Im Kino: "Illuminati":Schmarrn im Vatikan

Ron Howard hat mit "Illuminati" einen weiteren Roman von Dan Brown verfilmt - und kommt dabei ohne die überflüssige Phantasterei der Buchvorlage aus.

Susan Vahabzadeh

Es ergeht Robert Langdon fast so wie dem Team, das ihn erschaffen hat - er kommt in Rom an und jeder kirchliche Würdenträger, mit dem er es zu tun bekommt, kann sich an die Sache in Paris erinnern und hat ihn schon dick, bevor er den Mund aufmacht. Tom Hanks spielt den Harvard-Professor Langdon, den Superexperten für kirchliche Symbolik mit einer Schwäche für kriminalistische Ausflüge, nun schon zum zweiten Mal. "Sakrileg/The Da Vinci Code" war einer der erfolgreichsten Filme der letzten Jahre, Dan Browns Bücher verkaufen sich wie warme Semmeln - ihre krude Melange aus Halbwissen und paranoider Phantasie ist, so scheint's, ungemein beliebt, auch wenn nicht jeder versteht, warum.

Im Kino: "Illuminati": Robert Langdon (Tom Hanks), Experte für kirchliche Symbolik, ist einer weiteren Verschwörung auf der Spur. Unterstützt wird er dabei von der Wissenschaftlerin Vittoria Vetra (Ayelet Zurer).

Robert Langdon (Tom Hanks), Experte für kirchliche Symbolik, ist einer weiteren Verschwörung auf der Spur. Unterstützt wird er dabei von der Wissenschaftlerin Vittoria Vetra (Ayelet Zurer).

(Foto: Foto: Sony)

Der Vatikan jedenfalls liebt Dan Brown, der sämtliche Verschwörungstheorien abzuarbeiten scheint, die im "Foucaultschen Pendel" vorkommen, immer noch nicht. Unterstützung von seiner Seite hat es bei der Arbeit am neuen Film in Rom im vorigen Sommer nicht gegeben; keine Drehgenehmigungen in Kirchen und schon gar nicht auf dem Petersplatz, der also nachgebaut werden musste; die Londoner Times zitierte damals einen Sprecher der Erzdiözese Rom, der knatschig anmerkte, normalerweise lese man erst mal die Drehbücher, bevor man das Drehen verbiete - aber nicht bei einer Dan-Brown-Verfilmung.

Dabei hat Ron Howards Lieblingsautor Akiva Goldsman bei "Illuminati" ganze Arbeit geleistet - als Drehbuchautor exakt das getan, was man von ihm erwarten kann. Ans "Sakrileg" war er vorsichtig herangegangen, damals blieben die Geschichte und ihre enervierende Cliffhanger-Struktur erhalten. "Illuminati" hat er nun ordentlich umgebaut, und ganz nebenbei von allerlei überflüssiger historischer Verschwörungsphantasterei befreit. Und so ist der Film "Illuminati" nicht nur besser geworden als "Sakrileg", sondern vor allem auch als seine eigene Romanvorlage; und mit dem Glauben an Gott hat er nichts, aber auch wirklich nichts zu tun.

Die Eckdaten des Plots aber sind natürlich ungefähr dieselben - aus einem Forschungszentrum bei Genf, wo man mit dem Urknall herumexperimentiert (jaja, das gibt es wirklich), ist Antimaterie geklaut worden, und dem Vatikan (den gibt's auch) fehlen vier Kardinäle; also ruft man Langdon (den gibt's nicht) hinzu, um eine Drohbotschaft zu entschlüsseln. Der Papst ist tot, Langdon kommt just an dem Tag, als das Konklave eröffnet werden soll, um den neuen Papst zu wählen. Kardinal Strauss (Armin Mueller-Stahl) will trotz der verschwundenen Kardinäle anfangen, der Camerlengo Patrick (Ewan McGregor) hält dagegen, und irgendwo dazwischen sucht Langdon mit Hilfe alter Schriften die Kirchen, in denen die entführten Kardinäle sterben sollen.

Er sucht zusammen mit einer schicken Genfer Wissenschaftlerin (Ayelet Zurer), die nicht davor zurückschreckt, in den vatikanischen Archiven eine ganze Seite aus der Galileo-Akte zu mopsen: ratsch. Und dabei kommen die beiden einer ganz großen Intrige auf die Spur. Sieht so aus, als wollten die Illuminaten mit der Antimaterie den Vatikan in die Luft jagen. Die Kirchen liegen an einer Art Illuminaten-Trail durch Rom, und überhaupt war es ein Illuminaten-Boss, der mit seiner Kunst den Vatikan unterwanderte . . . der Bildhauer Bernini, der zwischen dem Umbau des Petersplatzes und den Brunnen für die Piazza Navona noch Zeit gefunden haben soll, ein paar Päpste zu manipulieren.

