Im Kino: Lila, Lila:Ein Ober will nach oben

Ein Kellner findet ein Manuskript, beeindruckt damit eine Frau und wird zum Literaturstar. Die Komödie "Lila, Lila" ironisiert Klischees des Kulturbetriebs.

Tobias Kniebe

Mit dem Schreiben, man weiß es, ist das so eine Sache. Die wahren Autoren, die wirklich Berufenen - sie müssen es tun. "Es ist wie ein Zwang", sagt David zu Marie. "Nicht zu schreiben, wäre schwieriger." Womit das älteste aller Literaturklischees, das zugleich bis heute nicht recht widerlegt ist, zum Start schon mal benannt wäre - und im selben Atemzug auch verhöhnt.

Im Kino: Lila, Lila: Daniel Brühl und Hannah Herzsprung agieren als David und Marie in der "comfort zone" ihres Könnens.

Daniel Brühl und Hannah Herzsprung agieren als David und Marie in der "comfort zone" ihres Könnens.

(Foto: Foto: Filmverleih)

David muss nämlich ganz und gar nicht schreiben. Er hat es noch nicht mal versucht. In einem alten Nachttisch vom Trödler hat er ein vergilbtes Romanmanuskript aus den fünfziger Jahren gefunden - eine unglückliche, nicht ganz kitschfreie, aber zu Herzen gehende Liebesgeschichte. Er hat sie in einer Nacht durchgelesen, geweint - und anschließend am Computer eingescannt, um sie der literaturbegeisterten Marie als sein eigenes Werk zu präsentieren. Damit wollte er sie beeindrucken, und das hat auch geklappt. Etwas zu gut sogar.

Vom Kinomachen geistert hierzulande ebenfalls die Vorstellung herum, es sei wie ein Zwang - die wahren Autoren, sie müssten es tun, und litten doch sehr dabei. Was teilweise stimmt - was aber auch Filme wie "Lila, Lila" dann zwischendurch so wertvoll macht. Gelitten hat hier nämlich erkennbar niemand.

Der Bestsellerautor Martin Suter nicht, als er die schlanke, clever konstruierte und schon wie fürs Kino geschaffene Romanvorlage schrieb, die das Klischee vom Schreibenmüssen milde ironisiert; der Drehbuchautor Alex Buresch nicht, der die Geschichte mit leichter Hand etwas ausgestaltet und dabei noch verbessert hat; der Regisseur Alain Gsponer nicht, der sein nicht unwesentliches Können einsetzt, um genau diese Leichtigkeit auch auf die Leinwand zu bringen; und am allerwenigsten wahrscheinlich die beiden Hauptdarsteller Daniel Brühl und Hannah Herzsprung, die als David und Marie in der comfort zone ihres Könnens agieren: Brühl, ein Liebling der Massen und Schwiegermütter, der seine Zweifel an dieser Rolle nie ganz verbergen kann - und Herzsprung eine leidenschaftliche Idealistin, in deren Augen immer schon aufflackert, wie rigoros und auch gefährlich sie dabei werden kann.

Das Ding ist nämlich: Marie hat das Manuskript heimlich an einen Verlag geschickt, und der Verlag ist darauf unheimlich abgefahren. Wie auch der regierende Kritikerpapst. Im Handumdrehen ist David der literarische Star der Saison. Unsanft wird er aus seiner Existenz als Kellner gerissen, vorbei die Zeit, wo er ehrfürchtig seinen Angeber-Freunden lauschte und froh war, gelegentlich beachtet zu werden. Jetzt sitzt er auf Theaterbühnen, soll lesen und verhaspelt sich; oder in Talkshows, soll die Geheimnisse des Schreibens erklären und bringt kein Wort heraus. Die ganze Aktion, die einzige eigentlich, wo er einmal etwas selbst in die Hand genommen hat, war ein furchtbarer Fehler. Was spätestens dann offenbar wird, als der abgerissene Jacky auftaucht, der ziemlich überzeugend klarmacht, dass er der wahre Autor der neuen Literatursensation ist...

Henry Hübchen als dieser Jacky ist ein Schwachpunkt, weil er hier wirklich allzu dreist seine Schwerenöter-Rolle aus "Alles auf Zucker!" einfach weiterspielt. Vielleicht kann der Mann nicht anders - aber das wird noch schmerzhaft dadurch betont, dass seine Figur auch fast genauso heißt: Aus Jaeckie Zucker ist hier einfach Jacky Stocker geworden. Das steht schon so im Roman, es muss also bereits Martin Suters Idee gewesen sein. Sie ist trotzdem nicht gut. Insgesamt ist "Lila, Lila" allerdings ein Film, wie man ihn dem deutschen Kino öfter wünscht. Er schämt sich keine Sekunde lang dafür, Unterhaltung zu sein - macht aus diesem Ziel aber auch keine verbissene Staatsaffäre. Er zuckt nicht verschreckt vor seinen Kintopp-Möglichkeiten zurück, verrät aber auch nicht seine Integrität dafür. Und vor allem wirkt er, als sei er nicht erst unter existentiellen Autorenwehen entstanden - sondern gutgelaunt, einfach mal so.

LILA, LILA, D 2009 - Regie: Alain Gsponer. Buch: Alex Buresch. Kamera: Matthias Fleischer. Musik: Max Richter. Mit Daniel Brühl, Hannah Herzsprung, Henry Hübchen, Kirsten Block, Alexander Khuon. Verleih: Falcom, 108 Min.

Im Video: Hannah Herzsprung, Daniel Brühl und Henry Hübchen über ganz normale Lügen.

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