Im Kino: "St. Trinian's":Schönste Bosheit

Brutal britisch: Rupert Everett nimmt es als Rektorin mit den schrecklichen Bewohnerinnen des Mädchenpensionats "St. Trinian" auf. An der Spitze Gemma Arterton, das neue Bond-Girl.

F. Göttler

Einmal Camilla Parker Bowles sein, ist das der Traum eines gestandenen schwulen Mannes in den besten Jahren? Rupert Everett hat ihn sich offensichtlich erfüllt in seinem Auftritt als Miss Millicent Fritton, Direktorin des berühmt-berüchtigten Mädcheninternats St. Trinian's.

Im Kino: "St. Trinian's": In bestrapster Kampfreihe: Die neue Girls-Riege des berühmt-berüchtigten Mädcheninternatas St. Trinians ist ein Produkt der Punkzeit.

In bestrapster Kampfreihe: Die neue Girls-Riege des berühmt-berüchtigten Mädcheninternatas St. Trinians ist ein Produkt der Punkzeit.

(Foto: Foto: Concorde Filmverleih)

Sie kommt daher als eine aufgetakelte Fregatte, brutal britisch, die Augen so eng fokussiert, dass sie gerade mal die Nasenspitze ihres Gegenübers wahrnehmen kann, die Zähne so hasenartig prominent, dass Jerry Lewis neidisch werden müsste.

Von dem, was um sie herum passiert, nimmt sie wenig wahr, von all den Spielchen, die man aus dem Geschlossene-Schulanstalt-Genre kennt, Schikanen und Mutproben, Spießrutenlaufen und - darum kommt man kaum herum - ungewollte Auftritte auf YouTube.

Es gibt auch Drogendeals und Elementarunterricht in den "seven rules of crime", Kidnapping, Erpressung, Betrug etc., der dann zum ganz großen Coup führt, um die Schule vor der Schließung zu retten - den Diebstahl eines wertvollen Vermeer.

Spindeldürre hexenhafte Mädchen

Das alles in schönster britischer Bosheit, und immer unter der Gürtellinie - der Erziehungsminister, Colin Firth, macht bei seiner Inspektion der Schule einen Bauchplatscher, er ist weit abgekommen von seinem Weg zum Hockeyfeld.

Der Film ist eine Ealing-Produktion, und dieser Name steht auch heute noch für die große Tradition der britischen Komödie, ein Markenname so wie Gainsborough fürs Melodram, Hammer für Horror.

Das kleine Studio im Westen Londons, das sich bis heute einen Dorfcharakter bewahrt hat, brachte zwischen 1939 und 1955 Englands große Komödien hervor - Sir Michael Balcon als Produktionschef, Robert Hamer, Alexander Mackendrick, Charles Crichton als Top-Regisseure, und Alec Guinness glänzte in Filmen wie "Ladykillers", "Der Mann im weißen Anzug" und "Lavender Hill Mob".

Mitte der Fünfziger verschwand Ealing in der Versenkung, unter anderem bei der BBC und der National Film and Television School. 2000 übernahm Barnaby Thompson die Leitung - der mit Oliver Parker den neuen Trinian's-Film inszeniert hat -, er brachte 2002 die erste Neu-Ealing-Produktion in die Kinos, "The Importance of Being Earnest" nach Oscar Wilde, nun soll, nach hundert Jahren Firmengeschichte, " St. Trinian's" für neue internationale Popularität sorgen. Once again with Ealing ...

St. Trinian's war ein Synonym für die Nationaltugend der Widersetzlichkeit in den Fünfzigern - allerdings war ausgerechnet dies kein Ealing-Produkt. Frank Launder und Sidney Gilliat haben mit "The Belles of St. Trinian's" die Serie kreiert, die es dann auf vier Filme plus einen Nachzügler brachte.

Was damals auf die Leinwand kam, hatte natürlich nicht mehr den wilden, manchmal mörderischen Drive der Vorlage, der Cartoons von Ronald Searle, dem Großmeister in Sachen Alltagsgemeinheit und -sadismus.

