Im Kino: "Stirb langsam 4.0":Der Mann für die Drecksarbeit

Braucht die Welt heute eigentlich noch einen Supercop wie John McClane? Klar, wer sollte es denn sonst machen: Bruce Willis rettet in "Stirb langsam 4.0" Amerika wieder mal vor dem Untergang.

Fritz Göttler

Bruce Willis ist der Mann fürs Grobe, gewissermaßen die Ungeschicklichkeit in Person. Ein Bursche, der durchaus zurückhaltend ins Zimmer tritt und ein feingefertigtes Spielzeug, das einem lieb und teuer ist, in die Hand nimmt, und bevor man ihm ein besorgtes "Vorsicht, das ist zerbrechlich!" zurufen kann, hat er schon ein Stück abgebrochen davon.

Bruce Willis ist zurück als John McClane, zum vierten Mal spielt er den robusten New Yorker Detektiv, der sein Leben nach dem Prinzip Durchmarsch organisiert. Die Spur, die Bruce Willis mit seinem PR-Feldzug für dieses Comeback in den Medien hinterlässt, ist etwa so breit wie die hinter John McClane am Ende von "Stirb langsam 4.0".

Alte Helden - junge Helden

Fast zwanzig Jahre ist es her, da faszinierte Bruce Willis die Kinowelt mit seinem ersten "Die Hard/Stirb langsam"- Streich, eine Weihnachtsparty in einem Wolkenkratzer musste aus der Hand von Terroristen befreit werden, und die Lift- und Luftschächte des Gebäudes wurden zu einem grandiosen Abenteuerspielplatz, auf denen John McClane, barfuß und zerzaust, sich tummelte.

1990 und 1995 kamen Teil 2 und Teil 3, für die die Perspektive sich weitete, die Zahl der Schauplätze und der Stunts sich erhöhte. Der vierte Teil entwirft nun ein ziemlich komplettes Scenario einer Inland-Katastrophe, den schlimmstmöglichen Fall eines Zusammenbruchs des öffentlichen und privaten Lebens im Post-9/11-Amerika. Wobei die Dimension des Terrors die grimmige Entschlossenheit bei Bruce Willis - 52 Jahre hat der Actionstar mittlerweile auf dem Buckel - nochmals gesteigert hat.

Gleichwohl - manchmal blitzt auch hier sogar ein wenig von der verschmitzten Sophistication auf, die er in den Achtzigern entwickelt hatte, in der Detektiv-Serie "Moonlighting" oder in den beiden Filmen, die er mit Blake Edwards gedreht hatte unmittelbar vor dem ersten "Die Hard" - "Blind Date" und "Sunset". Zwei Filme, die ganz explizit den Status von Bruce Willis als jungem Helden befragen, und die Bedeutung der jungen Helden.

Rettet die nützlichen Idioten

Braucht die Welt heute eigentlich einen Supercop wie John McClane - um diese Frage kommt ein "Die Hard"-Film nach über zehn Jahren Pause natürlich nicht herum. Fest steht, Bruce Willis braucht John McClane, heute nötiger denn je. Und unbestritten ist, dass es immer noch Spaß macht, John McClane bei der Arbeit zuzuschauen, wenn er versucht, die zerstörerischen bösen Kräfte mit nicht minder zerstörerischen Gegenkräften zu bekämpfen und dabei des Guten gern ein wenig zu viel tut. Am Ende reitet er einen mobilen Harrier der Air Force, als wäre er in einer Rodeo-Arena.

Seite 2: Formidable Stunts und Action in der Echtwelt.

Der Mann für die Drecksarbeit

Die Gegner setzen dagegen, wenn sie ihre amerikanische Apokalypse inszenieren, auf die Kraft der Computer. Eine kleine Verschwörer-Gang hat sich in die Systeme der USA gehackt, sie produziert in New York ein Verkehrschaos, indem sie alle Ampeln auf Grün schaltet, lässt ganze Städte und Landstriche in Dunkelheit versinken, und alles am 4. Juli, am Independence Day - Len Wiseman, der Regisseur, hat einst bei Roland Emmerichs "Independence Day" mitgearbeitet.

McClane rattert in den ganzen Schlamassel, weil er den Kollegen vom FBI aushelfen will und für sie einen kleinen Hacker in seiner schmuddeligen Bude verhaftet - Justin Long -, der als nützlicher Idiot, ohne es zu wissen und zu wollen, für die Terror-Gang Basisarbeit geleistet hat und nun von ihr eliminiert werden soll. Was einer wie John McClane nie im Leben zulassen wird. Die Rolle, die Bruce Willis spielt, hat Tradition im amerikanischen Kino. Der Mann, der die Drecksarbeit macht, obwohl er sie genauso beschissen findet wie alle anderen. Er macht es, weil kein anderer es macht. Man kennt das von den Rollen, mit denen John Wayne sich Jahrzehnte geplagt hat.

Ein analoger Held in einer digitalen Welt, mit diesem Markenzeichen kokettiert Bruce Willis in "Die Hard 4.0" von der ersten Sekunde an. Ein Dinosaurier. Ein Fossil. Action-Urgestein. Oft ist er in Abwärtsbewegung zu sehen, stürzt ab oder rollt über den Boden, eine abschüssige Fläche hinab. Und landet, wie eine Katze, immer auf den Füßen. Dazwischen guckt er immer wieder ungläubig, wenn die Terror-Hacker die Finger über die Tastaturen flitzen lassen.

Die kreative Seite des Terrors

Das Katz-und-Maus-Spiel, das er so gern absolviert, aus schrägen Blicken und coolen Sprüchen, verpufft ein wenig, wenn die Gegner ihre Blicke nicht heben vom Computerschirm. Dem großen Gegenspieler, Timothy Olyphant, sind die Gesichtszüge eingefroren, ein freudloser, frühvergreister Jungunternehmer aus einer imaginären Chefetage. Improvisation ist nicht sein Ding.

Sehr viel dynamischer sind ein paar seiner Mittelmänner, französischer und asiatischer Provenienz, angeführt von Maggie Q. Sie sind in beiden Welten mobil, ihr Terror hat eine kreative Seite, und das Kino hat stets mit solchen Typen sympathisiert. Sie sorgen für Unruhe und Anarchie - der Zirkus ist in der Stadt, knurrt McClane. Ein paar ihrer Stunts sind wahrlich formidabel!

Bruce Willis und sein Team haben darauf bestanden, möglichst viel in der Echtwelt, in der Realität zu drehen, frei vom Terror der digitalen Computertricks. Man sieht amerikanische Landschaften, Straßen, Industriezonen, ein Elektrizitätswerk - in ein paar Jahren hat der Film womöglich dokumentarische Qualitäten, fürs Ende des Industriezeitalters.

Getrickst wird in der Videobotschaft, die die Gang ganz Amerika zukommen lässt, eine Montage aus Dutzenden von Präsidenten-und-Promi-Sprachschnipseln, die sich zur diffusen Drohung zusammensetzt. Sehr effektiv, aber nicht ganz perfekt, stellt einer aus der Gang fest: Wir hätten mehr Nixon nehmen sollen.

LIVE FREE OR DIE HARD, USA 2007 - Regie: Len Wiseman. Buch: Mark Bomback. Nach dem Artikel "A Farewell to Arms" von John Carlin und Figuren von Roderick Thorp. Kamera: Simon Duggan. Musik: Marco Beltrami. Schnitt: Nicolas De Toth. Mit: Bruce Willis , Justin Long, Timothy Olyphant, Cliff Curtis, Maggie Q, Mary Elizabeth Winstead, Kevin Smith. 20th Century Fox, 129 Min.

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