Buntes, sinnloses Treiben

Das ist alles ein rechter Schmarrn, in der bekannten Brownschen Weise mit kleinen Körnchen Wahrheit abgeschmeckt. Das ist ja nicht das erste Mal, raunzt ein Kardinal, als aufkommt, dass der Papst ermordet wurde. Und es hat ja die Illuminaten tatsächlich gegeben, einen Geheimbund, der 1776 in Ingolstadt gegründet wurde - dass es sich nicht um Feinde der Wissenschaft, sondern um Aufklärungsfreunde handelte, spielt in "Illuminati" letztlich keine Rolle. Wer freilich glaubt, dieser Bund bastele im Dunkeln an der Übernahme der Weltherrschaft und morde Päpste, ist trotzdem nicht ganz bei Trost. Aber in der Version, die Goldsman und sein Ko-Autor David Koepp verfasst haben und die Ron Howard viel ökonomischer und klarer inszeniert hat als das "Sakrileg", macht es wenigstens Spaß, dem bunten, sinnlosen Treiben zu folgen.

Und das ist dann doch nicht nur eine Frage der Story, sondern eine Frage des Spiels, und der schönen moralischen Schwebe, in der Ron Howard seine Figuren lässt, als habe er bei "Frost/Nixon" etwas gelernt über die unendlich spannende Komplexität der menschlichen Natur. Das wirkt hier eleganter, weniger hingebogen, organischer als im "Sakrileg". Die Geschichte ist viel besser organisiert und straff erzählt, und die Nebenfiguren bekommen tatsächlich etwas zu spielen - anders als etwa Jean Renos Kommissar im "Sakrileg", der nur nutzlos im Weg herumstand wie ein Tribut an europäische Star-Präferenzen. Mueller-Stahl vor allem, als verknöcherter Traditionalist, den man vielleicht für machtbesessen halten könnte. Und Ewan McGregor, der mit jener niedlich-gefährlichen Unschuld herumexperimentiert , die ihn in "Shallow Graves" berühmt machte, unbedarft kindlich und teuflisch gleichermaßen . . .

Mit dem Eifer eines Boulevardreporters

Nur hat ja "Sakrileg" auch ohne Esprit und lustvolle Darstellung Erfolg gehabt. Ist Dan Brown am Ende womöglich nicht trotz all des Unfugs, den er zusammendichtet erfolgreich, sondern deswegen? Ist sein Erfolgsgeheimnis so eine Art geistige Antimaterie? Das Fiktionalisieren realer Ereignisse ist ja an sich eine anerkannte Kunstform. Zumindest stört es bislang keinen, dass es sich als schwierig erweist, Troja anhand der Dichtung Homers ausfindig zu machen, und es ist eben auch nicht dasselbe, wenn Thomas Mann seine Phantasien zu Lotte in Weimar schweifen lässt. Weil man hier doch versucht, sich auf die Wirklichkeit einen Reim zu machen, während Dan Brown mit dem Eifer eines üblen Boulevardreporters schreibt.

Sein Erfindungsreichtum verdankt sich allein der Sensationsgier. Eine historische Paranoia, die die ganze Welt als schrecklich und verschlagen darstellt, diffuse Ängste schürt, ohne jeden Funken revolutionären Geistes - es geht bei Dan Brown sicher nicht darum, etwas anders zu machen, nur ums Ausschlachten des Status quo in Klatschpresse-Manier. Noch ein Grund, weshalb die katholische Kirche es sich wirklich sparen könnte, sich aufzuregen über die Langdonschen Feldzüge. Eine absurde, künstlich wirkende Kontroverse. Ron Howards Verteidigungsrede zum Film ist tatsächlich in der Huffington Post erschienen - fast, als ginge es hier wirklich um Angriffe auf die Freiheit der Welt.

ANGELS & DEMONS, USA 2009 - Regie: Ron Howard. Buch: Akiva Goldsman, David Koepp. Nach dem Roman von Dan Brown. Kamera: Salvatore Totini. Musik: Hans Zimmer. Mit: Tom Hanks, Ewan McGregor, Armin Mueller-Stahl, Stellan Skarsgård, Ayelet Zurer. Sony, 138 Minuten.

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