Im Kino: "Super 8":E.T. ist zurück - ach nein, doch nicht

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Es malmt, röhrt und dengelt: Der Science-Fiction-Film "Super 8" weckt Hoffnungen. Doch was bahnbrechend beginnt, endet jäh in der gewohnten Pixelschlacht des heutigen Action-Kinos. Warum gelingt es dem Blockbuster-Kino nicht mehr, einen Film wie Spielbergs "E.T." hervorzubringen?

Tobias Kniebe

Natürlich geht es hier um das, was sie in Hollywood ein "Summer Movie" nennen. Einen Film also, der sich in der Hauptsaison des amerikanischen Kinos behaupten soll, dessen Bildgewalt und Dolby-Surround-Lautstärke ausreichen muss, auch die Kids in den Multiplexen zu fesseln, der nicht in vornehmer Zurückhaltung darauf warten kann, dass Oscars und Kritikerpreise und schließlich auch die Zuschauer zu ihm kommen.

"Super 8:" Ein Alien entkommt, das bald von Spezialtruppen gejagt wird, die dabei die ganze Kleinstadt in Geiselhaft nehmen. (Foto: Paramount Pictures)

Das sind die Regeln. Ansonsten aber ist das Spiel völlig offen. Man kann alles machen mit dieser gewaltigen Maschinerie - sogar brillantes Kino. Das ist die Hoffnung, die jedes Mal wieder da ist, wenn im Kino die Lichter ausgehen. Denn es gibt doch Beweise dafür, dass es möglich ist. Beim frühen Steven Spielberg zum Beispiel.

Was nun den Anfang von "Super 8" betrifft, ist diese Hoffnung einen Moment lang fast schmerzhaft zu spüren. Denn der Film ist keine Fortsetzung, er beruht nicht auf einem Bestseller oder Comicbook, er ist eine originäre Schöpfung fürs Kino - schon das ist ja inzwischen selten genug. J.J. Abrams, der sich mit "Lost" und "Alias" als entfesselter Fernseherzähler profiliert hat, der fürs Kino dann "Mission Impossible" und "Star Trek" fortschrieb - er wagt hier den Sprung zum großen persönlichen Ding. Der späte Spielberg, das kommt noch dazu, hält als Produzent quasi segnend die Hand darüber.

Und dann ist da dieses allererste Bild, das die Erwartungen nur noch befeuert. Die Halle eines Stahlwerks in Ohio, ein Arbeiter steht auf einer Leiter. Dort oben hängt, für alle sichtbar, das Schild "Days Since Last Accident - Tage seit dem letzten Unfall". Dort liest man eine Zahl, drei stolze Ziffern, die jeden Abend um einen Zähler erhöht werden - ein täglicher kleiner Sieg. Jetzt werden sie abgenommen und durch die Ziffer 1 ersetzt.

So lakonisch, so erwachsen, so fast stummfilmartig aufs Bild vertrauend und aus dem Stand eine Stimmung erzeugend ging schon ewig kein "Summer Movie" mehr los. Fast ein Versprechen: Wer hier in eine Stahlpresse gerät, der wird sich - anders als sonst im Blockbuster-Kino - wirklich wehtun.

Großäugig, unschuldig, verstört

Oder sogar sterben. Wie Joes Mutter, deren Tod hier die Unfallbilanz verschlechtert. Kurz verweilt der Film bei ihrer Trauerfeier, wo wir den 13-jährigen Joe (Joel Courtney) kennenlernen: großäugig, unschuldig, verstört. Sein Nachnahme ist Lamb. Die Fernsehnachrichten zeigen das Jahr 1979 an, und darüber hinaus noch, dass Joe mit seiner Unschuld und Verstörung nicht allein ist. Auch im Kernkraftwerk von Three Mile Island, das ein paar hundert Meilen entfernt ist, läuft gerade gewaltig etwas schief.

Joe hat einen Freund namens Charles (Riley Griffiths), der davon träumt, Filmemacher zu werden. Der lenkt ihn ab, versammelt eine Bande von Mitstreitern, um einen Zombie-Film auf Super-8 zu drehen, darunter die hübsche Alice (Elle Fanning) als Hauptdarstellerin. Zusätzlich zu der Nostalgie, die sich mit der alten Kamera und den Filmkassetten einschleicht, kommt ein Element des Selbstreferenziellen ins Spiel - Charles redet gleich altklug über die Regeln des Drehbuchschreibens daher.

