Im Kino: "Out of Time":Lügen haben große Kaliber

Denzel Washington ist in Carl Franklins Thriller "Out of Time" zu sehen als eine reizvoll zwielichtige Figur: Er spielt einen gebeutelten Cop, der sich eigentlich selbst verhaften müsste.

SUSAN VAHABZADEH

Denzel Washington ist derzeit einer der größten Stars des Hollywood-Kinos, ein richtig großer Schauspieler, dem man alles zutrauen kann. Auf den ersten Blick scheinen die Entscheidungen, die er getroffen hat, seit er für ¸¸Training Day" vor zwei Jahren den Oscar bekam - als erster schwarzer Schauspieler -, ein wenig merkwürdig.

Im Kino: "Out of Time": Mit einem charmanten, unvergleichlichen Lächeln befreit Matt sich auch aus dieser Schlinge.

Mit einem charmanten, unvergleichlichen Lächeln befreit Matt sich auch aus dieser Schlinge.

(Foto: Foto: Universum)

Kein Riesen-Action-Projekt dabei, keine Shakespeare-Dramen, keine Übungen in Sachen Schwermut. Erst hat er einen kleinen Krankenhaus-Thriller gedreht mit Cassavetes jr., ¸¸John Q.". Dann hat er sich selbst inszeniert als Psycho-Onkel in ¸¸Antwone Fisher". Und nun hat er mit dem Regisseur Carl Franklin wieder einen kleinen Thriller gedreht, ¸¸Out of Time". Was dabei der übergeordnete Plan ist? Zurück zu den Wurzeln des Kinos.

Franklin hat zuletzt Morgan Freeman und Ashley Judd auf die Suche nach der Wahrheit geschickt in ¸¸High Crimes - Im Netz der Lügen", mit ähnlichem Spieltrieb und mit viel Gefühl für subtile erotische Spannung zwischen den Hauptfiguren.

¸¸Out of Time" ist vor allem eines: Kino um des Filmemachens willen - sonst geht es um nichts, oder zumindest um wenig anderes. Alles dreht sich ums Spiel, eine tödliche Krankheit ist nur Fake, ein Mord nur Inszenierung, und wer wen liebt, wird erst mit der Zeit klar. Mit ungeheurem Spaß am Detail hat Carl Franklin seine Gangsterstory zusammengebastelt, hat immer noch einen Dreh parat und noch einen doppelten Boden - er hat Freude daran, seine Zuschauer hinters Licht zu führen. Und es ist auch klar, warum einer wie Denzel Washington eine solche Rolle haben will: Die Lüge mitzuspielen, ist eine verdammt große Herausforderung. Und außerdem ist dieser Matt, der Polizeichef eines Kaffs in Florida, eine reizvoll zwielichtige Figur: Der Thrill besteht darin, dass er durchkommt, aber unschuldig ist er nicht.

Er macht dauernd alles falsch, klaut und betrügt und lügt, aber man muss ihm für alles vergeben. Denn erstens ist er unglaublich charmant. Und zweitens hat er für alles seine Gründe.

Der Ausgangspunkt des Spiels ist, dass Matt das Wasser bis zum Hals steht: Seine Frau Alexandra (Eva Mendes) hat in der Stadt die große Karriere gemacht und ihn verlassen. Matt lässt sich mit seiner Jugendliebe Ann ein, die verheiratet ist mit einem Schlägertypen. Die Liebelei hat keine Zukunft. Kaum waren die beiden im Bett, schleppt sie ihn schon ins Krankenhaus - sie habe Krebs, erfährt er dort, und die einzige Therapie, die ihr noch helfen könnte, kann sie sich nicht leisten. Zufällig muss Matt gerade auf eine größere Summe aufpassen, die beschlagnahmt wurde und demnächst von Regierungsbeamten abgeholt werden soll. Er will das Geld später zurückgeben, wenn er eine Versicherungssumme ausbezahlt bekommen hat. Aber alles kommt anders: Ann und ihr Mann kommen bei einem Brand um, Matt war vor dem Haus in dieser Nacht, und nun hat er alle Hände voll zu tun, damit nicht auffällt, dass er eigentlich der Hauptverdächtige ist. Schließlich wird ihm auch noch seine Ex aus der Stadt vor die Nase gesetzt, um die Ermittlungen zu leiten. Würde ihm nicht der örtliche Leichenbeschauer zur Seite stehen - Matt müsste sich selbst verhaften.

Die Geschichte wird komischer, je weiter sie voranschreitet, was vor allem daran liegt, dass Washington Matt eine gehörige Portion Sarkasmus mitgibt. Es macht großen Spaß, ihm dabei zuzusehen, wie er sich windet, trickst und dabei Alexandra anschmachtet, in die er immer noch über beide Ohren verknallt ist. Und wie sie mit liebevoller Großmut immer ein bisschen mehr mitbekommt von seinen Intrigen, als ihm recht ist, und ihn trotzdem nicht verrät. Ein richtig großer Schauspieler ist eben auch ein großer Komödiant, und Washington kann sehr witzig sein. Zu einer der schönsten Szenen gehört viel Selbstironie: Es gibt eine Augenzeugin, eine alte Dame aus der Nachbarschaft, die Matt nachts gesehen hat vor dem brennenden Haus. Aber mit einem charmanten, unvergleichlichen Lächeln befreit Matt sich auch aus dieser Schlinge. Hey, alle Schwarzen sehen für weiße alte Damen gleich aus. Das weiß man doch.

OUT OF TIME, USA 2003 - Regie: Carl Franklin.Buch: David Collard. Kamera: Theo van de Sande. Schnitt: Carole Kravetz Aykanian. Musik: Graeme Revell. Mit: Denzel Washington, Eva Mendes, Sanaa Lathan, Dean Cain, John Billingsley. Universum/UIP, 114 Minuten.

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