Im Kino: Never Say Never:Er ist eine Maschine und er sieht gut aus

Lesezeit: 3 Min.

Wunderkind oder Kunstprojekt? Justin Bieber, der Verursacher des Bieber-Fiebers, ist vor allem eine Erfolgsmaschine. Eine 3-D-Doku will ihn jetzt menschlich machen.

Jan Füchtjohann

Träumt der Teeniepopstar Justin Bieber von elektrischen Schafen? Tatsächlich gibt es eine wachsende Zahl von Leuten, die ähnlich wie in Philip K. Dicks Science-Fiction-Roman und "Blade Runner"-Vorlage "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?" herauszufinden versuchen, ob Bieber wirklich ein ganz normaler Junge ist, oder ein Replikant, den man besser aus dem Verkehr zieht. Eine Gruppe im Internet hatte vor einiger Zeit bereits versucht, ihn bis zur Entscheidung auf eine lange Konzertreise nach Nordkorea zu schicken.

Justin Bieber auf der Premiere von "Never Say Never" in London. Wenige Minuten später begleiten die Zuschauer den Weltstar in 3-D zum Hals-Nasen-Ohrenarzt. (Foto: dpa)

Es ist vor allem die enorme Geschwindigkeit, mit der sich der nun 17-Jährige aus der kanadischen Provinz Ontario zum globalen Superstar entwickelte, die so viele erstaunt. Angefangen hatte es mit ein paar Videos, auf denen er Gitarre spielte und sang. 2008 entdeckte der Manager Scooter Braun die Clips auf Youtube. Heute hat Bieber 22 Millionen Facebook-Fans, 8 Millionen Twitter-Follower und seine Videos wurden im Internet mehr als eine Milliarde Mal angeklickt. Sogar eine neue Krankheit aus dem Formenkreis des Pop wurde nach ihm benannt: das "Bieber-Fieber" befällt vor allem sehr junge Mädchen.

Angesichts dieser Erfolgsmaschine stellte der Tagesspiegel die Frage: "Justin Bieber, Wunderkind oder Kunstprodukt?". Bieber selbst hatte in der Talkshow von David Letterman erklärt: "Die meisten Leute glauben doch, dass ich wie eine Maschine aus der Fabrik komme."

Doch nun hat das Management des Popsängers mit "Justin Bieber: Never Say Never" einen Dokumentarfilm herausgebracht, der alle Zweifel zerstreuen soll.

Um zu beweisen, wie echt dieser Justin Bieber ist, wird einiges getan: Der Film ist im 3-D-Format gedreht, dazwischen zeigen alte Amateurvideos den hochbegabten Kleinstadtjungen beim Trommeln auf Möbeln und Küchengeräten, es kommen Eltern, Großeltern, Schulfreunde, Lehrer, Manager und Mentoren als Zeugen zu Wort. Sogar zum Hals-Nasen-Ohren-Arzt folgt man dem Star als Zuschauer. Dem würgenden Bieber wird eine Endoskopie-Kamera in den Rachen geschoben und der Arzt sieht: Rötungen und entzündete Stimmbänder. Der Film beweist also - Justin Bieber ist kein Roboter.

Selbst das Zentralorgan der amerikanischen Bildungselite, die Wochenzeitschrift The New Yorker, war beeindruckt: Der Film mache klar, dass dieser Junge genauso hart arbeite und sauber lebe, wie es immer den Anschein hatte. Auch der Reporter vom Spiegel musste gestehen, er habe geweint, weil dies "eine Geschichte der Unschuld" sei, "so naiv wie wahr". Es war herrlich.

Allerdings weiß man aus "Blade Runner", dass auch Familiengeschichten simuliert werden können. Zudem tritt in "Never Say Never" ein Modeberater auf, der erklärt, wie man aus Kapuzenpullovern und Baseballkappen ganz normal aussehende Jungen baut. Die perfekt inszenierte Show im Madison Square Garden zeigt darüber hinaus ein Pop-Allstar-Team bei der Arbeit, zu dem unter anderem der R&B-Star Usher gehört, der Disney-Star Miley Cyrus, die vor fünf Jahren mit der Fernsehserie "Hannah Montana" ähnlich berühmt wurde, wie es nun Justin Bieber ist, sowie Jaden Smith, der 12-jährige Sohn des Hollywoodstars Will Smith, der letztes Jahr als "Karate Kid" sein Hauptrollen-Debüt gab. Gemeinsam mit Bieber erzeugen sie dabei eine Fiktion, die echter und besser ist, als die Realität es je sein könnte.

Ist der wahre Pop also eine mit Hilfe von Maschinen hergestellte Fälschung? Selbstverständlich. Der amerikanische Kritiker Steven Shaviro hat die "Berühmtheit nach dem Ende des Kinozeitalters" beschrieben: "Das sind beunruhigende Wesen. Sie bewegen sich ständig auf mehreren medialen Ebenen (Film, Talk- und Reality-Shows, Musikvideos und -aufnahmen, Wohltätigkeitsveranstaltungen, Werbe- und Sponsorenauftritte, Klatschmagazine auf Papier und im Netz etc.), sodass sie überall und nirgends zu sein scheinen. Ihre ambivalente Erscheinung ist emotional aufgeladen und doch ironisch distanziert. Sie inszenieren vielschichtige Gefühlsdramen, zeigen sich dabei aber unbeeindruckt und gleichgültig. Man meint, an ihrem gesamten Leben teilzuhaben, während man gleichzeitig weiß, dass sie nicht Teil des eigenen Lebens sind. So vertraut sie auch scheinen, so unerreichbar bleiben sie."

Justin Bieber hat sich inzwischen die Haare geschnitten und eine Freundin gefunden. Letzteres war vielen seiner weiblichen Fans dann allerdings ein bisschen zu real.

JUSTIN BIEBER: NEVER SAY NEVER, USA 2011 - Regie: Jon M. Chu. Kamera: Reed Smoot, Schnitt: Jay Cassidy. Mit: Justin Bieber, Miley Cirus, Jaden Smith. Paramount, 108 Minuten.

© SZ vom 14.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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