Der erste Nachtdreh, von dem die Eltern nichts wissen dürfen, spielt an einer verlassenen Bahnstation. Alice verblüfft alle, weil sie überraschend tief in ihre Rolle eintaucht, da wird ein magic moment des Filmemachens beschworen. Im nächsten Moment aber rauscht ein Güterzug heran, ein Pickup-Truck stellt sich quer aufs Gleis, der Fahrer offenbar ein Selbstmörder. Dann kommt der Crash.

Es ist allerdings ein 2011er-Crash, der da über das Spätseventies-Amerika hereinbricht: da malmt, röhrt und dengelt es, als seien Titanen aufeinander losgelassen, Tonnengewichte segeln Hunderte Meter durch die Luft, und etliche Zeitlupen später sieht das Gelände aus wie ein Saurier-Friedhof des Industriezeitalters.

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restaurierten Bilder.

Diese Art von Schwerlast-Kinetik kennt man aus den "Transformers"-Filmen, an denen Spielberg ebenfalls mitschmiedet. Damit versicherte sich das aktuelle Blockbuster-Kino, das ja im Kern nur noch zusammengepixelte, schwerelose Hohlformen aufeinander loslässt, einer Illusion von Materie und Gewicht. Den jugendlichen Helden wird dennoch kein Haar gekrümmt, selbst der Fahrer des Pickup-Trucks muss blutüberströmt am Leben bleiben - er hat noch eine Funktion in der weiteren Handlung. So relativiert sich das altmodische Versprechen des Anfangs recht schnell.

Aus dem Güterzug aber entkommt ein von der Air Force gefangengehaltenes, nicht ungefährliches Alien, das bald von Spezialtruppen gejagt wird, die dabei die ganze Kleinstadt in Geiselhaft nehmen. Joe und seine Freunde wissen bald mehr als das Militär - das Wesen aus dem Weltraum versucht, ein Raumschiff zu bauen, es will eigentlich nur nach Hause. Es zeigt sogar die Gabe zur Empathie. Die Frage ist dann, ob die Menschen diese Fähigkeit vielleicht auch besitzen.

Spätestens da werden gewisse Motive, die mit Steven Spielbergs Rolle in dem ganzen Unternehmen zusammenhängen, unübersehbar. Es sind die offensichtlichen Anleihen bei seinem Frühwerk, insbesondere bei "E.T. - Der Außerirdische", der auch zeitlich in derselben Ära angesiedelt ist. Fehlende Elternteile, gefährdete Vorort-Idylle, junge Abenteurer, die ein Geheimnis bewahren müssen, die Begegnung mit einem Wesen aus dem Weltall - wenn Spielberg nicht selbst die treibende Kraft hinter allem wäre, müsste man von einem Rip-Off sprechen.

Besser versteht man "Super 8" aber wahrscheinlich als eine Versuchsanordnung. Wenn es denn stimmt, dass die "Summer Movies" der späten Siebziger und frühen Achtzigerjahre tatsächlich einen magischen Glanz hatten - lässt sich in der Gegenwart daran noch anschließen? Oder anders gefragt: Was fehlt? Und was ließe sich vielleicht wiedergewinnen?

Spielbergs "E.T." war seinerzeit, als er im Sommer 1982 in Cannes seine Weltpremiere erlebte, etwas wirklich noch Ungesehenes. Es gibt Filmjournalisten, zähe alte Knochen, deren Blick vom Vorüberziehen der Bilder ganz müd geworden ist, die schwärmen noch heute von diesem Moment der Erweckung: so ganz und gar unvorbereitet in etwas Unvergessliches hineinzustolpern.

Dorthin führt wohl kein Weg zurück - und J.J. Abrams macht eine Verschärfung der Verhältnisse praktisch zur Grundannahme. Sein Film zeigt in etwa, was mit E.T. passiert wäre, wenn er erstens nicht kulleräugig, zweitens groß und physisch bedrohlich, und drittens gleich dem Militär in die Hände gefallen wäre. Für Jahrzehnte hätte man ihn in die Verliese der Air Force gesperrt, er wäre gefoltert und gedemütigt worden, alle Basteleien mit Elektrogeräten oder gar Versuche, ein neues Raumschiff zu bauen, hätten seine Bewacher brutal vereitelt. Nach Hause telefonieren? Vergiss es.

