen und aufmarschierten - deutsche Wehrmacht, Gestapo, SS, Nazis, dänische Nazis? Wo warst du damals, was dachtest du?"

Eine Stimme, die ins Gewissen redet, und die Bilder dazu sind Schwarzweiß-Archivaufnahmen vom Einmarsch der deutschen Truppen am 9. April 1940 in Kopenhagen, auch Dokumente vom Aufmarsch dänischer Nazihorden.

Während eine Mehrheit der Bevölkerung sich mit der Besatzungsmacht arrangiert, haben sich Flame (Thure Lindhardt) und Citron (Mads Mikkelsen) einer patriotisch-antifaschistischen Widerstandsgruppe angeschlossen. Sie liquidieren Kollaborateure und gehen dabei mit kühler Präzision ans Werk.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum "Tage des Zorns" den anfangs groß ausgestellten politisch-moralischen Ambitionen nicht gerecht wird.

Bis sie in ein Geflecht von Intrigen geraten, bei dem sich die Freund-Feind-Bilder heillos verwirren und der Film auch seine Helden in eine Art Gewissenserforschung treibt.

Sie töten irrtümlich Unschuldige, sie geraten an eine hübsche Blondine, die möglicherweise Doppelagentin ist, sie werden auf den Chef der deutschen Abwehr, Gilbert (Hanns Zischler), angesetzt, der vielleicht als Undercover-Widerstandskämpfer agiert. Sie ahnen, dass ihr Auftraggeber, Winther (Peter Mygind), wahrscheinlich nur private Interessen verfolgt, und beschließen, gegen dessen ausdrücklichen Befehl, Gestapo-Chef Hoffmann (Christian Berkel) zu töten.

An der prinzipiellen Rechtfertigung ihrer Mission zweifeln Flame und Citron nicht, aber es soll kein unbefleckt strahlendes Heldenbild von ihnen entworfen werden.

Unbeantwortete Fragen

Ihre Ambivalenzen, Selbstzweifel und Irritationen könnten spannend sein, wenn sie sich als lebendige innere Dramen entfalten würden, aber Ole Christian Madsen verspielt dies in seinem Halbdunkel aus Vielleicht-Möglicherweise-Andeutungen und Genre-Action-Theater.

So bleiben die beiden pittoresk kostümierte Thrillerfiguren, behängt mit trist ausagierten Eheproblemen, einer pikanten Mata-Hari-Lovestory und prinzipiell guten Absichten.

Auch die Auskünfte über die Strukturen des Widerstands versickern in Andeutungen. Hier und da ist von kommunistischen Widerstandgruppen die Rede, irgendwann bricht der Volksaufstand gegen die Besatzer los. Wie war das Verhältnis der verschiedenen Widerstandsgruppen zueinander? Woran entzündete sich der Aufstand?

Unbeantwortete Fragen in einem Film, der sich auf Thrillereffekte kapriziert, also darauf, dass seine Helden möglichste lange Schatten werfen und in einem knalligen Showdown imposante Waffenarsenale zum Einsatz bringen. Solcherart verdampfen die anfangs groß ausgestellten politisch-moralischen Ambitionen von "Tage des Zorns" in selbstreferentiellen kinematographischen Zeichen.

Flammen & Citronen, Dänemark/D 2008 - Regie: Ole Christian Madsen. Buch: Lars Andersen, Ole Christian Madsen. Kamera: Jørgen Johansson. Musik: Karsten Fundal. Mit: Thure Lindhardt, Mads Mikkelsen, Peter Mygind, Christian Berkel, Hanns Zischler, Stine Stengade. NFP, 136 Minuten.

© SZ vom 2.9.2008/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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