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Im Kino: Paul - Ein Alien auf der Flucht:Sorglos im Weltall

Lesezeit: 2 min

Der neueste intergalaktische Reisende heißt Paul, sieht aus wie E.T. und will auch nach Hause. Nebenbei beherrscht er die amerikanische Filmbranche und benimmt sich wie ein sorgloser alter Hippie. Ein Film für den Nerd in uns.

Doris Kuhn

Die Außerirdischen sind unter uns, das wissen wir seit "Men in Black", und sie kommen in vielfältiger Form. Bald gibt es die nächste Folge "Transformers", da bestehen sie aus Autoschrott, im aktuellen "World Invasion: Battle Los Angeles" greifen sie als wandelnde Waffen die Erde an.

Den nachhaltigsten Eindruck aber hat immer noch "E.T." hinterlassen, sobald große ovale Augen auf der Leinwand erscheinen, hebt jeder den Blick zu den Sternen. Paul, der neueste intergalaktische Reisende, ist denn auch von wohlvertrauter Gestalt, bis hin zu den vier Fingern an seinen Händen, und er will nach Hause, auch das ein bekannter Plan. Obwohl Paul also sofort als der nette Außerirdische von nebenan durchgeht, brauchen die Burschen, die ihn nachts auf der Landstraße auflesen, eine Weile, bevor sie glauben können, dass er ist, was er ist.

Das ist erstaunlich, weil diese beiden Touristen aus England gerade von der Comic-Con in San Diego kommen, der größten Comicmesse des Universums. Dort treibt sich jeder Science-Fiction-Freak herum, und dort haben auch diese beiden versucht, ihr Buchprojekt an den Mann zu bringen: "Jelva, Alien Queen of the Varvak". Damit sind diese zwei Nerds die denkbar alienfreundlichste Mitfahrgelegenheit. Doch selbst sie sind anfangs von Pauls Existenz überfordert.

Das allerdings liegt nicht nur an Pauls außerplanetarischer Herkunft. Paul benimmt sich wie ein sorgloser alter Hippie, obwohl er gerade massenhaft Verfolger auf den Fersen hat. Trotzdem erweitert er das Bewusstsein seiner beiden Fahrer, sei es, indem er ihre schweren britischen Körper zum Tanzen zwingt, sei es, dass er ihnen erklärt, wie er die amerikanische Filmbranche beherrscht - schließlich war er es, der Spielberg beraten oder den "Akte-X"-Agenten Fox Mulder erfunden hat. Er kollaboriere seit sechzig Jahren mit den Menschen, sagt Paul, jetzt aber hätte er all sein Wissen offenbart - was bedeutet, dass sein Gehirn für die Forschung wertlos ist und vernichtet werden soll. Das möchte Paul gern vermeiden.

Geschrieben wurde das von Simon Pegg und Nick Frost, zwei britischen Komikern, die auch die beiden menschlichen Hauptrollen spielen. Connaisseure des humorvollen Zombiefilms kennen sie aus "Shaun of the Dead". Sie werden unterstützt von amerikanischen Großkomikern, was dazu führt, dass beinahe jedes Klischee über Amerika, Science Fiction, Frauen, Wissenschaftler oder Gott einmal benutzt, widerlegt und dann doch wieder bewiesen wird.

Auch die Regie ist bemerkenswert. Wenn es derzeit einen amerikanischen Regisseur gibt, dessen Arbeit sich zu verfolgen lohnt, dann ist das Greg Mottola. Seine Filme sind amüsant, aber zudem klug beobachtet, sie schrecken vor schmerzhafter Wahrheit nicht zurück. Noch in den surrealsten Wendungen seiner Geschichten lassen sich gültige Weltdeutungen erkennen, wie in "Superbad", in dem er uns den kleinen Nerd "McLovin" schenkte, oder bei "Adventureland", in dem der große Nerd Jesse Eisenberg erwachsen wird. In "Paul" sind seine Protagonisten wieder eine Dekade älter, aber dem Nerdismus keineswegs entwachsen. Erst Paul wird daran etwas ändern. Sein Fortbildungsprogramm richtet sich freundlicherweise auch ein wenig an den Nerd in uns.

PAUL, USA 2001 - Regie Greg Mottola. Buch: Nick Frost & Simon Pegg. Mit Frost & Pegg, Kristen Wiig, Jason Bateman, Joe LoTruglio, Universal, 104 Min.

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SZ vom 19.04.2011
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