Zwanghaft vertraute Bahnen

So weit, so deprimierend. Wirklich enttäuschend aber wird es, wenn man Abrams' gequälte Kreatur dann zum ersten Mal sieht: Diese shrimpsartige Schnauze, dieses Vagina-dentata-Mundloch mit den böse funkelnden Äuglein darüber - geht es langweiliger, generischer, uninspirierter?

Da werden Konzeptkünstler engagiert, Spitzendesigner bezahlt, Tonmodelle plastiziert, Gummiskulpturen gefertigt - und am Ende kommt doch immer nur derselbe Mist heraus. Warum? Was steuert all diese Schöpfungskraft in so zwanghaft vertraute Bahnen? Kann es wirklich die Angst vor dem Neuen sein, wo doch eine brillante Innovation bereits ausreichen würde, als neuer Spielberg gefeiert zu werden? Ein Rätsel.

E.T." war im Kern ein Film über das Mitgefühl. In Zeiten selbstzufrieden grinsender Massenmörder in Lacoste-Pullovern ist es nicht prinzipiell verkehrt, noch einmal etwas Ähnliches zu versuchen. Aber dann sagt es doch einiges, wenn man diese Intention zwar wahrnimmt - aber doch nichts fühlt. Da ist in der Tat etwas verloren gegangen.

Die Suche danach müsste bei dem Verhältnis von Intimität und Apparat beginnen, das im Blockbuster-Kino der Gegenwart ein Problem darstellt. Wirklich berührende Szenen gibt es ja nur zwischen Figuren, denen man auch näherkommen darf, die Zeit für sich einfordern und eine Verengung des Horizonts, also das Kammerspiel. Zugleich drängt es den Blockbuster-Regisseur aber stets zum Massenpanorama, zum Truppenaufmarsch, zum Feldherrnhügel.

Verschenkte Momente des Kennenlernens

Die Ausweitung der Kampfzone ist für das Genre zwar unerlässlich, im Idealfall aber ein Schlüsselmoment: Unerreicht Spielbergs Umschnitt und Travelling in "E.T.", wenn das Vorort-Haus des kleinen Elliot plötzlich komplett in Plastik verpackt ist, mit tunnelartigen Zugangsrohren, Kolonnen von Spezialfahrzeugen davor, dazu Hunderten von Männern in Masken und weißen Anzügen. Die ganze Geschichte tritt damit in eine andere, globale Dimension ein - und vor Aufregung und Sorge um die Figuren, die man da schon liebgewonnen hat, dreht sich dem Zuschauer fast der Magen um.

Die Regisseure der Gegenwart - und das betrifft sogar Spielberg selbst - dringen kaum mehr zu solchen Momenten vor. Sie geben sich selbst keine Zeit mehr, bevor sie die große Mobilmachung ausrufen, sie verschenken die Momente des Kennenlernens, sie lassen ihre ganzen Truppen gleich in der ersten Viertelstunde aufmarschieren. Der Effekt ist gering, und wenn die Uhr erst einmal tickt, gibt es kein Zurück mehr. Auch in "Super 8" folgt aus solcher Hektik nur noch der Zwang zum Chaos, zur Selbstüberbietung, zur sinnlosen Ballerei.

Das Spiel ist also wieder offen, das nächste "Summer Movie" wartet schon, und wenn demnächst die Lichter gedimmt werden, wird auch die Hoffnung wieder aufkeimen - allen Wahrscheinlichkeiten zum Trotz.

SUPER 8, USA 2011 - Regie und Buch: J.J. Abrams. Kamera: Larry Fong. Schnitt: Maryann Brandon. Musik: Michael Giacchino. Mit Kyle Chandler, Elle Fanning, J o el Courtney, Gabriel Basso, Noah Emmerich, Ron Elard, Riley Griffiths. Paramount, 112 Minuten.

© SZ vom 03.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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