Im Kino: Sophie Marceau:Das unendliche Mädchen

Da ist es wieder, das Traummädchen der achtziger Jahre: "Vergissmichnicht" heißt der neue Film mit Sophie Marceau - der Titel würde auch prima zu ihrer Karriere passen.

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(Foto: Schwarz/Weiß)

Da ist es wieder, das Traummädchen der 80er Jahre: "Vergissmichnicht" heißt der neue Film mit Sophie Marceau - der Titel würde auch prima zu ihrer Karriere passen. Die Bilder. Wer kennt diese Frau? Und was fällt uns an ihr auf? Dass sie zeitlos zu sein scheint? Schön? Unverwechselbar und doch so universell? Es muss schon die Frage erlaubt sein, was aus Sophie Marceau geworden wäre, wenn sie nicht als 12-Jährige in Paris entdeckt und mit dem Teeniefilm La Boum zum Sinnbild des ewigen Mädchens avanciert wäre: Wäre sie Verkäuferin geworden, wie ihre Mutter? Gelegenheitsjobber, wie ihr Vater? Oder eine junge Mutti aus den Arondissements, wie viele ihrer damaligen Freundinnen? Eine weitere Frage drängt sich auf: Hat ihr der frühe Ruhm eher geschadet oder genutzt? Und: Ist sie wirklich das frische, unverbrauchte Ding, als das sie seit nunmehr 30 Jahren auf der Kinoleinwand verkauft wird? Schauen wir mal: Text und Bildauswahl: Ruth Schneeberger/sueddeutsche.de/kar/bgr

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(Foto: AFP)

So jung und unschuldig schlug die gebürtige Sophie Danièle Sylvie Maupu damals in der Filmwelt auf - sie hatte ihren bürgerlichen Namen in "Marceau" geändert, weil das besser klang. Ansonsten aber hatte sie wenig Ahnung davon, wie es ist, plötzlich Prinzessin zu sein - und war es wohl auch nicht: Zwar wurde ihr Erstling La Boum (im Deutschen nannte man das damals noch Die Fete) ein europäischer Kassenschlager und die damals 13-Jährige über Nacht zum Jugendidol. Für den Nachfolger La Boum 2 erhielt sie, 15-jährig, den französischen Filmpreis César als beste Nachwuchsschauspielerin (im Bild mit Filmpartner Pierre Cosso nach der Zeremonie). Doch die Rolle des Jungstars spielte sie nur fürs Publikum:

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(Foto: DPA)

Im Interview mit der SZ am Wochenende verriet sie jüngst: "Die Schule wurde über Nacht zum Spießrutenlauf. Dann zogen wir auch noch um, ich verlor meine Freunde aus dem Viertel. Und neue zu finden, als Sophie Marceau aus La Boum? Das war damals nicht leicht. Ich musste über Nacht erwachsen werden." Von dem Erfolg des Blockbusters habe sie "nicht wirklich etwas abbekommen, außer der Berühmtheit." Und einer Gage von umgerechnet 2000 Euro, die auf ein Sperrkonto eingezahlt wurden. "Es war ehrlich gesagt ziemlich brutal", erinnert sich Marceau in Anbetracht der Umstände, unter denen Teeniestars heutzutage Karriere machen: "Mittlerweile bekommen Kinder im Filmgeschäft das ganze Programm: Agent, Publizist, Anwalt, Limousine. Aber in Frankreich war man in solchen Dingen immer ein bisschen amateurhafter als in Hollywood":  "Ich musste neben der Schule plötzlich arbeiten, PR machen. Ich hatte kein Geld, wissen Sie, und niemanden, der mir half. Ich konnte nicht mehr unbehelligt Metro fahren, und für einen Führerschein war ich zu jung. Es war wie in der Falle sitzen, mit nichts. Und mit diesem Nichts musste ich nach der Schule so tun, als sei ich ein Star. Ich hatte viele Leute um mich herum, aber ich bin nicht sicher, ob sie mich beschützen wollten. Meine Eltern waren mit ihrem eigenen Leben, mit Arbeit beschäftigt. Ich war allein."

