Im Kino: Mein Kampf:Im Zwälächt

Maul, Hitler: Urs Odermatt hat George Taboris Theaterstück "Mein Kampf" verfilmt. Das Drehbuch eiert unentschlossen zwischen ernst-erkenntnishungrigem Psychogramm und Komödie hin und her.

Marko Pfingsttag

Kein Wunder, dass Adolf Hitler 1938 abermals nach Wien einmarschierte, diesmal tatsächlich als Eroberer. Im ersten Anlauf, rund dreißig Jahre zuvor, war es für den Möchtegern-Maler recht lausig gelaufen: mittellos, Männerwohnheim - und die Kunstakademie wollte ihn auch nicht haben. Für ein sensibles Seicherl wie den Knaben Adolf aus Braunau eine massive narzisstische Kränkung, die eines Tages aufgearbeitet werden muss.

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Mittellos, Männerwohnheim - und die Kunstakademie wollte ihn auch nicht haben. Für ein sensibles Seicherl wie den Knaben Adolf eine massive narzisstische Kränkung: kein Wunder dass Adolf Hitler (Tom Schilling im Bild mit Anna Unterberger) in Wien einmarschierte.

(Foto: dapd)

Der Schweizer Regisseur Urs Odermatt findet für den gescheiterten Einmarsch schöne Bilder: Adolf (Tom Schilling) wird im Zug vom Sitzplatz vertrieben, sein Stapel mit Arbeitsproben verteilt sich im Fahrtwind, er muss zu Fuß gehen. Kaum in Wien, ist sein Mantel voller Taubenschiss. Verdammtes Drecks-Wien. Und es sind nicht einmal die Untermenschen schuld, nein, der schlimmste Schmutz fällt vom Himmel herab.

Die Geschichte von der Hassliebe, die sich im Wohnheim zwischen ihm und dem Juden Shlomo Herzl (Götz George) entwickelt, orientiert sich an George Taboris Theaterstück "Mein Kampf" von 1987. Wobei man von Orientierung nicht wirklich sprechen kann, denn das Drehbuch eiert unentschlossen zwischen ernst-erkenntnishungrigem Psychogramm und Komödie hin und her. Klassisch-stringente Filmdramaturgie kollidiert mit theatral-allegorischen Versatzstücken.

Da verdunkelt sich der Himmel ahnungsvoll gewittrig, wenn der GröFaZ in spe nach Wien dackelt. Noch ahnungsvoller gewittert's im Kopf des Zuschauers, wenn Adolf dem rührseligen Shlomo für seine Hilfe dankt und eine nachträgliche Gegenleistung verspricht. "Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich für dich schon eine Lösung finden." Und, huch, sieht man auf einer von Adolfs Bleistiftzeichnungen nicht Zuggleise, die in Richtung einer Art Lager führen?

Weh, oh weh, dabei konnten wir über den Jüngling eben noch lachen, als er stolz seine Zeichnungen erklärte. "Das ist mein Hund - im Zwielicht", respektive "Zwälächt". Stillleben mit Maiskolben: "Kukuruz - im Zwielicht." Und das hier? "Das ist meine Mutter. Im Zwääälächt".

Hitlers fixe Idee vom Kampf der lichthellen gegen die dunklen Mächte und dem steten Ringen an der Grenze des Zwielichts liegt hier auch nicht in einem manichäischen Katholizismus begründet oder in weltenkriegslüsterner Literatur. Nein, seine präsexuelle Traumatisierung war's, wie er beim nächtlichen Baden am Ufer der Donau berichtet, der Anblick einer nackten Frau - im Zwielicht -, und die schwärzeste Finsternis lauerte zwischen ihren Schenkeln.

Das geht alles nicht so recht zusammen, die Witzfigur und der Psychopath. Und es überrascht auch nicht, wenn der Film am Ende zu einem Fiebertraum zerfasert, in dem Adolf geschwind den BDM- und SS-Look designt und Shlomo und sein Compagnon Lobkowitz in Gefängnisuniform letztlich ins Licht gehen müssen. Ja, ins Licht gehen müssen sie, dieses Bild lässt sich der Film nicht nehmen. Jaulen möchte man.

Ach, hätte Shlomo, der ewige Optimist, nur nie dem Tod ins Handwerk gepfuscht, der in Wien eine Frau und im Nebenjob Postbotin ist. Adolf stand ganz oben auf Frau Tods Auftragsliste, aber Shlomos Glaube an das Gute im Führer macht ihn blind für dessen Vernichtungspläne. Wäre er doch bei dem geblieben, was er sagte, als er den biertrunkenen grölenden Adolf im Schubkarren zurück ins Wohnheim brachte: "Maul, Hitler. Es ist spät, die Leute wollen schlafen."

MEIN KAMPF, D/ÖS/CH 2009 - Regie: Urs Odermatt. Buchvorlage: George Tabori. Kamera: Jo Molitoris. Musik: Enis Rotthoff. Mit Tom Schilling, Götz George. Ufa Cinema, 110 Minuten.

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