Ausgeburten des Krieges

Die Szenen, die er aus dem Internatsleben zeichnet, sind von gespinsthafter, gespenstischer Zartheit, umso horrender dann die spindeldürren hexenhaften Mädchen, die in unerbittlichen Ringkämpfen ineinander verschlungen sind und einen traumwandlerisch sicheren Umgang mit spitzen Gegenständen beweisen.

Es sind Ausgeburten des Krieges, Searle schuf die ersten Cartoons 1941, und als der Band herauskam, war er schon eingezogen zu den Royal Engineers und nach Asien geschickt.

Launder und Gilliat waren seit den Dreißigern ein bewährtes Dauerteam des britischen Kinos, das zweite neben Michael Powell & Emeric Pressburger.

Für Hitchcock haben sie das Drehbuch zu "The Lady Vanishes" geschrieben, der so unerhört komisch und präzise das Gewusel Europas vor dem Krieg skizziert.

Die britische Komödie hatte in den Dreißigern den rasanten amerikanischen Screwball-Vehikeln mit Kate Hepburn und Cary Grant wenig entgegenzusetzen, in Ealing war alles voll auf den insularen Markt zugeschnitten, und selbst Hitchcock, der ja schon früh nach Hollywood spähte, geriet in seinen englischen Filmen in eine charmante Trödeligkeit.

Es war dann ausgerechnet dieser Schlendrian, der den Ealing-Erfolg sicherte. Der Krieg war verantwortlich für jenes besondere Ealing-Feeling, die Isolation, die das von den Nazis bedrohte Land erlebte, hatte eine Gemeinschaft unter den Schichten und Klassen hergestellt, eine Solidarität der kleinen Gemeinden und Vororte, die der Stoff für die neuen Komödien wurde: verschworener Zusammenhalt, mit Tendenz zur reinen Anarchie.

In "Whisky Galore" geht es noch um Alkoholschmuggel, in "Adel verpflichtet" und "Ladykillers", den bekanntesten Stücken, erleben wir sehr ungewöhnliche Versuche, pekuniär und sozial schnell voranzukommen, in "The Titfield Thunderbolt" nehmen Dörfler eine alte Eisenbahnlinie wieder in Betrieb, in "Passport to Pimlico" entdecken ein paar Vorstädter, dass sie gar nicht zu England gehören, sondern zum Herzogtum Burgund, und erklären ihre Unabhängigkeit.

Als Kontrast zu Scarlett Johansson

Exzesse sind das, die heute, ein halbes Jahrhundert später, im identitätsgeplagten, global verunsicherten EU-Europa neue Aktualität kriegen.

Ein wenig schade, dass der Ealing-Neustart mit St. Trinian's dann eher in die Paukerklamotte driftet. Die kindliche Sexualität hat sich in der Tat als polymorph pervers bewährt, schrieb Freud 1905 in seinen "Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie", da war der Kinematograph zehn Jahre alt.

Die neue Girls-Riege ist ein Produkt der Punkzeit, sie treten in bestrapster Kampfreihe an mit einem Schlachtsong auf den Lippen, "Oh, uh, we're in trouble ...", an der Spitze Gemma Arterton, die demnächst im neuen Bond-Film mitspielen wird.

Sie definieren sich im Kontrast zum Mädchen mit dem Perlenohrring - Scarlett Johansson hat das Hascherl im Kino gespielt, neben Colin Firth als Vermeer.

Zwei andere Ikonen dominieren Ealing heute, am Studioeingang sind die riesigen Visagen von Lady Agatha D'Ascoyne - Alec Guinness in "Adel verpflichtet" - und von Judi Dench als Lady Bracknell in "The Importance of Being Earnest" postiert.

St. Trinian's, GB 2007 - Regie: Oliver Parker, Barnaby Thompson. Buch: Piers Ashworth, Nick Moorcroft. Nach den Bänden von Ronald Searle. Kamera: Gavin Finney. Musik: Charlie Mole. Schnitt: Alex Mackie. Mit: Rupert Everett, Colin Firth, Caterina Murino, Lena Headey, Antonia Bernath, Gemma Arterton. Concorde, 101 Minuten.

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