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(Foto: picture-alliance / dpa)

Und schließlich das Problem: "Ich musste zu PR-Terminen, konnte mir aber nicht mal ein neues Kleid kaufen. Heute den gelben oder den grünen Pullover? So weit reichte mein Spielraum. Und natürlich, wichtig: in der Metro immer den Kopf einziehen." Heute sagt der ehemalige Teeniestar: "So war wohl einfach die Zeit. Okay: Die Produzenten haben mich schon ausgebeutet." Und fügt hinzu: "Wobei ich das Ganze in Hollywood wohl nicht überlebt hätte, die Versuchungen, die Kleider, die Privatjets, dieser extreme Druck." Also nahm der frisch gebackene mittellose Jungstar sein Glück selbst in die Hand - und stieg aus den Produzentenverträgen aus. Dafür musste die damals 16-Jährige eine Million Franc zahlen - eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Wäre da nicht ...

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(Foto: AP)

... ein neues Angebot von einem neuen Produzenten gewesen, der ihr für den Film Liebe und Gewalt (1985) eine so hohe Gage bot, dass sie sich freikaufen konnte (hier im Bild mit Andrzej Wajda). Mit dem polnischen Regisseur des Films, Andrzej Żuławski, zog die inzwischen 18-Jährige danach aufs Land - und bekam ihr erstes Kind: "Wir lebten sehr weit ab von allem in Südfrankreich. Das Landleben. Der Friede. Das war wichtig für mich." Oft genug musste sie sich anhören, dass sie damit ihre Karriere ruiniere. "Aber ich fühlte mich gut mit meiner Entscheidung, so zu leben: abseits vom Trara, in Sicherheit. Und endlich in einer geistigen Welt: Ich habe all das nachgeholt, was ich vorher versäumt hatte; Bücher lesen, Filme sehen, Museen besuchen. Ich habe mich selber gebildet, wo ich nur konnte. Ich war mit 17 nicht scharf drauf, abends auszugehen, und es macht mir auch heute keinen Spaß. Ich habe damals viel über mich nachgedacht, darüber, wie ich jemand werden könnte. Schauspielerin zu sein ist ein Geschenk. Aber es kann auch vergiftet sein. Man muss genau überlegen, was man daraus macht. Arthouse, Drama, Action, Korsett, Komödie, ich wollte alles durchprobieren. Nicht aus taktischen Überlegungen, sondern weil man so als Schauspielerin natürlich am meisten mitkriegt." Und sie kriegte mit:

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(Foto: REUTERS)

Das Filmdrama Meine Nächte sind schöner als deine Tage schrieb und drehte Andrezj Wajda 1998 mit seiner schönen Freundin in der Hauptrolle: Ein begabter Informatiker erkrankt am Hirn, verliert das Gedächtnis - und lernt in dieser Zeit die Künstlerin Blanche (Sophie Marceau) kennen, die fortan als Geliebte mit seiner Krankheit umgehen muss. Nachdem sie das französische Kino erobert hatte, nicht zuletzt an der Seite von Gerard Depardieu und Catherine Deneuve ...

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(Foto: dpa)

... spielte sie 1994 D' Artagnans Tochter in der gleichnamigen Abenteuerkomödie, im Jahr darauf Prinzessin Isabelle in Mel Gibsons Braveheart. 1997 gab sie die Geliebte eines Adeligen in dem US-britischen Drama Verborgenes Feuer und im selben Jahr die Anna Karenina (im Bild) - die erste US-Verfilmung des Tolstoi-Romans, die tatsächlich in Russland gedreht wurde. Der internationale Durchbruch ...

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(Foto: AP/"Die Welt ist nicht genug" mit Sophie Marceau)

... gelang ihr 1999, als Bond-Girl an der Seite von Pierce Brosnan in Die Welt ist nicht genug. Und obwohl es kaum je ein schöneres Paar gegeben haben dürfte in der ästhetischen Geschichte der Bond-Filme, blieb und bleibt es bei dem einen Problem, das Sophie Marceau hat - und das gleichzeitig ihr größtes Kapital ist: Diese Frau wirkt immer wie ein Mädchen. In jedem Alter, in jeder Szene, an wessen Seite auch immer:

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(Foto: REUTERS)

Ob bei ihrem Siegeszug durch die europäischen Preisverleihungen wie hier in Cannes, 1999, ...

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(Foto: AP)

... oder bei der Verleihung der Goldenen Kamera in Berlin im Jahr 2000 (umrahmt von Armin Rohde, Wim Wenders und Sabrina Setlur): Inzwischen 35-Jährig und ein Jahr vor der Geburt ihres zweiten Kindes (Vater ist der Anna-Karenina-Produzent Jim Lemley), wirkt Sophie Marceau wie ein strahlendes Wesen von einem anderen Stern, der seinen Bewohnerinnen die ewige Jugend schenkt. Und so kam es, dass sie in der Antonioni-Wim-Wenders-Produktion Jenseits der Wolken (1995) ausschließlich den Namen "Mädchen" trägt. Seitdem hat sich an dieser Rolle wenig geändert.

