Es ist verquer und verwegen und nähert sich oft dem Verbotenen an. Es ist exzessiv und erotisch und hat viel mit der schwulen Kultur zu tun.
Man kann es also nur schwer definieren, dieses Kino eines magischen Stils. High Camp oder "Kino des roten Vorhangs" sind nur Annäherungen. Zur Zeit laufen einige Filme dieser Richtung in unseren Kinos: der kanadische "C.R.A.Z.Y" von Jean-Marc Vallée, "Angel-A" von Luc Besson und vor allem Neil Jordans "Breakfast on Pluto" mit Cillian Murphy.
Der Produzent von "Breakfast on Pluto" ist Stephen Woolley, der schon viele Jordan-Filme produziert hat. Woolley, der gewiss in der Tradition eines düster-märchenhaften britischen Kinos steht, das von Michael Powell über Donald Cammell und Nicolas Roeg bis eben zu Neil Jordan reicht, hat sich nun für sein Regiedebüt einen sagenumwobenen Superdämon der Sixties als Helden ausgesucht - Brian Jones, den Hardcore-Dandy und berühmt-berüchtigten Gründer der Rolling Stones.
Von den letzten, geheimnisvollen Tagen des Brian Jones hauptsächlich handelt Woolleys Film, von den letzten Tagen auch der sechziger Jahre, vom Ende einer Utopie vielleicht. Thematisch ist "Stoned" verwandt mit Gus Van Sants "Last Days".
Aber während Van Sants Studie über das Ende von Kurt Cobain eine Meditation ist, nüchtern und streng, stellt Woolley Jones' Sterben als glamourösen, sexy Trip dar, als letzten irrwitzigen Traum über die (Un)Möglichkeit der Liebe. Allein in Woolleys ausgeklügelter Farbdramaturgie liegt eine ganze Welt der Erotik verborgen.
Als der Film beginnt, ist Brian Jones bereits tot, er treibt mit dem Gesicht nach unten im Swimmingpool seines wunderbar-verwunschenen Anwesens Cotchford Farm, das einem verschlafenen Garten der Lüste gleicht. Ausgehend von jenem Todestag im Juli 1969 entwirft Woolley ein Netz von Rückblenden, das von Melancholie, Todessehnsucht und bitterem Witz durchzogen ist. Vielleicht war der Tod Jones' größter Coup, sein größter Akt der Provokation.
Es geht Woolley nicht so sehr um eine Auflösung der bis heute nicht restlos geklärten Umstände dieses Todes - auch wenn er am Ende wie in einem Thriller eine in jüngster Zeit viel diskutierte Theorie präsentiert, in der mehr als ein Funken Wahrheit stecken könnte. Es geht ihm viel mehr um eine besondere Begegnung in einer Zeit out of time. In Cotchford Farm, das einmal A. A. Milne gehört hat, dem Autor von Winnie the Pooh, treffen nämlich zwei Männer zusammen, die vergeblich versuchen werden, in diesem Garten eine Art Unschuld wiederzufinden. Der arrogante und ausgebrannte Brian Jones begegnet dem eigentlich ausgebufften Bauunternehmer Frank Thorogood, der das Anwesen nach Jones' Wünschen verändern soll.
Es ist auch ein Aufeinandertreffen von Künstler und Prolet, von magischer Pop-Kultur und Kitchen-sink-Realismus. Ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis entsteht bald zwischen den beiden Männern, eine sadomasochistische, latent homosexuelle Beziehung, wie sie bereits in Loseys "The Servant" und Cammells "Performance" behandelt wurde. Der androgyne Brian Jones erscheint dabei immer mehr wie eine bizarre Mischung aus Rimbaud und Norma Desmond, wie eine 27-jährige, uralte Diva des Pop. "Stoned" hat also auch viel von Billy Wilders "Sunset Boulevard": der Bauunternehmer Thorogood wird gewissermaßen zum Butler eines morbiden Jones, erstaunt betrachtet er die Machenschaften der anderen Stones und ihres Managements. Wie pragmatische Business-Leute wirken dann auch Jagger und Co., als sie Jones einmal kurz besuchen und den Träumer endgültig aufs Abstellgleis schicken.
Das Ende der sechziger Jahre erklären Woolley und seine Drehbuchautoren Robert Wade und Neal Purvis, die schon zwei James-Bond-Filme geschrieben haben, als die Unmöglichkeit einer Transgression, einer nachhaltigen Grenzüberschreitung, sei es durch Liebe, Sex oder Drogen. Als große Liebe von Jones erscheint im Film Anita Pallenberg, eine gewalttätige Amour fou ist ihre Beziehung, die nur in einem Verrat enden konnte.
Pallenberg, die große, immer noch unbeschriebene Muse der Musik und des Kinos nicht nur jener Zeit, verließ Jones für Keith Richards. Es gibt einen schönen Flashback in dem Film, in dem man Pallenberg und Jones bei der Arbeit an Volker Schlöndorffs "Mord und Totschlag" sieht, einem der wenigen deutschen Filme voller Swing, Gewalt und Zärtlichkeit. Brian Jones mit seinem leuchtend blonden Haar, er ähnelt am Ende selbst Anita Pallenberg. Und so sieht ihn auch der Handwerker Thorogood, der in die Welt der Bohemiens gesaugt und wieder ausgespuckt wird.
Verwunschen und vergessen und verdammt. Was bleibt von dieser Geschichte des Brian Jones, ist Schönheit und Traurigkeit, und eine grandiose Idee von Style als Chance der Transgression. "Stoned" ist eine Sommergeschichte, dämonisch-bezaubernd, durch die die Kühle des Todes weht. Und ein Hauch bitterer Ironie. Wenn man die Stones heute sieht, Zombies des Rock'n'Roll, verdammt dazu, immer weiterzumachen, dann glaubt man das höhnische Lachen von Brian Jones zu vernehmen.
STONED, GB 2005 - Regie: Stephen Woolley. Buch: Neal Purvis, Robert Wade. Kamera: John Mathieson. Musik: David Arnold. Mit: Leo Gregory, Paddy Considine, David Morrissey, Tuva Novotny, Monet Mazur. VCL/3 Rosen. 103 Min.