Russell Brand war der Ehemann von Katy Perry. Und ziemlich witzig. Das zeigt er in seinem neuen Film "Arthur". Dabei steckt in dem Freak auch viel Ernsthaftigkeit. Die Bilder. Russell Brand als Universalgenie zu bezeichnen, wäre sicher zu weit gegriffen. Trotzdem kann er irgendwie alles, was man im Showbusiness eben so können muss: Moderieren, schauspielern, singen, provozieren, cool sein, exzessiv sein, humorvoll sein und einen Popstar zur Frau haben. Doch die Lustigsten sind nicht immer die Glücklichsten - auch wenn seine Filme gute Laune verbreiten, so steckt hinter seiner Komik-Maske doch mehr als überschüssige Lebensfreude und Energie. Text und Bildauswahl: Daniela Otto/sueddeutsche.de/rus/bgr
Es scheint immer alles so sorglos bei ihm: In Arthur spielt Russell Brand den schwerreichen Playboy Arthur Bach, der sich in seinem Erwachsenenleben um nichts kümmern muss, weil das schon immer entweder sein Geld oder seine Nanny (Helen Mirren) für ihn regeln. Als er sich jedoch gegen den Willen seiner Mutter auflehnt und sich weigert, die Auserwählte Susan Johnson (Jennifer Garner) zu heiraten, muss er nicht nur flügge werden, sondern sich auch die Frage stellen, was wichtiger ist: Geld oder Liebe. Brand ist heute ein Star in Großbritannien und versprüht auch in diesem Film Unbekümmertheit und Leichtigkeit - dabei war seine Vergangenheit alles andere als sorgenfrei.
Die Geschichte seiner Kindheit liest sich wie eine Tragödie voller Schicksalsschläge: In England geboren, ließen sich seine Eltern scheiden, als er ein halbes Jahr alt war. Im Alter von sieben Jahren wurde er von einem Lehrer sexuell missbraucht. Seine Mutter, die ihn alleine erzog, erkrankte an Krebs. All das ging nicht spurlos an Brand vorbei: Als Teenager litt er unter der Essstörung Bulimie und begann, Drogen zu nehmen.
Schauspielerei und Humor wurden für Brand zu einem Ventil: "Ich war als Kind ziemlich pummelig und ein ziemlicher Einzelgänger, also nicht gerade sehr beliebt. Als ich dann in die Pubertät kam, wollte ich das endlich kompensieren", sagte er in einem Interview. Mit 15 Jahren stand er zum ersten Mal mit dem Schultheater auf einer Bühne - eine positive Erfahrung, die ihn in seinem Entschluss, Schauspieler zu werden, bestärkte.
Er bewarb sich an der Italia Conti Academy, einer englischen Schauspielschule. Brand wurde 1991 aufgenommen, flog jedoch schon kurz darauf wegen schlechten Benehmens und Drogenkonsums. Auch bei seinem zweiten Versuch, eine klassische Schauspielausbildung am Drama Centre London zu absolvieren, scheiterte er an seiner Unfähigkeit, sich in soziale Normen einzufügen. "Ich habe durchaus eine selbstzerstörerische Ader," sagte Brand in einem Interview. Und weil die wieder einmal zum Vorschein kam, wurde er nach einem seiner Ausraster erneut der Schule verwiesen.
Und obwohl oder gerade weil keiner so recht an ihn glauben wollte, wurde dann doch noch etwas aus dem jungen Mann: Bevor die großen Hollywoodrollen kamen, startete er als Comedian und Moderator durch und machte auch hier vor allem durch Skandale auf sich aufmerksam. Der Musiksender MTV, für den er seit 2000 eine eigene Show moderierte, feuerte ihn, als er nach den Anschlägen vom 11. September in einem Bin-Laden-Kostüm bei der Arbeit erschien.
Brand tourte nicht nur als Stand-up-Comedian durch Großbritannien, Amerika und Australien, sondern wurde auch als Gastgeber immer gefragter: 2007 präsentierte er das Live Earth Konzert im Londoner Wembley-Stadion, bei dem Musikgrößen wie Madonna, die Foo Fighters, Metallica oder Genesis auf- und für den Klimaschutz eintraten. 2008 und 2009 versöhnte er sich mit MTV, moderierte die MTV Video Music Awards und verschaffte dem Musiksender Traumeinschaltquoten.
Inzwischen hat sich Brand auch als Schauspieler etabliert: Seine erste Nebenrolle erhielt er 2006 im Film Penelope, in dem Christina Ricci stark darunter leidet, eine exorbitante Schweinchennase oder besser gesagt eine schweinerüsselartige Nase zu haben - kann ja mal vorkommen, wenn man von einer Hexe verflucht wird. In seinem nächsten Film gab es jedoch keine auswuchernden Gesichtsmerkmale mehr, die Brands Extravaganz die Show stehlen konnten: 2007 war er in der Mädchenkomödie Die Girls von St. Trinian zu sehen. Weil Brand so schön schräg, schrill und überdreht sein kann, eine so phantastisch intensive Gesichtsmimik draufhat und überhaupt immer ein bisschen "too much" wirkt und damit doch genau richtig liegt, war er von nun an als ausschweifend überspannter Komödienheld gebucht.
Seinen schauspielerischen Durchbruch feierte er 2008 mit der Wie-wird-man-am-gnadenlosesten-abserviert-Komödie Nie wieder Sex mit der Ex. Darin spielte er den britischen Rockstar und Frauenheld Aldous Snow - eine Paraderolle: "Ich habe noch nie einen so fertigen, drogenabhängigen und durchgeknallten Typen gespielt", sagte er in einem Interview. Authentisch wirkte er allemal: "Natürlich weiß ich durch meine Heroin-Abhängigkeit auch, wie man sich als Junkie fühlt."
Weil die Figur des Aldous Snow ihm wie auf den Leib geschneidert war und auch an den Kinokassen Erfolg hatte, durfte er diese in der Komödie Männertrip 2010 gleich noch mal spielen: Als Aaron Green (Jonah Hill), ein Angestellter bei einer Plattenfirma, dafür sorgen muss, dass es der freakige Rockstar rechtzeitig zu seinem Comeback-Konzert schafft, wird wieder einmal klar, dass niemand so gut Lust auf einen unkonventionellen Lebensstil machen kann wie Brand.
Auch wenn er oft dick aufträgt, überspielt er seine Vergangenheit nicht. 2010 heiratete er die amerikanische Sängerin Katy Perry (im Bild) und betont in Interviews, wie zufrieden er ist: "Seit ich ihr begegnete, habe ich das Gefühl, endlich das andere Puzzle-Stück gefunden zu haben, das mich zu einem kompletten Menschen macht." Nein, die Lustigsten sind nicht immer die Fröhlichsten, aber die Traurigsten können die Glücklichsten werden. Die Chancen stehen gut für Russell Brand, dass er mit seiner melancholisch-chaotischen Ausstrahlung noch lange Erfolg hat. Denn die Tragischen sind manchmal die Größten.