Im Kino: Miral:Das Leben meiner Freundin

Gutgemeint: Künstler und Regisseur Julian Schnabel verfilmt in "Miral" die Biographie seiner Lebensgefährtin. Die ist aber so zauberhaft schön, dass er den Überblick verliert.

Susan Vahabzadeh

Eine wunderbare Figur für einen Film, und eine Traumrolle für die majestätische Schauspielerin Hiam Abbass: Hind Husseini, geboren 1916, eine frühe Frauenrechtlerin aus einflussreicher palästinensischer Familie, nahm 1948 nach einem Massaker an Palästinensern überlebende Kinder auf und verwandelte ihr Heim nach und nach in ein Waisenhaus.

Themendienst Kino: Miral

Freida Pinto als Miral und Omar Metwally als Hani in dem Drama "Miral" von Julian Schnabel.

(Foto: dapd)

Mit ihr beginnt "Miral", der neue Film des Künstlers und Regisseurs Julian Schnabel - und er beginnt ganz verheißungsvoll vor der Staatsgründung Israels: Hind Husseini feiert mit europäischen Freunden, ganz sanft deutet sich eine Romanze zwischen ihr und einem amerikanischen Soldaten (Willem Dafoe) an. Sie bleibt unverheiratet, und viele Jahre später taucht er noch einmal bei ihr auf - eine seltsame Szene, der Abschluss einer Geschichte, die Schnabel gar nicht erzählt hat. Denn da ist längst klar, dass "Miral" leider nur ganz am Rande von Hind Husseini handelt.

Die Story hüpft von 1948 erst mal in die Sechziger, als ein junges Mädchen vor den Übergriffen ihres Vaters nach Jerusalem flieht, wo sie im Gefängnis landet, weil sie eine jüdische Frau geschlagen hat, die sie als Hure beschimpfte. Um diese Frau geht es dann aber auch nicht, sondern um deren Tochter Miral (Freida Pinto), die nach dem Selbstmord der Mutter bei Hind Husseini zur Schule geht.

Schnabel hat mit "Schmetterling und Taucherglocke" eine unverfilmbare Geschichte in ein Wunderwerk des Kinos verwandelt, aus der Sicht eines fast vollständig gelähmten Mannes. Hier aber hat er sich mit der umständlichen Struktur, den durchgehechelten Lebensgeschichten und verkrampft eingebauten Historiendaten nun wirklich unlösbare Probleme geschaffen. "Miral" erzählt die Biografie seiner Lebensgefährtin Rula Jebreal nach, die auch das Drehbuch geschrieben hat. Jebreal ist so zauberhaft schön, dass Schnabel dabei vielleicht den Überblick verloren hat.

So geht es also um Miral, die nur werktags bei Hind Husseini wohnt, am Wochenende holt sie ihr Vater, ein mit der Erziehung überforderter Imam, heim. Und obwohl ihr Husseini und der Vater immer nur Friedfertigkeit predigen - oder gerade deswegen - liebäugelt sie mit dem bewaffneten Kampf, verliebt sich in einen von der PLO, der von seinen Kameraden umgebracht wird, als er der Gewalt abschwören will - eine Zukunft, so steht am Ende am Raum, gibt es nur anderswo.

"Miral", der seine Premiere im Wettbewerb von Venedig hatte, bleibt eine zerfaserte Geschichte, bei der man nie so recht weiß, worauf sie eigentlich hinaus will - sie plätschert durch die Jahrzehnte und die Phasen des israelisch-palästinensischen Konflikts, ohne sich auf ihn einzulassen.

Von einem Konflikt berichten, dessen Auswirkungen man nie sieht, verständnisvoll von Terroristen erzählen, deren Attentate schief gehen - eine besonders kunstfertige Art und Weise, sich aus der Affäre zu ziehen, ist das nicht. Ist schon klar, Schnabel meint es gut. Aber das nützt oft nichts. Und schon gar nicht im Kino.

MIRAL, F/I/Israel/Indien 2010 - Regie: Julian Schnabel. Buch: Rula Jebreal. Kamera: Eric Gautier. Schnitt: Juliette Welfling. Mit: Hiam Abbass, Freida Pinto, Yasmine Al Masri, Ruba Blal, Willem Dafoe, Vanessa Redgrave, Stella Schnabel. Prokino, 112 Minuten.

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