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(Foto: AFP)

Geradezu grotesk: Ausgerechnet das Mädchen, das seine eigene Jugend nie richtig ausleben konnte, erst wegen der Armut seiner Eltern, dann wegen des plötzlichen Ruhmes, verkörpert seit nunmehr drei Jahrzehnten die Mädchenrolle wie kaum eine andere auf der Kinoleinwand: Im Unterschied zu Audrey Hepburn und Winona Ryder ist sie damit immer noch im Geschäft - und im Unterschied zu beispielsweise Alexandra Maria Lara schon seit drei Jahrzehnten (hier bei einem Auftritt in Cannes 2005):

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(Foto: ddp)

Die Rolle steht ihr wohl einfach zu gut zu Gesichte, als dass jemand anders sie übernehmen könnte. Das zeigte sich 2008 in der Komödie LOL - Laughing out Loud, in der Marceau, 41-jährig, die Mutter der Teenagerin Lola (Christa Theret) spielte, was eine Art Remake von La Boum sein sollte, nur eben mit Sophie Marceau als Mutter. Der Film wäre noch mehr gefloppt als er es tat, wenn nicht Sophie Marceau dabei gewesen wäre. Denn nach wie vor schafft es die Französin, ...

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(Foto: dpa)

... jedem ihrer Filme das gewisse Etwas zu verpassen - und ihre Kolleginnen, und seien sie noch so begabt und schön, schwerfällig und alt aussehen zu lassen: Sophie Marceau hat seit zehn Jahren keinen einzigen kommerziell erfolgreichen Film mehr gedreht. Doch das Publikum, vor allem das französische, liebt sie. Männer wie Frauen. Und sämtliche französischen Filme mit ihr, ob nun Historienthriller (Female Agents, 2008) Dramen (Dreh Dich nicht um, 2009, mit Monica Bellucci) oder ein eigenes Drehbuch (ihr Debüt mit Parlez-moi d'amour wurde auf dem World Film Festival in Montreal 2002 als beste Regiearbeit ausgezeichnet): Sie alle leben sie von der Frische, der Lebendigkeit und der Leichtigkeit, die Sophie Marceau vermittelt. Trotz allem und vermutlich auch wegen allem. Seit 2007 ist Marceau mit dem US-fränzösischen Schauspieler Christopher Lambert (Highlander - Es kann nur einen geben) liiert ...

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(Foto: Schwarz/Weiß)

... und von diesem Donnerstag an mit einem neuen Film in den deutschen Kinos zu bewundern: In Vergissmichnicht spielt Marceau Managerin Margaret, die genau weiß, wie sie chinesischen Investoren ein neues Atomkraftwerk verkaufen muss, um im Geschäft zu bleiben. In diese Welt platzt ein alter Notar ...

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(Foto: Schwarz/Weiß)

... mit mahnenden Kindheitserinnerungen, nämlich Briefen, die sie als Siebenjährige an sich selbst geschrieben hat. Und in denen sie sich selbst mahnt, ihre Träume nicht zu vernachlässigen. Was für jeden anderen vermutlich unerträglicher Kitsch wäre, ist für Sophie Marceau ganz real: Das Mädchen, das zufällig erwachsen geworden ist, das nimmt man ihr eben ab. Inzwischen ist Sophie Marceau ...

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(Foto: Reuters)

... ein großes Mädchen. Und ihr ist zu wünschen, dass sie das bleibt: In einem Interview mit der Frankfurter Rundschau verkündete sie kürzlich, sie sei nun 44 Jahre alt, "und alle Rollen, die man mir anbietet, müssen von dieser Identitätskrise handeln. Denn darum geht es, wenn man einmal 40 ist." Auch für sie sei nun die "schwierigste Frage überhaupt: Was passt am besten zu mir? Was soll ich tun? Keine Ahnung, ob ich damit schon am Ende bin. In Wahrheit bin ich wohl noch auf der Suche. Natürlich gibt es immer Regeln, nach denen man sich verhalten kann. Aber wenn man sich zwingt, Dinge zu tun und sich dabei selbst belügt, dann fliegt das früher oder später auf. Dann bricht der Laden zusammen." Aber: "So schlimm ist das nun auch wieder nicht, keine Jugend gehabt zu haben, weil man ein Star wurde", wird Sophie Marceau im selben Interview zitiert. Wie recht sie hat.

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