Im Kino: Sherlock Holmes:Darauf wäre Watson nie gekommen

Lesezeit: 4 Min.

Irgendwie cool: Guy Ritchie macht den genialen Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu einer Art Urahn von James Bond.

Susan Vahabzadeh

Sherlock Holmes als versoffene Nachteule, die sich halbnackt bei zwielichtigen Boxkämpfen in dunklen Spelunken stählt - das ist eine Seite des berühmtesten Detektivs aller Zeiten, auf die sich das Kino bislang nicht eingelassen hat. Holmes wird eher als Gentleman gezeichnet.

Jude Law ist ein guter Watson, von dem gibt es lahmere Varianten. Und Robert Downey jr. macht seine Sache prima, gibt seinem Sherlock ein paar Junkie-Momente mit und einiges an Coolness. (Foto: Foto: Filmverleih)

In Arthur Conan Doyles Geschichten kommt seine Schwäche für zünftige Schlägereien durchaus gelegentlich vor. Überhaupt ist Holmes für eine Renovierung zum Superhelden ganz gut geeignet, auch als literarische Figur schon durchtrainiert, und eh ein Mann mit irdischen Superkräften: ungemein gebildet und gewandt, physisch und psychisch gefährlich, klüger als irgendwer sonst - und irgendwie cool.

Im Video: Cheeseburger, die vom Himmel regnen - das ist die skurrilste Idee der neuen Kinowoche. Außerdem schlägt sich Sherlock Holmes ungewohnt prügelfest durch das verbrecherische London, "Queen"-Darstellerin Helen Mirren legt ihre nächste oscarverdächtige Rolle hin und es startet eine Film, der vor Stars fast aus allen Nähten platzt.

Weitere Videos finden Sie hier

Es erfordert dann aber, auch wenn die Vorlage mehr hergibt, als man spontan meinen würde, trotzdem einige Coolness, an einen Holmes-Film so heranzugehen, wie Guy Ritchie es tut - angstfrei. Er hat einen Actionfilm gedreht, die Jahrhundertwende-Version von James Batman Bond mit einem Schuss Martial Arts und kleinen Anleihen bei Johnny Depps zauberhaft bekifften Piraten in den "Karibik"-Filmen. Man kann also sagen: Der Mann hat sich einiges vorgenommen.

Der Ritchie-Sherlock fängt auch, als wäre die Bond-Reihe tatsächlich der Masterplan für diesen Film, mit der Auflösung des vorherigen Falls an, der sich dann aber doch als Teil des neuen Falls erweist: Holmes und Watson stürmen in einer spektakulären, der Polizei leicht zuvorkommenden Aktion eine Sektensitzung mit Menschenopfern in einem Londoner Gewölbe und retten dabei eine von chemischen Substanzen benebelte Brünette.

Der mörderische Kapuzenmann, dem Holmes das Handwerk legt in dieser Nacht, ist Lord Blackwood. Ach, und wie ihm Holmes auf den Leib rückt! Wir sehen im Detail, wie Sherlock jeden Fausthieb berechnet, bevor er sich zu ihm durchschlägt, Holmes braucht keinen Computer, weil er wie einer denkt, jeden Winkel genau plant, damit er das richtige Organ trifft. Genesungszeit: sechs Wochen.

Spiel mit den Elementen

Dieser Film sollte die Auferstehung des Regisseurs Guy Ritchie, der Anfang der Neunziger mit "Snatch - Schweine und Diamanten" und "Bube Dame König grAs" Furore machte, von den Verheirateten werden - nach mehreren spektakulären Flops in den Jahren an der Seite von Madonna. Und in Teilen ist sie ihm ja auch gelungen. Jude Law ist ein guter Watson, von dem gibt es lahmere Varianten. Und Robert Downey jr. macht seine Sache prima, gibt seinem Sherlock ein paar Junkie-Momente mit und einiges an Coolness, er spielt ihn souverän und mit Ironie - mühelos. Aber der Film ist vielleicht nicht immer mühelos genug.

Der Plot ist jedenfalls nicht sehr übersichtlich - andererseits: so übersichtlich wie der in einem neueren Bond-Film ist er schon lang. Es geht hier dann auch nicht um irgendwelche Geschmeide oder schnöde Erbschleicherei, na ja, nicht gleich um die Weltherrschaft - nur um die feindliche Übernahme des britischen Parlaments, und Irene Adler, Holmes' Angebetete, ist irgendwie mit von der Partie. Lord Blackwood gibt vor, übernatürliche Kräfte zu besitzen, und Sherlock Holmes glaubt ihm kein Wort. Es beginnt ein im wahrsten Sinne des Wortes elementares Spiel - die erste Leiche liegt schon in der Erde, im Grab, in dem eigentlich der hingerichtete Blackwood liegen sollte, die zweite wurde in einer Badewanne ersäuft, dann brennt es, und zum Thema Luft ist Ritchie & Company (vier Autoren haben offiziell am Drehbuch geschrieben) auch noch was eingefallen.

Was Ritchie wirklich gut hinbekommen hat, das ist ein sehr glaubwürdiges London in den Achtzehnhundertneunzigern, düster und schmuddelig, Pracht, von der der Putz herunterblättert. Holmes' Räumlichkeiten in der Baker Street sind die versiffte Version des Arbeitszimmers, das im Holmes-Museum aufgebaut ist. Wenn Filme schon vollgestopft sind mit computergenerierten Bildern, sollten diese Bilder wenigstens etwas Besonderes sein - ein Nebenprodukt der Special Effects, die den Realfilm immer mehr in Zeichentrick verwandeln, sind die Möglichkeiten der Zeitreise.

Es gibt in "Sherlock Holmes" eine wundervolle Szene auf der Baustelle der 1894 fertiggestellten Tower Bridge, die hier wirkt wie ein gewaltiges fremdes Wesen aus der Zukunft. Aber die Stadt im Hintergrund, die wird nur in ein paar Augenblicken richtig lebendig.

Es gibt ein paar Szenen im Parlament, eine an den Docks, die es längst nicht mehr gibt, eine, in der Holmes in Marylebone herumläuft, durch Hinterhöfe stromert und Märkte überquert - es ist ein wenig so in "Sherlock Holmes", als dürfte man den Ort der Träume immer nur aus dem Busfenster anschauen und nie aussteigen: Das viktorianische London bleibt eine Skizze, es bleibt fern. Die Figuren um Holmes und Watson herum sind auch nicht besonders liebevoll entwickelt: Sie entsprechen immer nur zwei Klischees, entweder sind sie verschrobene Oberhaus-Mitglieder oder gewalttätige Kleinkriminelle.

Man erwartet vielleicht von einem Filmemacher, der so ein Händchen hat, schräge Typen zu besetzen und zu inszenieren, wie Guy Ritchie, ein wenig mehr - ein wenig mehr Leidenschaft für diese Randgestalten. Und für Dialoge. Beides hat seine frühen Filme ausgezeichnet. Aber so ist das dann vielleicht mit dem ganzen "Sherlock Holmes": Es ist schon ganz schön, zwei Stunden mit ihm zu verbringen - aber letztlich weckt er mehr Sehnsüchte, als er stillt.

SHERLOCK HOLMES, USA/D 2009 - Regie: Guy Ritchie. Buch: Michael Robert Johnson, Anthony Peckham, Simon Kinberg, Lionel Wigram. Kamera: Philippe Rousselot. Mit: Robert Downey jr., Jude Law, Rachel McAdams, Mark Strong, Eddie Marsan. Warner, 128 Minuten.

© SZ vom 28.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: