Im Kino: "Lemon Tree":Süß, aber ungenießbar

Salmas Zitronenbäume sollen weichen, damit sich keine arabischen Terroristen dahinter verstecken. Eine Palästinenserin kämpft gegen Grenzziehungen im Nahen Osten und männliche Gefühllosigkeit.

M. Knoben

Hübsch, so ein Zitronenbaum. Und seine Blüten duften süß. Aber die Früchte seien ungenießbar, heißt es in dem Lied von Peter, Paul & Mary aus den Sechzigern, das - dezent arabisch instrumentiert und zurückhaltend ironisch arrangiert - in Eran Riklis' märchenhaft anmutender Parabel den Ton vorgibt.

Im Kino: "Lemon Tree": Im Kampf um ihre Bäume wagt sich Salma Zidane (Hiam Abbass, hier im Bild mit Ali Suliman) auf von Männern besetztes Territorium.

Im Kampf um ihre Bäume wagt sich Salma Zidane (Hiam Abbass, hier im Bild mit Ali Suliman) auf von Männern besetztes Territorium.

(Foto: Foto: ddp)

Politische Lehrstücke sind ja gerade nicht sonderlich in Mode im Kino, Ironie oder politische Vieldeutigkeit verkaufen sich besser.

Eran Riklis, der schon in "Die syrische Braut" den grotesk-absurden Aspekten des Nahostkonfliktes nachspürte, gelingt allerdings ein so unterhaltsamer Film, dass er trotz seiner bitteren Essenz auf der Berlinale und kürzlich beim Filmfestival in San Sebastian zum Publikumsliebling avancierte.

Ob die Früchte des Zitronenbaums nun tatsächlich ungenießbar sind oder nicht doch als eigenwillige Delikatesse zubereitet werden können, bleibt offen.

Das Lied vom " Lemon Tree" wird jedenfalls von Bildern begleitet, die der Botschaft des Songs widersprechen.

Wie Freunde

In einer sonnendurchfluteten Nahaufnahme ist zu sehen, wie Zitronen in Scheiben geschnitten und in Wasser eingelegt werden. Sehr schmackhaft sieht das aus; wer die Konventionen des Arthouse-Kinos kennt, darf auf das kleine Glück hoffen, das sich mit solchen kulinarischen Szenen gerne ankündigt.

Salmas Haushalt ist reich an Zitronen - der einzige Reichtum der palästinensischen Witwe. Ihr Vater hat ihr einen Hain in der West Bank, unmittelbar an der Grenze hinterlassen.

Wie Freunden fühlt sich Salma ihren Bäumen verbunden. Hiam Abbass, die wohl bekannteste arabische Schauspielerin, die schon in Riklis'"Die syrische Braut" spielte, in Spielbergs "München" und in "Paradise Now" von Hany Abu-Assad, gibt Salma eine verhärmte, markante Schönheit mit, viel Stolz und Würde, die sie zum Kraftzentrum des Filmes machen.

Ausgerechnet der israelische Verteidigungsminister zieht ihr gegenüber, in das Haus auf der anderen Seite des Grenzzaunes ein. Das kann man komisch finden, wie plötzlich Men in Black des israelischen Geheimdienstes mit ihren Kabel-Ohrwürmern durch den idyllischen Zitronenhain schleichen und ein stählernes Monstrum von Wachturm unter Gequietsche in den Garten gepflanzt wird.

Die schreiende Ungerechtigkeit, die die Besetzung darstellt, lässt sich aber nicht übersehen. Als Salma erfährt, dass ihre Bäume gefällt werden sollen, weil sich arabische Terroristen dahinter verstecken könnten, laufen ihr Tränen aus den Augen. Und diese Tränen in dem schönen, ansonsten beherrschten Gesicht rühren mehr als ein Gefühlsausbruch es könnte, mehr auch als so manche "echte" Nachricht aus den besetzen Gebieten.

Wie sich die palästinensische Witwe nun im Kampf um ihre Bäume mit dem israelischen Staat anlegt und mit den eigenen Leuten, wie sie sich auf von Männern besetztes Territorium wagt, erst in ein (ausschließlich Männern vorbehaltenes) Café geht, um den örtlichen Palästinenserführer zu sprechen, sich dann einen Anwalt sucht, sich in den deutlich jüngeren Mann verbliebt und mit ihm zusammen bis vor Israels oberstes Gericht zieht - diese Geschichte wird belebt von der Hoffnung, dass Salma ihre aussichtslosen Kämpfe tatsächlich gewinnen könnte.

Riklis erfindet in Mira (Rona Lipaz-Michael), der Frau des Verteidigungsministers, außerdem eine Seelenverwandte Salmas, die unter ähnlichen Problemen leidet wie diese, der Einsamkeit, der Gefühlskälte der Männer.

Die beiden Frauen werden zu Verbündeten, ohne sich zu kennen. Das klingt gewollt, vielleicht naiv - Riklis zwingt damit jedoch nur zusammen, was in der Realität und nach Meinung der Politiker nicht zusammengehört, obwohl sich die Menschen diese Region nun mal teilen müssen.

Was nicht sein darf, kann nicht sein

Wie so viele jüngere israelische Filme ist "Lemon Tree" tief verwurzelt in den politischen und sozialen Konflikten des Landes, ein sklavisch realistisches Erzählen erwächst daraus jedoch nicht.

Die Besetzung des Zitronenhaines wird zur nicht nur politisch deutbaren Methapher, wenn zu sehen ist, wie der Hain langsam vertrocknet, weil ihn niemand mehr betreten und wässern darf.

Das sonnendurchleutete Bild des Anfangs aus Salmas Küche findet seine Entsprechung gegen Ende, wenn diese ihren Anwalt leidenschaftlich küsst. Zu sehen ist das nur im Spiegel, in einem unwirklichen Licht, weil diese Beziehung nicht sein darf und deshalb nicht sein kann.

Die Mauern und Zäune, die der Film immer wieder ins Blickfeld rückt, ziehen sich mitten durch die israelische und palästinensische Gesellschaft, die Riklis gleichermaßen ambivalent schildert. Eine Durchlässigkeit ist da zu spüren, die den entschiedenen, dabei vollkommen willkürlichen Grenzziehungen in der Wirklichkeit heftig widerspricht.

Lemon Tree, Israel, D, F 2007 - Regie: Eran Riklis. Buch: Suha Arraf, E. Riklis. Kamera: Rainer Klausmann. Mit: Hiam Abbass, Ali Suliman, Rona Lipaz-Michael. Arsenal, 100 Minuten.

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