Kino: My Name is Khan:Mein Name ist Khan und ich bin kein Terrorist

Ist Khans neuer Film über einen Autisten ein Geniestreich oder eine Schmonzette? Nach westlichen Maßstäben ist das nicht zu sagen.

Susan Vahabzadeh

Wahrscheinlich kommt die Frage, ob er sich mal eine Tollkühnheit erlauben könnte, in Shah Rukh Khans Universum einfach nicht vor. Er darf alles. Shah Rukh Khan wird götzengleich verehrt im Einzugsbereich von Bollywood, und damit hängt er alle westlichen Stars mühelos ab. Es mag uns aus westlicher Sicht vielleicht nicht so vorkommen - aber im weiteren Teil der Welt hat George Clooney nichts mehr zu melden, sobald Shah Rukh Khan um die Ecke biegt. Der schönste Mann der Welt. Was er nun in seinem neuen Film "My Name is Khan" - seine Deutschlandpremiere hatte er im Februar bei der Berlinale - mit seinem Image treibt, ist ganz schön gefährlich: Er spielt einen Autisten, einen Mann mit Asperger Syndrom, einen verdrucksten Kerl, und aus dem legendären charmanten Shah-Rukh-Khan-Silberblick wird, man kann es nicht anders nennen, ein hundsgemeines Schielen.

Kino: My Name is Khan: Mit seinem Silberblick verzaubert er die indische Traumfabrik. In seinem neuen Film überzeugt Shah Rukh Khan mit Buster-Keaton Qualitäten.

Mit seinem Silberblick verzaubert er die indische Traumfabrik. In seinem neuen Film überzeugt Shah Rukh Khan mit Buster-Keaton Qualitäten.

(Foto: ag.ap)

Ein sensibles Thema

Der Mangel an erotischer Ausstrahlung ist aber zugegebenermaßen bei "My Name is Khan" eines der kleineren Risiken. Rizvan Khan, der Khan im Film, ist Muslim wie der echte Khan - und wie der echte heiratet er eine Hindu. In Indien ein sensibles Thema, das Shah Rukh Khan auch vorher schon in Filmen gestreift hat, aber so auserzählt wie hier hat er es vorher nicht. Außerdem wird zwar gesungen und getanzt, aber in für die westliche Welt verdaulichen Dosierungen. Und die Geschichte spielt in Amerika - nach dem 11. September 2001. So politisieren Shah Rukh Khan und sein Regisseur Karan Johar unbekümmert vor sich hin, bereit, das indische Stammpublikum und das neu ins Visier genommene westliche gleichermaßen zu irritieren.

Man sollte aber das Selbstbewusstsein und die Macht von Bollywood keineswegs unterschätzen: "My Name is Khan" ist kein Ausflug eines Bollywood-Stars in die USA, weil es dort irgendwas für ihn zu holen gäbe. Es ist das amerikanische Studio, das den Film mitproduziert hat, das ein Auge auf Shah Rukh Khans Fans geworfen hat. Es ist aber nicht das Schlechteste, was man über einen Film sagen kann, dass er sein Publikum ordentlich durchrüttelt. Kontrovers aber ist die religionsgemischte Ehe natürlich nur in Indien. Er glaube nicht, sagt Shah Rukh Khan, dass man mit Filmen die Welt verändert - er habe einfach nur seine Meinung loswerden wollen.

Ein filmischer Vollrausch

Was dabei herauskommt, ist ein filmischer Vollrausch - ob das Resultat nun ein Geniestreich ist oder bloß eine Schmonzette, lässt sich mit westlichen Maßstäben nicht festlegen. Auf jeden Fall ist es ziemlich wüst. So ein wilder Stilmix, dass auch Freunden des Bollywood-Kinos diese Variante neu ist.

Ein hyperaktiver Film

Ein autistischer Held in einem hyperaktiven Film: Rizvan Khan wird festgenommen in Amerika am Anfang des Films (auch das ist dem echten Khan im vorigen Jahr passiert), und er kann sich zwar nicht besonders gut ausdrücken, bringt die Polizisten aber mit einer immergleichen Beteuerung ins Stutzen: Mein Name ist Khan, und ich bin kein Terrorist. Dann geht es erst mal zurück an den Anfang, in Rizvans Kindheit, und dann geht der Film auf Reisen durch Rizvans Leben, bis zu der Bemerkung mit dem Terroristen - keine sehr kunstvolle Erzählstruktur, aber man legt in Bollywood nicht viel Wert auf westliche Vorstellungen von Subtilität und Eleganz.

Der kleine Rizvan ist Mutters Sorgenkind, keiner glaubt, dass man ihm etwas beibringen kann, bis die Mutter einen Engländer findet, der ihn unterrichtet. Der kleine Bruder ist eifersüchtig ob all der Fürsorge und reagiert mit gesteigertem Ehrgeiz darauf - sobald er kann, haut er ab nach Amerika. Und muss Rizvan dann doch nach dem Tod der Mutter nachkommen lassen.

Rizvan ist nicht dumm, aber ihm fehlt ein Teil der Kommunikationsfähigkeit: Er redet nicht gern mit Fremden, vor allem aber hört er nur die reinen Worte, er nimmt sie wie kleine wissenschaftlich definierte Elemente entgegen, alle Nuancen und jede Ironie gehen an ihm vorbei. Der Bruder ist noch sauer, weswegen er Rizvan auf einen absurden Posten setzt: Vertreter, für indische Kosmetik. Rizvan aber, da schimmert dann doch genug Shah Rukh Khan durch die Rolle durch, bricht die Herzen seiner Kundinnen im Sturm, besonders das von Mandira - die spielt Kajol, oft Shah Rukh Khans Filmpartnerin.

Religionsversöhnungskitsch

Dann kommt's zum Religionsdrama - erst mal stört es die Familie, als Rivzan sie heiratet, dass Mandira eine Hindu ist, dann mutieren die Nachbarn nach dem 11. September zu Islamfeinden, worunter vor allem Mandiras und Rizvans Sohn zu leiden hat. Dann geh doch, brüllt die verzweifelte Mandira ihren Mann an, zum Präsidenten und erklär dem, dass du kein Terrorist bist ... Mit solchen Bemerkungen muss man bei einem mit Rizvans Kommunikationsstörungen halt vorsichtig sein. Er macht sich gleich auf den Weg.

Shah Rukh Khan spielt das bierernst, aber irgendwie mit Buster-Keaton-Qualitäten, am Rande des Slapstick - irgendwie ist der Film-Khan eine Mischung aus einer komischen Nummer und zum Steinerweichen, so wie der ganze Filme hin- und her balanciert zwischen großer Geste und Albernheit. Natürlich ist das alles, bis hin zur Hindugospel-Version von "We Shall Overcome", großer, naiver Religionsversöhnungskitsch, so viel ist klar. Davon abgesehen kann einem in "My Name is Khan" schon mal schwindlig werden - aber langweilig wird einem nie.

MY NAME IS KHAN, Indien/USA 2010 - Regie: Karan Johar. Drehbuch: Shibani Bathija,Niranjan Iyengar. Kamera: Ravi K. Chandran. Mit: Shah Rukh Khan, Kajol. Twentieth Century Fox, 126 Minuten.

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